Genaugenommen ist die Sophienhöhe nahe Jülich ein Haufen Abraum aus dem Tagebau, den sich die Natur zurückerobert. Mit Wanderkarte zum Download.
Wandertag Extra Rhein-ErftWachsende Natur auf der Abraumhalde – Wanderung über die Sophienhöhe
Sie ist eine Meisterin des schönen Scheins. Es zirpt hier, es flattert, es knackt und quakt. Wer die Sophienhöhe im Rhein-Erftkreis erwandert, der bekommt gerade im Sommer saftige Natur serviert. Gelbe Schwertlilien säumen umwucherte Seen, an deren Ufer sich kleine Bäume ins Wasser trauen. Am Wegesrand blüht blau und verschwenderisch der Ehrenpreis. Wer Glück hat und ein eher leiser Wandergeselle ist, der kann hier auch ein Reh treffen, eine Haselmaus, einen Fuchs, einen Hasen oder ein Wildschwein. Und auch anspruchsvolles Getier wie der seltene Springfrosch oder die in NRW gar als ausgestorben geltende Zwergdommel soll es in das 13 Quadratkilometer große Gebiet im Kreis Düren gezogen haben.
Die Serie „Wandertag“ haben unsere Leserinnen und Leser bei einer Umfrage zur beliebtesten Rubrik im Magazin gekürt. Daher gibt es nun ein besonderes Schmankerl: Fünf Extra-Folgen des „Wandertags“ haben wir für Sie diesen Sommer erarbeitet. Hier können Sie sich zu jeder Wanderung eine Broschüre herunterladen, mit praktischer Wanderkarte, allen Infos zu Wegbeschreibung, Einkehrmöglichkeiten und Sehenswertem am Wegesrand.
Sollte sich der Downloadlink mobil nicht öffnen, finden Sie den „Wandertag Spezial“ alternativ hier.
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Ein Naturparadies könnte man meinen. Aber die Sophienhöhe, auch Monte Sophia genannt, tut bloß so. In Wirklichkeit ist sie so natürlich wie die Gärten von Versailles. Die Geister scheiden sich. Die einen halten sie in gewisser Weise für das Gegenteil von Natur: ein Produkt der Abtragung der Natur zur Gewinnung von Braunkohle. Eine Abraumhalde wäre korrekt, was sich nach Müll anhört und so gar nicht zum lieblichen Gezirpe und Geflattere und auch nicht zum Blumenduft auf den von Rosen und Schlehen gesäumten Wegen hier zu passen scheint. Die anderen sind deshalb der Meinung, so viele Pflanzen und Tiere können nicht irren. Auch wenn künstlich angelegt, so ist die Sophienhöhe doch ein vorzeigbares und echtes Stück Natur. Heimat für Gehölze, Insekten, Spinnen, Vögel, Naherholung für Wanderer.
Bodenschicht und Totholz aus dem Altwald brachten das Krabbeln
Wer sich aufmacht, einige der 100 Kilometer Wanderwege, die den Hügel überziehen, zu erkunden, der wird wahrscheinlich für die Wahrheit in der Mitte plädieren. Wir starten dazu am Parkplatz Höller Mühle nahe Elsdorf, erklimmen die Highlights der Sophienhöhe wie das Höller Horn sowie den Römerturm und spazieren durch die Goldene Aue und können entlang der gesamten Wegstrecke sowohl das mächtige Tagebauloch als auch den Aufwand, den RWE für die Rekultivierung betrieben hat, begutachten.
Um einen See anzulegen, muss beispielsweise zunächst der Boden mit versiegelndem Ton ausgelegt werden, obendrauf kommt Kies und am Ende wird geflutet. Einige Wasserpflanzen erhalten die rekultivierten Seen sozusagen als Grundausstattung, dann übernimmt aber wieder die Natur. So haben sich in den Gewässern der Sophienhöhe im Laufe der Zeit wieder Pflanzen wie Wasserfedern oder Seekanne angesiedelt. Auch beim Waldboden hat man der Natur nur behutsam auf die Sprünge geholfen. Förster ließen die oberste Bodenschicht im Alt-Wald abschaben und Totholzstämme herankarren, um allem Kreuchenden und Wachsenden auch im neuen Wald eine Chance auf Zukunft zu geben.
