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Kölner Sternekoch und Sänger im „Alfredo“„Das erste Jahr war eine Katastrophe“

Lesezeit 7 Minuten
Alfredo Koch

Carturan, der in Italien Gesang studierte, ist ein Traditionalist im besten Sinne, einer der sein Handwerk mit Leidenschaft und hohem Anspruch ausführt.

  1. In unserer neuen Serie stellen wir statt Restaurants interessante Köche in Köln vor.
  2. Roberto Caturan, Koch und Inhaber des „Alfredo“ hat eigentlich Gesang studiert, sich letztlich aber für seine zweite große Leidenschaft, das Kochen, entschieden.
  3. Im Traditionslokal, das er von seinen Eltern übernommen hat, kocht er heute authentisch-italienisch - mit regionalen Zutaten.

Köln – Erst als ich Kölns Sternekoch Roberto Carturan bei einer seiner Freitags-Soiréen im „Alfredo“ singen hörte, begriff ich diesen Mann und seine Küche wirklich. Carturan, der in Italien Gesang studierte, ist ein Traditionalist im besten Sinne, einer der sein Handwerk mit Leidenschaft und hohem Anspruch ausführt.

In seiner Musik wie in seiner Küche geht es um Interpretation, nicht um Neu-Kreation. „Ich koche italienisch-authentisch, im Sinne von regional. Das Tolle an Italien ist ja die regionale Vielfalt, da hat jede Stadt ihr Spezialrezept.“ Was man bei einem seiner halbstündigen Auftritte auch merkt: der Mann hat unglaublich viel Energie. Kein Wunder, dass der Verdianer und Hülsenfruchtfanatiker in seiner Freizeit Box-Sport treibt.

„Mein Freund Frank Schätzing hat mich darauf gebracht. Früher hat er auch geboxt, heute muss er aufpassen, dass seine Finger gerade bleiben. Boxen ist körperlich so umfassend und archaisch! In kaum einer Sportart kommst du deinem Gegner so nah, dann diese Verflechtung, dass man sich haut und trotzdem als Freunde rausgeht. Man lernt viel über sich selbst und die eigenen Ängste.“ Carturan, Super-Schwergewicht, ist heute im Vorstand des ältesten aktiven Boxvereins in Deutschland: dem SC Colonia 06.

In seinem Restaurant findet man den 1965 Geborenen nicht nur in der Küche. „Man soll Gastgeber und Koch bei mir nicht trennen, ich bekoche und bediene die Leute gerne, damit sie eine schöne Zeit haben.“ Das nimmt man ihm voll ab. „Für die Hauptgerichte bin ich in der Küche dabei. Wenn ich raus gehe, sage ich manchmal: Kleinen Augenblick mit dem Anrichten für Tisch soundso, ich komm gleich wieder. Ich weiß genau, wo ich wann vonnöten bin.“

Sein 85-jähriger Vater kommt immer noch jeden Mittag ins „Alfredo“, hält Hof und isst. „Und trinkt stets ein kleines Glas Rotwein“, erzählt Carturan, der nämlich noch eines aus tiefstem Herzen ist: Familienmensch.

Das Ristorante „Alfredo“ öffnet: Mo–Do 12–15 & 18–23.30, Fr 12–15 & 19–23.30, freitags: musikalisch-kulinarischen SoiréeAdresse: Tunisstraße 3 (Am Opernhaus), 50667 Köln, 0221 – 2 57 73 80www.ristorante-alfredo.com

Geschmacksfragen

Was haben Sie als Kind am liebsten gegessen?

Natürlich immer Pasta. Aber ich komme aus einem italienisch-deutschen Haushalt, meine Mutter ist Deutsche. Rouladen waren ein Sonntagsessen und die esse ich heute noch wahnsinnig gerne. Mein Vater ist aus Padua, da isst man viel Risotto, an Feiertagen mit Kaninchen. Ich habe immer ein Risotto auf der Karte, das ist von der Variabilität ja unendlich, man kann sich im Risotto – noch mehr als bei Pasta – ausleben.

Was hat Sie bewogen, Koch zu werden?

Ich habe ja nie eine Ausbildung als Koch genossen, sondern bin im Restaurant meiner Eltern groß geworden. Das war zwar nicht immer ganz einfach, da hat man sich als Kind auch mal verbrannt, aber für mich war klar, dass ich nach Abitur und Zivildienst das Restaurant übernehme. Ich habe dann allerdings eine Ausbildung zum Sänger in Italien gemacht – aber auch während meines Studiums immer in Küchen gearbeitet.

Irgendwann waren meine Eltern müde vom Lokal und ich musste mich entscheiden – das hat einen Monat gedauert. Es gab bei mir einen ganz hohen emotionalen Faktor, denn meine Eltern hatten unendliche Entbehrungen auf sich genommen, um dieses Lokal aufzumachen, aus dem Nichts sozusagen, und das erste Jahr war eine Katastrophe.

Wenn wir momentan über Flüchtlinge reden: mein Vater war nichts anderes als ein Wirtschaftsflüchtling. Heute bin ich froh, dass ich mich damals für das Restaurant entschieden habe. Ich bin sehr gerne Gastgeber und Koch.

Welches Produkt finden Sie zurzeit besonders spannend?

