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Kölner Karneval 2025Dat wor jot, dat wor nit esu jot – der Rückblick auf die Session

Lesezeit 5 Minuten
Ankunft von Prinz Rene in der Mohrenstrasse

Seinen Höhepunkt hat der Straßenkarneval mit dem Rosenmontagszug erreicht. Mit dem Verbrennen des Nubbels am Dienstag ist die Session beendet.

Musik, Sitzungen, Dreigestirn: Wir blicken auf die zurückliegende Session und ziehen Bilanz.

Wenn der Nubbel nur noch verkohlter Stoff und Asche ist, dann hat die fünfte Jahreszeit ihr Ende erreicht. Das letzte „Alaaf“ ist verklungen, die Pappnas verschwindet bis zum 11.11. wieder in der hintersten Ecke des Kleiderschranks, und auch von den beim Zoch gefangenen Kamelle ist bald nichts mehr übrig. Was dagegen von dieser Session bleibt, was gut oder eben nicht so gut war – wir ziehen Bilanz.

Frauen auf dem Vormarsch

„Mer starte die RakeTÄTÄRÄTÄTÄ“ – und mit dem Überraschungserfolg von Mätropolis starteten in dieser Session (endlich) auch Künstlerinnen durch. Während Mätropolis eine reine Frauen-Band ist, gehört Nici Kempermann zur Formation Kempes Feinest: Als erste Band mit einer Sängerin gewann diese zum ersten Mal seit 25 Jahren das populäre Mitsing-Event „Loss mer singe“. Nach mehr als 70 Abenden in Kneipen im Rheinland, in Hamburg, Berlin und München erhielt das Lied „Wenn et Leech usjeiht“ die meisten Stimmen. Der Erfolg sollte auch anderen Musikerinnen Auftrieb geben bei der Suche nach dem jährlichen Hit der Session.

Auf der Bühne: Die Frontfrau von Mätropolis Linda Teodosiu

Auf der Bühne: Linda Teodosiu, die Frontfrau von Mätropolis

Allerdings tummeln sich nach wie vor deutlich mehr Männer als Frauen in den Proberäumen der Stadt. Aber auch das kann sich ändern.

Apropos Wandel: Die Höhner scheinen den Abschied der Gründungsmitglieder sowie ihres langjährigen „Erkennungs-Schnäuzers“ Henning Krautmacher endgültig überwunden zu haben. Nur mit neuen Songs wie „Au revoir“ oder dem Krokodil, das die Prinzessin fressen will, räumte die Gruppe in den Sälen ab. Dagegen setzen die Bläck Fööss unter anderem auf ein Medley mit Hits ihrer Vorgänger. Die Session hat gezeigt, dass es in der „ersten Reihe“ der Bands voller geworden ist.

Eintönigkeit in den Sälen

Im Vergleich zum Vorjahr hat sich bei den Sitzungen nicht viel geändert. „Dat selbe Prozedere wie jedes Johr“, heißt es in den großen Sälen. Die üblichen Top-Bands – wenn nicht Brings, dann Kasalla – die üblichen Top-Redner, wenn nicht Volker Weininger, dann Marc Metzger – oder alle zusammen. Damit geht jeder Literat auf Nummer sicher. Allerdings sorgt das auch für eine gewisse Eintönigkeit.

Dass die Auftretenden nach wie vor bereits zwei Jahre im Voraus gebucht werden, ist da auch nicht förderlich: Newcomer sind so vorerst kaum in Köln zu sehen, dafür im Umland: Djavid zum Beispiel, die Neuentdeckung unter den Rednern, hätte mit seinem Blick als afghanischer Geflüchteter und Angestellter im Jobcenter auf Köln schon jetzt einen Stammplatz im Gürzenich haben müssen.

Festkomitee verzichtet auf Strüßjer

Frauen mit Strüßjer

Strüßjer sind das begehrteste Gut im Rosenmontagszug. Aus Kostengründen gab es in diesem Jahr auf den Wagen des Festkomitees aber nur Kamelle.

Erstmals verzichtete das Festkomitee bei seinen eigenen Wagen auf Strüßjer beim Rosenmontagszug. Der Grund: Zu teuer – erklärt eine Sprecherin auf Nachfrage. Wie berichtet, muss der Dachverband des organisierten Frohsinns sparen und hat nun auch beim Wurfmaterial den Rotstift angesetzt. Zuvor waren unter anderem auch die Teilnehmer-Gebühren erhöht worden.