Ursprünglich war die Sophienhöhe einfach ein Ort zum Abladen unglaublicher Erdmassen. Die Rheinbraun AG begann 16. Oktober 1978 mit dem Aufschluss des Tagebaus Hambach. Sechs Jahre lang gruben sich die Bagger in die Tiefe, bis sie am 17. Januar 1984 auf das Braunkohleflöz stießen und die erst Kohle gefördert wurde. Aber wohin mit der Erde, die man wegbaggern musste, um an die Kohle zu gelangen? Einen Teil transportierte man mittels einer Nord-Süd-Bahn zu den Tagebauen Frechen und Fortuna und verfüllte diese nach dem Braunkohleabbaggern wieder. Der Rest wurde einfach quasi nebenan zu einem riesigen Berg aufgeschichtet. Auf diese Weise entstand der höchste künstliche Berg der Erde: Der Berggipfel liegt 302 Meter über Normalnull und 200 Meter über der Umgebung und ist als solcher im Revier weithin sichtbar.
Wer hier wandert, der muss deshalb erstmal ein ziemlich langes Stück bergauf gehen. Die Wege führen im großen Zickzack nach oben und an jeder Wegwende fragt man sich unweigerlich, wie es sein kann, dass – Aufschüttung hin oder her – so ein rheinischer Berg in der Börde einfach kein Ende nach oben nimmt. Dem Erschöpften sei gesagt: Erstens nimmt der Berg natürlich doch ein Ende. Und zweitens kommen die Highlights auf dem Gipfel dann in rascher Folge, wie ein Begrüßungskomitee, das sich gegenseitig an den Händen hält. Erst das Höller Horn, dann der Römerturm und anschließend die Goldene Aue.
Alle drei Gipfelschwestern sind in Erscheinung und Charakter komplett unterschiedlich. Wer das Höller Horn erklimmt, fühlt sich unweigerlich in eine nordatlantische Dünenlandschaft versetzt. Sandkargheit türmt sich hier, einen schattigen Platz sucht man vergeblich und wer die Augen ein wenig zusammenkneift, der kann den Wald dahinter zum Verschwimmen zwingen und so tun, als begänne hinter den fast weißen Hügeln das Meer.
Der Römerturm dagegen besticht eher durch saftige Umwucherung. Wer auf ihm thronend den Blick in die Ferne wirft, der scheitert oft am dichten Blattwerk. Wegweiser verraten immerhin Richtung und Entfernung zu Städten wie Salzburg oder Malmö.
Wer in der Goldenen Aue angekommen ist, den beeindruckt gerade im späten Frühling der gelb blühende Ginster. Ganzjährig bietet die lange Bank mit Panoramablick eine gute Rastmöglichkeit. Hier können Menschen, die Natur und Technik gleichermaßen schätzen, zu manchen Zeiten voll auf ihre Kosten kommen. Denn wo es neben der Bank krabbelt und blüht, lässt sich am Horizont zuweilen der Riesen-Absetzer bei seiner Arbeit im Tagebau begutachten. Es soll diejenigen geben, die die Maschine im Sonnenuntergang gar für ein romantisches Bildmotiv halten. Aber das ist natürlich Geschmackssache.
Extra Tipp: Terra nova
Eine besonders gute Aussicht in den Tagebau hat man von der Terrasse des „Forum Terra nova“. Hier, am nordöstlichen Rand des Tagebaus, nahe dem Elsdorfer Ortsteil Berrendorf-Wüllenrath, befindet sich neben einer Gaststätte, ein großer Abenteuerspielplatz. Von der Terrasse aus wirkt der Schaufelradbagger manchmal zum Greifen nah. Der Blick fällt 400 Meter in die Tiefe, wo Braunkohle abgebaut und das Loch anschließend wieder mit Abraum gefüllt wird. Bald soll mit dem Kohleabbau im Rheinischen Revier Schluss sein, ab 2030 sollen Besucherinnen und Besucher nur noch den Fortschritt der Rekultivierung sowie die geplante Entstehung des Hambacher Sees beobachten können. Das Wasser soll ab 2030 über noch zu bauende Pipelines aus dem Rhein kommen. Am Ende soll der Hambacher See nach dem Willen von RWE Deutschlands zweitgrößter See nach dem Bodensee werden. Laut RWE könnte es bis zur Vollendung des Projekts rund 50 Jahre dauern. Protest gibt es von Anwohnern und Aktivisten.