Wir waren vor Kurzem bei Foradori im Trentino und haben ein Seminar über Biodynamie gehört, sie bauen dort Gemüse zwischen den Rebzeilen an. Da lernte ich einen Produzenten von Radicchio Treviso kennen. Das ist unheimlich spannend, biodynamisch ist das Gemüse noch viel intensiver. Wir haben ja verlernt bitter zu essen, wir sind versüßt worden. Ich mag den Bitterkontrast. Das ist großartig, ich will das forcieren.

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Was ist zu Unrecht in Vergessenheit geraten?

Wir erleben ja gerade eine Renaissance von alten Kochmethoden und Gemüsen, was wirklich schön ist. Auf einer Reise in Italien landete ich zum Beispiel auf Burano in der Trattoria da Romano, die ist über 120 Jahre alt, hängt voller Originale von namhaften Künstlern, die damit bezahlt haben. Da aß ich Risotto di Gò. Das wird mit einem kleinen Lagunenfisch namens Ghiozzo zubereitet, der sich im Beifang findet, voller Gräten. Daraus haben die einen Sud mit kräftigem Geschmack passiert. Ist jetzt in Venedig wieder en vogue.

Welches Gericht wollen Sie nie mehr kochen?

Ich biete im Restaurant grundsätzlich nichts an, was ich selbst nicht mag. Es gibt Köche die essen keinen Fisch, aber machen ihn doch. Nur weil es der Zeitgeist will. Lachs gibt es bei mir zum Beispiel nicht mehr. Mein Vater bereitete ihn in einem Brotteig zu. Den Deckel schnitt man raus und filetierte dann am Tisch, viele bestellten das. Es gab eine Zeit, da war Lachs so beliebt und es gab ihn überall, wie im Moment der Kabeljau. Irgendwann hat man auch genug davon.

Welches Gericht wollten Sie schon lange mal wieder kochen?

Minestra di Pane, die haben wir hier lange nicht gekocht! Ein wunderbares Arme-Leute-Gericht aus der Toskana, vor allem mit einem schönen Gläschen jungen Chianti. Ich mache die immer großformatig, ein- oder zweimal im Winter für die Gäste, auch wenn das Gericht nicht so wahnsinnig elegant ist, sondern mächtig und sättigend. Es wäre mal wieder Zeit, aber jetzt ist der Winter natürlich schon vorbei. Man nutzt dafür immer das neue, noch etwas pikante Olivenöl. Ich benutze Olivenöl ja immer als Finish auf meinen Speisen.

Ihr Haus-Rezept für unsere Leser?

Es ist Spargelzeit, wir haben bestimmt vier-, fünfmal zuhause Risotto mit Spargel gemacht. Du brauchst nicht viel, es ist einfach zubereitet und ein tolles Gericht. Das ist eins meiner Lieblingsrisotto, weil es auch ein klein wenig elegant ist. Ich würze da wenig, auch keine Zwiebel. Wenn man den Spargel al dente zubereitet hat, passt das wunderbar. In der Saison ein Klassiker, auch im Restaurant.

Rezept: Risotto mit grünem und weißem Spargel

Spargel Risotto

(für 4 Personen)Zubereitungsdauer: ca. 30 MinutenGarzeit Risotto: ca. 18-20 Minuten

Zutaten:8 Stangen Grüner Spargel8 Stangen Weißer Spargel240 g Carnaroli-Reis80 g Butter, kalt (in Würfel geschnitten)120 g Parmigiano Reggiano, geriebenSalz1 Schuss Olivenöl, extravergine

Zubereitung:

Den geschälten Spargel in ca. 1,5 Liter leicht gesalzenem Wasser al dente blanchieren. Spargel herausnehmen, in etwa 0,5 cm große Stücke schneiden und Spargelfond auf kleiner Flamme weiter köcheln lassen. Reis in einem Topf (idealerweise Stiel-Kasserolle) mit etwas Butter zart andünsten und mit heißem Spargelfond ablöschen bis der Reis vollständig bedeckt ist. Fond unter ständigem Rühren einkochen lassen und diesen Vorgang stetig wiederholen. Nach etwa 10 Minuten die Spargelstücke dazugeben. Wenn der Reis bissfest gar (ca. 18 Minuten) und die Flüssigkeit fast vollständig eingekocht ist, den Topf vom Herd nehmen. Die kalten Butterwürfel und den Parmesankäse nach und nach ca. 1 Minute mit dem Kochlöffel kräftig unterheben (ital. „mantecare“). Zum Schluss salzen und mit einem Schuss Olivenöl verfeinern.

Hinweis: Um eine ideale Konsistenz zu erhalten kann man gegebenenfalls am Ende noch ein wenig Fond hinzugeben. Das Risotto sollte schön cremig sein.

Roberto Carturans Risotto-Tipp: „Die Endphase beim Risotto ist die größte Herausforderung: den Garpunkt zu erwischen und nicht zu viel Flüssigkeit drin zu haben, sonst saugt der Reis diese auf. Kurz vor Ende der Garzeit muss man deshalb genauer hinschauen und immer vorsichtiger werden bei der Flüssigkeitszugabe. Dann kommt die Flocke Butter, der Schuss Olivenöl, der Parmesan-Käse. Es gibt ja zwei Reis-Religionen, und obwohl ich römisch-katholisch bin folge ich beiden. Vialone aus dem Veneto ist eine kleinere Sorte, die ist mir bei Fischrisotto lieber. Carnaroli, aus dem Piemont, bleibt auch gar etwas bissfester, deshalb präferiere ich ihn leicht.“