Eine Grenze scheint bei der Vermarktung des Zugs erreicht zu sein. Noch mehr Tribünen mit teuren Eintrittskarten nehmen anderen Zuschauern den Platz und Blick auf den Zoch. Und: Schon jetzt gibt es auf den Rängen gefühlt zu viele Moderatoren, die zu viel quatschen und dann nur stören. Zudem sorgen die Musik-Anlagen vielerorts dafür, dass die Live-Musik der zahlreichen Kapellen untergeht.

Perfekt für diese Zeit

Besser als mit diesem Dreigestirn hätte es Köln in dieser Session nicht treffen können: Von Anfang an haben Prinz René I., Bauer Michael und Jungfrau Marlis exakt die richtigen, gesellschaftlich relevanten Botschaften gesendet: Lasst jeden feiern, wie er oder sie möchte, seid freundlich zueinander, zu lieben braucht ihr euch nicht, aber respektiert euch bitte in all eurer Verschiedenheit. In Zeiten einer zerstrittenen Ampel-Koalition und von Neuwahlen, schockierender Wahlergebnisse in den USA und in Deutschland und einer oftmals unterirdischen Kommunikationskultur kamen die drei wohltuend daher. Ruhig. Besonnen. Ausgleichend. Verbindend.

Es war das erste komplett queere Dreigestirn Kölns, doch darum ging es gar nicht primär, denn die Botschaft, die die drei verbreitet haben, sollte sich schlicht jeder Mensch zu Herzen nehmen, sie ist universell. Dass dabei die Jungfrau besonders präsent war und Prinz und Bauer ein wenig weniger, störte kein bisschen.

Das Dreigestirn begrüßt die Jecken beim Rosenmontagszug.

Das Dreigestirn begrüßt die Jecken beim Rosenmontagszug.

Aus dem Herzen gesprochen

Da hat das Festkomitee ins Schwarze getroffen: „FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“, während der ganzen Session war spürbar, dass dieses Motto den Jecken aus den Herzen spricht. Die Sehnsucht nach Frieden, nach Liebe und Gemeinschaft, sie vereint in diesen Zeiten, in der die Gesellschaft immer weiter auseinander zu driften scheint. Bemerkenswert gut funktioniert hat dieses Motto auch aufgrund seiner Bildlichkeit. In Orden und Pins, Kostümen und Saaldekoration, überall zogen sich Blumen wie ein roter Faden durch die Session und machten sie umso bunter.

Mer stonn zesamme

Kaum landete die Zeitung mit dem Hilfsgesuch der Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums am 22. November auf dem Frühstückstisch, meldeten sich schon die ersten Anrufer beim Vorsitzenden Bernhard Conin mit der Frage: Wo man für die Schull- un Veedelszöch spenden könne, auf der Webseite stehe keine Bankverbindung. Das wurde schnellstens nachgeholt, und in der Folge liefen immer mehr Spenden auf dem Konto des Vereins ein. So sind die Schull- un Veedelszöch auch für die kommenden Jahre gesichert.

Und nicht nur da zeigte sich die soziale Seite des Karnevals: Auch bei Veranstaltungen wie der Benefizsitzung von „Dat kölsche Hätz“ kamen beträchtliche Spendensummen zusammen, 666.666,66 Euro konnte der Verein für krebskranke Kinder sammeln. Wie viel Geld für die vom Dreigestirn auserwählten Spendenprojekte, den „Karnewald“ und das Projekt „Leeve und leeve losse“ zusammengekommen ist, ist noch nicht bekannt. Aber klar ist: Die Jecken lassen niemanden im Regen stehen.

Brauchtum klappt auch in der Zülpicher Straße

Wirtin Maureen Wolfs Überraschungscoup mit den Ratsbläsern hat gezeigt: Auch die Jugend auf der Zülpicher Straße weiß kölsche Kultur zu schätzen. Von wegen nur Saufen. Bei Weinzwang 30 Jahre älteren Büttenrednern im Gürzenich zu lauschen, ist nicht jedermanns Art zu feiern. Die Ratsbläser vermochten es aber, die vorwiegend sehr jungen Feiernden vor Oma Kleinmanns an Weiberfastnacht mit kölschen Klassikern wie „Wenn et Trömmelche jeht“ in Ekstase zu versetzen. Auch die deutlich leerere Uniwiese ist ein Indiz dafür, dass die jungen Kölnerinnen und Kölner sich nach mehr sehnen als Alkoholexzessen hinter Zäunen.