Kasalla steht im April wieder auf der Theaterbühne. Sänger Bastian Campmann und Schauspieler Simon Pearce über das neue Stück, die Folgen von Corona und den Streit über Lärmbelästigung.
Campmann und Pearce„In was für einer Gesellschaft, was für einer Stadt wollen wir leben?“

Bastian Campmann (r.) und Simon Pearce
Copyright: Alexander Schwaiger
Herr Campmann, Herr Pearce, im April stehen Sie in Ihrem neuen Theaterstück „Kein Angs vör Jespenster“ in der Stadthalle gemeinsam auf der Bühne. In der Ankündigung heißt es: „Das Publikum erwartet eine wilde Mischung aus Spannung, Humor, kniffligen Rätseln und atemberaubenden Spezialeffekten.“ Das klingt gewaltig.
Campmann: Einer dieser Punkte ist etwas gestrunzt: Die spektakulären Spezialeffekte basteln wir wahrscheinlich noch am Tag selbst. Das war ein bisschen als Witz gemeint. Es ist eine Melange aus Musik, also unserer Kernkompetenz, und Schauspiel, was wir mit Leidenschaft und Laienenergie machen. Deshalb haben wir immer auch professionelle Unterstützung dabei und freuen uns sehr, dass Simon alle wichtigen Hauptrollen in einer Person spielt.
Pearce: …und dabei alle Instrumente in Ruhe lässt. Das ist auch sehr wichtig. Die Jungs machen sich immer sehr schlecht in ihren Schauspiel-Skills. Aber ich singe schlechter, als alle von denen spielen können.
Wie muss man sich Ihre Rolle als Bayer in einem kölschen Stück denn vorstellen?
Pearce: Ich spiele mindestens drei Rollen, die sehr unterschiedlich sind. Dialektmäßig werde ich das wählen, was meiner Meinung dazu passt – und nicht Kölsch ist. Meine Münchner Freunde denken zwar, ich könnte supergut Kölsch reden. Aber wenn ich hier anfange, biegen sich die Zehennägel aller Menschen nach oben. Ich werde also den Teufel tun, kölsch zu sprechen.
Haben Sie das Stück zusammen entwickelt?
Campmann: Der Master ist in dem Fall unser Keyboarder Ena, der das Stück geschrieben hat. Er steckt immer sehr viel Herzblut da rein. Dieses hat er vor acht oder neun Jahren geschrieben, aber wegen Corona darf es erst jetzt endlich auf die Bretter, die die Welt bedeuten.
Meine Münchner Freunde denken zwar, ich könnte supergut Kölsch reden. Aber wenn ich hier anfange, biegen sich die Zehennägel aller Menschen nach oben
Können Sie ein bisschen über den Inhalt verraten?
Campmann: Es geht um Übernatürliches, um die Kölsche Legende Willy Millowitsch und seine Seele, seinen Geist. Es gilt, ein Problem zu lösen, das mit der Heimstadt dieses Geistes zu tun hat. Und da kommen dann die medioker talentierten Geister ins Spiel, die wir spielen. Natürlich gibt es auch einen Bösewicht, den es am Ende Heldenreisen-mäßig zu bezwingen gilt.
Sie haben es gesagt, wegen Corona konnten Sie das Stück lange nicht spielen. Der erste Lockdown ist jetzt ziemlich genau fünf Jahre her. Denkt Sie darüber noch nach?
Campmann: Es ist verrückt, wie weit weg einem das doch schon vorkommt. Wenn man zurückdenkt, fühlt es sich manchmal an wie in einem Science-Fiction-Film.
Pearce: Man merkt es aber auch heute noch an den Besucherzahlen. Selbst vor zwei Jahren, als alles wieder ging, war es ein verlorenes Jahr für BühnenkünstlerInnen, weil die Leute noch nicht zurück in die Theater kamen. Erst letztes Jahr hat es sich langsam normalisiert. Jetzt bin ich ungefähr bei 80 Prozent von dem, was ich vor der Pandemie an Zuschauern hatte. Das war wirklich eine sehr verlustreiche Zeit.
Campmann: Und es ist immer noch etwas davon übrig. Man hat den Eindruck, die Leute kaufen kurzfristiger. Wir sind auch wieder auf einem guten Niveau angekommen - 80, 90 Prozent von vor Corona. Aber der Zeitpunkt, an dem BesucherInnen die Karte kaufen, verschiebt sich trotzdem immer näher an das Datum der Veranstaltung heran. Das macht die Planung manchmal schwer.
Der Zeitpunkt, an dem BesucherInnen die Karte kaufen, verschiebt sich trotzdem immer näher an das Datum der Veranstaltung heran.
Was macht das mit Ihnen?
Pearce: Man kriegt schon ein bisschen Angst, weil die ganze Existenz dranhängt und man sich nicht darauf verlassen kann, dass das schon wieder wird. Ich bin ein relativ positiver Mensch. Gleichzeitig liegst du abends im Bett und denkst dir, krass, was, wenn nicht? Dann ist in ein, zwei Jahren die Karriere vorbei. Das hat schon in einem gearbeitet.
