Sehnsuchtsorte in KölnWarum auch mürrische Männer ihr Glück in der Eisdiele finden
- In unserer Kolumne „Köln kulinarisch" geht Julia Floß dem Schicksal des Eisbechers auf die Spur.
- Von neumodischen Eissorten bis zum patentierten Eisknödel aus Wien.
- Unsere Gastro-Expertin war auch bei „Schmelzpunkt" in der Südstadt.
Die ersten Sonnenstrahlen torkeln durch die graue Wolkendecke und sofort werden die gestreiften Markise ausgefahren. Die gefrorene Auslage leuchtet in allen Farben des Regenbogens, es bilden sich lange Schlangen auf Bürgersteigen und Menschen stellen sich Fragen wie „Im Becher oder in der Waffel?“ oder „Erdbeere oder Amarena?“.
In Eisdielen verhalten sich Menschen anders
Ich liebe Eisdielen. Sie sind wunderbare Orte für soziale Beobachtungen. In Eisdielen verhalten sich Menschen anders als im Alltag. Der Anblick von älteren, latent mürrischen Herren, die erst die Worte „Zwei Bällchen im Hörnchen“ formulieren und anschließend unbeholfen ihr Malagaeis schlecken, wärmt meine Seele. Oder die strenge Dame im dunkelblauen Hosenanzug, die sich ein kleines, eiliges Spaghettieis gönnt. Ich könnte darauf wetten, dass sie für gewöhnlich Sätze äußert wie „Ich bin ja nicht so für süß.“
„Schmelzpunkt“ von TörtchenTörtchen
Ein Fausthieb für jeden Pâtissier. Nicht so in der Eisdiele. Hier gelten andere Regeln. Hier sind Menschen für süß. Die Eisdiele weckt etwas Verspieltes in uns. Vielleicht weil sie so bunt ist oder uns an Urlaub erinnert. An die schönen Dinge im Leben. Umso erfreulicher ist, dass in Köln immer mehr kleine Eismanufakturen eröffnen, die ihre Produkte wieder handwerklich herstellen. Der jüngste Neuzugang in der Kölner Sorbet-Szene kommt von TörtchenTörtchen-Begründer und Spitzenpâtissier Matthias Ludwigs. „Schmelzpunkt“ heißt die Marke und wartet mit einer Eisdiele in der Merowinger Straße in der Südstadt auf. Verkauft wird das Schmelzpunkt-Eis aber auch im TörtchenTörtchen in Nippes. Ludwigs steht für Produktqualität, erstklassiges Handwerk und außergewöhnliche Kompositionen wie Paprika-Himbeere, Tonkabohne oder Tamarinde-Macis.
Vom Verlust des klassischen Eisbechers
Da ist es doch beinahe bedauerlich, dass der einigermaßen antiquierte Eisbecher von den Karten zusehends verschwindet. Das Bällchen in der Waffel wird ja doch eher nebenbei verzehrt. Im Laufen, im Gespräch. Zwar immer mit Begeisterung, aber nie mit voller Konzentration.
Eisknödel aus Wien
Bei einem Besuch in Wien, landete ich in der alteingesessenen Eismanufaktur „Tichy“. Zuckerbäckermeister Kurt Tichy ließ sich hier 1967 den Eismarillenknödel patentieren. Ein schrulliger Ort der Extraklasse. Unzählige Damen in rosa-weiß gestreiften Kittelschürzen servieren im Akkord Eisknödel-Variationen und meinen Favoriten, das Soufflé-Omelette Surprise. Ausdrücklich für zwei Personen, 15 Minuten Wartezeit. Serviert wird eine mittelgroße Auflaufform in Firmenfarbe kirschrot. Darin ein getränkter Biskuitboden, eine riesige Portion Ribiseleis (zu deutsch: Johannisbeere), kunstvoll eingestrichen mit abgeflämmtem Baiser und drei Maraschino-Kirschen.
Ein Hoch auf den Eisbecher
Am Nebentisch löffelt ein älterer Herr einen Malagabecher voller Inbrunst. Möglicherweise lag es am Zuckerschock (oder am Weinbrand), aber in diesem Moment traf ich den Entschluss, zukünftig den Eisbecher wieder zu zelebrieren. Im Sitzen. Mit Sahne. Und Rumrosinen.
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