Schaumkuss mit Zipfel – eine lokale Spezialität mit Expansionsdrang.
Copyright: Jens Höhner Lizenz
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Kringel um Kringel quillt die weiße Masse aus dem Spritzbeutel. Nun entscheidet allein das Fingerspitzengefühl: luftiger Kuss oder doch eher trauriges Häufchen? Laura Weist macht es vor. Prompt bringt die Dozentin den perfekten Turm aufs Tablett, schüttet behutsam flüssige Schokolade darüber und präsentiert stolz einen Schaumkuss, wie er appetitlicher kaum aussehen könnte. „Wer zu fest auf den Beutel drückt, bekommt Sauerei“, warnt die 23 Jahre alte Expertin.
Seit zwei Jahren gibt es in Grabow die „Schau(m)manufaktur“, seither dürfen Wagemutige dort das beliebte Naschwerk aus Mecklenburg-Vorpommern selbst herstellen. Und wer es richtig macht, der erhält am Ende das „Küsschen-Diplom“. „Im Handel sind die echten Schaumküsse an einem kleinen Schoko-Zipfel zu erkennen“, sagt Laura Weist. Dieser Zipfel ist heute ein geschütztes Markenzeichen.
Das kleine Schokostück stammt aus jenen Zeiten, als die Masse aus reichlich Zucker, viel Eischnee mit einer Prise Salz und Gelatine in die Schokolade getaucht wurde und kein warmer Guss von oben kam. So geschah es 1954, als die heutige „Grabower Süßwaren GmbH“ noch ein „volkseigener Betrieb“ war und in der DDR „Dauerbackwaren“ produzierte.
Wer in Deutschland aber den ersten Schaum- oder Schokokuss überhaupt produziert hat, darüber herrscht Uneinigkeit unter den Konkurrenten. In 54 Ländern der Welt lassen sich zudem Süßigkeiten-Freunde den Schaumkuss aus Grabow schmecken, neuerdings auch in Großbritannien: Dort ist die Bodenwaffel indes ein Keks und der Schaum darüber so steif wie ein Marshmallow. Die dünne Schokoladenschicht sorgt dafür, dass die Süßigkeit etwa vier Wochen frisch bleibt. Bis 1995 geht diese noch mit den unschönen und nun verbotenen Namen „Negerkuss“ oder „Mohrenkopf“ über die Theke.
In der „Schau(m)manufaktur“ schwelgen die Schüler von Laura Weist längst in Erinnerungen aus Kindertagen. „Die schmecken wie früher“, schwärmt Regina Krumm (55) aus Ludwigslust, die mit 13 Kollegen einen Betriebsausflug nach Grabow unternommen hat und jetzt den ersten Schaumkuss aus dem Beutel presst. „Und natürlich ist der Schaumkuss eine regionale Spezialität – auch heute noch.“
Laura Weist, die täglich zwei bis drei Gruppen in die Geheimnisse der Schaumkuss-Produktion einweiht, betont gern, dass das Naschwerk kaum Kalorien habe, zumal immer eine gehörige Portion gute Mecklenburger Luft darin verarbeitet werde. 82 Kilokalorien sind es nach Herstellerangaben bei einem Gewicht von 28 Gramm pro Stück. „Fest steht: Den ersten eigenen Schaumkuss vergisst keiner.“