Ist es angesichts der politischen Lage in Ordnung, reine Unterhaltung zu machen? Oder muss man es vielleicht gerade jetzt, weil man einfach manchmal den Kopf freikriegen muss?
Pearce: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Leute immer mal wieder Freigang im Hirn haben. Sowohl Kasalla als auch ich positionieren uns ohnehin. Aber es muss auch Raum geben für Unterhaltung. Ich habe früher das Thema Rassismus häufig in meinem Programm gehabt. Im Aktuellen halte ich es weitestgehend raus, weil ich diesen Stempel nicht endgültig haben will. Man muss ein bisschen aufpassen, weil man in Deutschland sehr schnell Menschen in Schubladen steckt.
Campmann: Man muss schon mal den Kopf freikriegen für ein, zwei Stunden, sonst wird man ja verrückt. In welchem Tempo auch die absurdesten Nachrichten auf einen einprasseln, ist sonst nicht zu verarbeiten. Gleichzeitig machen wir ja auch immer wieder aktuelle Anspielungen. 2016 zum Beispiel hat ein Kollege als Donald Trump mitgespielt. Da war das noch witzig. Wenn ich mittlerweile jemanden Karneval als Donald Trump verkleidet sehe, sage ich, da kannst du auch als Mussolini gehen. Ich würde diese Leute gerne mal fragen, ob das eine bewusste Entscheidung war. Ich fand es verstörend, wenn man sieht, was er gerade anrichtet.
Sie sind früher mit Ihren Stücken in der Volksbühne am Rudolfplatz aufgetreten, jetzt in der Stadthalle, wegen der rechtlichen Auseinandersetzungen über Lärmbelästigung. Das ist ja an vielen Orten in Köln ein Thema. Wie blicken Sie auf die Debatte?
Campmann: Es ist ambivalent. Am Brüsseler Platz habe ich mal mit einem Anwohner gesprochen. Da geht es nicht nur darum, dass es laut ist, sondern auch um Drogenkonsum und darum, dass sich manche nicht sicher fühlen. Wenn ein öffentlicher Platz umfunktioniert wird, finde ich es schwierig. Obwohl ich kein Verständnis habe, wenn man an solche Orte zieht und sich dann beschwert.
Wenn ich mittlerweile jemanden Karneval als Donald Trump verkleidet sehe, sage ich, da kannst du auch als Mussolini gehen
Aber bei der Volksbühne oder beim Tanzbrunnen sehen Sie das anders?
Campmann: Wenn ein frustrierter Anwalt, der neben einer jahrzehntelangen Veranstaltungs- und Kulturstätte wohnt, nichts anderes zu tun hat, als permanent die Dezibel-Zahl zu messen und juristisch dagegen vorzugehen, finde ich es sehr bedenklich, wenn er damit durchkommt. Es macht mich manchmal wirklich ein bisschen sauer, weil ich denke: „Jung, zieh doch aus oder komm vorbei und trink vielleicht mal zwei Kölsch. Aber hör doch damit auf.“ In Bonn am Kunstrasen werden ja auch wegen ein oder zwei Anwohnern Lärmschutzmaßnahmen in Millionenhöhe nötig. In was für einer Gesellschaft, was für einer Stadt wollen wir leben? Ich hätte gerne noch Konzerte und Kultur. Da könnte ich mich in Rage reden.
Dann kommen wir doch zu etwas Schönerem. Kasalla eröffnet dieses Jahr ein Brauhaus. Wie kam es dazu?
Campmann: Tatsächlich geboren wurde die Idee während Corona, weil wir überlegt haben, wir können vielleicht keine Live-Musik mehr machen. Eigentlich ist es zwar dumm, sich während einer Pandemie über eine Gastronomie Gedanken zu machen, aber die Idee reifte heran. Nun haben wir die passende Location und die richtigen Partner und freuen uns und sind aufgeregt, im Dezember das „Marie und Johann“ zu eröffnen.
Und wird der Bayer Simon Pearce auch ins kölsche Brauhaus gehen?
Pearce: Als Bayer bin ich natürlich Experte, aber da vertraue ich den Jungs voll und ganz. Ich weiß, dass die einen guten Geschmack haben bei der Auswahl, wo wir hingehen, wenn wir uns in Köln treffen. Die wissen, was sich gehört.
Kasalla treten am 8., 9. und 10. April in der Stadthalle Köln mit ihrem neuen Stück „Kein Angs vör Jespenster“ auf, Schauspieler und Comedian Simon Pearce spielt die Hauptrollen in dem Stück. Die ersten beiden Termine sind ausverkauft. Für den 10. April gibt es noch Karten. Für diesen Abend verlosen wir zudem 3x2 Tickets. Wenn Sie gewinnen möchten, schicken Sie bitte eine Mail mit dem Betreff „Jespenster“ und Ihrem vollständigen Namen bis 1. April an:ksta-kultur@kstamedien.de
Simon Pearce ist am 2. November, 19 Uhr, zudem mit seinem Solo-Programm „Hybrid“ in der Schänke in der Stadthalle Köln zu Gast. Tickets gibt es über seine Homepage.