Wetterradar Forschungszentrum Jülich
34 Meter hoch ragt der Turm mit dem Wetterradar in den Himmel. Gemessen werden kann hier Wind und Niederschlag in einem Umkreis von 60 Kilometern. Das polarimetrische Radar misst, anders als die herkömmlichen horizontal ausgerichteten Anlagen, auch vertikal und kann somit eine Niederschlagsvoraussage auf 200 Meter genau geben. Messbar ist nicht nur die Niederschlagsart, also ob es hageln oder schneien wird, sondern sogar die Tropfengröße bei Regen. Die Anlage dient auch als Frühwarnsystem für Hochwasser und Unwetter und kann Daten zu den Auswirkungen des Klimawandels liefern. Die Radarstation ist Teil des deutschlandweiten Langzeitprojekts Tereno der Helmholtz-Gemeinschaft. Die Daten werden nicht nur wissenschaftlich genutzt, sondern auch RWE sowie dem Deutschen Wetterdienst und den lokalen Wasserverbänden zur Verfügung gestellt. Letztere können mit den Niederschlagsdaten zum Beispiel die Steuerung ihrer Talsperren und anderer wasserwirtschaftlichen Anlagen optimieren. Wanderer schätzen die Anlage zuweilen auch als interessantes Fotomotiv, dessen Kuppel beim Näherkommen über dem Wald aufragt.
Blick bis nach Salzburg – theoretisch
Der Römerturm auf dem Steinstrasser Wall ist der Nachbau eines Wachturms, aus dem 1. bis 4. Jahrhundert, wie er an der Heerstraße von Köln nach Aachen gebräuchlich war. Er soll die Blickverbindung zwischen den beiden Enden der Via symbolisieren. Über eine steile Treppe lässt sich der Turm besteigen. Von oben haben Besucherinnen und Besucher eine weite Aussicht in alle Richtungen. Tafeln zeigen an, was in welcher Richtung liegt, von Köln über die Eifel bis zum Siebengebirge, aber auch entferntere Orte wie Salzburg, Malmö oder Salzburg. Bis nach Österreich schauen kann man von hier freilich nicht. Und das liegt nicht nur daran, dass die Natur hier oben schon viele Meter in die Höhe gewachsen ist und so die Blätter von Hainbuchen, Stieleichen und Winterlinden den Blick versperren. Aber zur Orientierung und als kleines Schätz-Rätsel mit Kindern ist der Ort wunderbar geeignet. Ein Picknicktisch nach dem Turmabstieg lädt zur Rast ein.
Gewinnspiel
Eine Ballonfahrt über das Bergische Land, die von der Tourismusgesellschaft „Das Bergische“ zur Verfügung gestellt wird, verlosen wir unter allen Wanderern, die die Frage zu dieser und den anderen Wandertag-Extra-Folgen an den Samstagen seit dem 15. Juli richtig beantworten und die Lösung mit ihrem Namen, ihrer Adresse und ihrer Telefonnummer an folgende E-Mail-Adresse senden:
Wer nur eine Frage der fünf Wandertag-Extra-Folgen richtig beantwortet und an dem Gewinnspiel teilnimmt, kann das in wenigen Wochen erscheinende neue Buch zur „Wandertag“-Serie, Büchersets (Wandertag Bände 1 bis 4) aus dem Shop dieser Zeitung oder Gastronomiegutscheine von „Das Bergische“ gewinnen.
Einsendeschluss für alle Folgen des Wandertag-Extra-Gewinnspiels ist am Montag, 16. Oktober 2023 (der Tag nach den Herbstferien).
Die Frage zur heutigen dritten Wandertag-Extra-Folge lautet:
Wie heißt die am weitesten entfernte Stadt, auf die der Wegweiser auf dem Römerturm hindeutet?
Ein Tipp: Das hölzerne „Instrument“ befindet sich im hinteren Bereich der Schutzhütte
Die Gewinner werden benachrichtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Veranstalter des Gewinnspiels ist die M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen Zeitung GmbH & Co. KG. Bei einer Teilnahme gelten unsere AGB als akzeptiert. Diese AGB finden Sie unter: www.ksta.de/gewinnspiel-agb