Kölns erster Unverpackt-Laden„Tante Olga“ in Sülz
Dinah Stark hat sich verabschiedet von einer Lebensweise, die reich war an vielen Dingen: an Wahlmöglichkeiten, an Produkten, Inspirationen und Wünschen. Für sie jedoch auch arm – an Sinnhaftigkeit, an Achtsamkeit, an Umweltbewusstsein. Die Kölnerin hat sich schon vor Jahren dazu entschlossen, Verpackungen zu vermeiden und so wenig Müll wie möglich zu produzieren. „Gerade die Reduzierung erlebe ich als Befreiung“, sagt sie. Achtlos in Plastik eingepackte Waren zu kaufen und wegzuschmeißen, ohne daran zu denken, wie die Zukunft aussehen wird, das wollte sie nicht mehr. Weil es aber gar nicht so einfach ist, an unverpackte Lebensmittel und plastikfreie Kosmetikprodukte zu kommen, eröffnete die 34-Jährige gemeinsam mit Olga und Gregor Witt vor einem Jahr Kölns ersten Unverpackt-Laden „Tante Olga“ in Sülz.
Dosen, Gläser und Säcke, gefüllt mit Nudeln, Getreide oder Gummibärchen stehen dort in den Regalen. Ein bisschen wie im Tante-Emma-Laden sieht es aus, während die leise Musik und der Duft nach ätherischen Ölen eher an ein Spa erinnern. Der Geruch führt zu Gläsern, in denen Seifenstücke lagern – Shampooseifen, Duschseifen, Handwaschseifen, Putzseifen. Das Angebot im Laden beschränkt sich auf trockene Grundnahrungsmittel und Kosmetikartikel in Bioqualität. Obst und Gemüse verkaufen die drei Kölner hier nicht. „Es gibt genug Läden in der Umgebung, die loses Gemüse und Obst verkaufen. Wir möchten nicht dazu beitragen, dass davon noch mehr weggeschmissen wird.“
Verpackungen und Plastiktüten gibt es nicht
Dinah Stark sitzt im Hinterzimmer des Ladens. Jeans, Pulli, die langen braunen Haare trägt sie offen, kein auffälliges Make-up. „Ich arbeite mehr als vorher. Aber ich kann mich voll identifizieren mit dem, was ich tue. Es fühlt sich jeden Tag so gut an“, sagt sie.
Verpackungen und Plastiktüten gibt es selbstverständlich nicht. Wer hier einkauft, macht sich im Idealfall schon vorher Gedanken, was er braucht und nimmt die entsprechenden Gefäße dafür mit: Jutesäckchen, Glasdosen oder alte Verpackungen zum Beispiel. Die Preise orientieren sich an denen im Biomarkt – bezahlt wird nach Gewicht. Die Gefäße werden vor dem Befüllen gewogen und das Leergewicht notiert. Später an der Kasse wird noch einmal gewogen und das zuvor notierte Gewicht abgezogen. Schon dieser Vorgang macht es unmöglich, mal eben schnell einzukaufen. Wer herkommt, der packt nicht hastig ein paar Waren in den Einkaufskorb und steht dann ungeduldig in der Kassenschlange, um so schnell wie möglich wieder zu verschwinden.
Bei Tante Olga ist alles anders als in einem normalen Supermarkt. Die Menschen sind auffällig entspannt, tauschen sich aus, geben sich Tipps. Denn wer ohne Verpackungen auskommen will, muss sich schon Gedanken machen. Anstelle von Zahnpasta in der Tube gibt es Zahnpastatabletten, die im Mund zerkaut werden. Zahnbürsten sind aus Bambusholz, Babywindeln aus Stoff und anstelle von Einwegrasierern gibt es Rasierhobel. Schwierig wird es zum Beispiel beim Make-up. Wer es ernst meint mit der Verpackungslosigkeit, mischt es sich selbst an, aus Zimt, Kakao und Stärke. „Wenn man von Anfang an alles umstellen will, kann einen das schon überfordern“, sagt Dinah Stark.
Ein Laden im Wohnzimmer
Bevor die drei Kölner den Laden gründeten, kauften sie ihre Produkte im Großhandel ein und bildeten eine Einkaufsgemeinschaft, um Verpackungen einzusparen. Schließlich verkauften sie über einen Onlineshop auch Produkte aus dem Non-Food-Bereich. Als sich in Köln ein Unverpackt-Laden ankündigte, freuten sie sich: Endlich keine Haferflocken mehr selbst schroten, weil die sich nur im ganzen Korn lange genug in den Säcken halten. Doch das Paar, das den Laden gründen wollte, trennte sich.
Die drei beschlossen schließlich kurzerhand, selbst einen Unverpackt-Laden zu eröffnen. „Erst dachten wir: Wir lagern unsere Einkaufsgemeinschaft einfach aus in einen Laden, weil da mehr Platz ist. Aber dann hatte jemand die Idee mit dem Crowdfunding.“ Dadurch kam genug Geld rein, um einen richtigen Laden auf die Beine zu stellen. Etwas von Wohnzimmer hat „Tante Olga“ trotzdem noch. „Manchmal kommt es mir eher vor wie eine Gemeinschaft, nicht wie ein Laden. Es ist eine Oase“, sagt Stark.
Wenn sie mal im Supermarkt für ihren Freund eine Flasche Bier kaufe, dann sei das wie ein Realitätsschock: „Ich denke dann: Stimmt, so war das. Und verstehe, warum die Leute dort an der Kasse genervt sind. Hier ist nie jemand genervt, obwohl es manchmal richtig lange dauert, bis an der Kasse alles gewogen wurde. Aber man unterhält sich, trinkt einen Kaffee zusammen.“ Auch finden regelmäßig Treffen und Workshops zu verschiedenen Themen statt. Neulich etwa haben Kunden anderen Kunden gezeigt, wie das mit den Stoffwindeln funktioniert.
Dass Unverpackt-Läden irgendwann Standard sein werden, daran glaubt Dinah Stark nicht. „Es wird immer Leute geben, die wollen , dass es schnell geht. Aber für die, die es anders möchten, ist es toll, dass es so etwas in Köln gibt.“ Das sind offenbar viele junge Leute. Ob das am Studententag liegt? 20 Prozent Rabatt erhalten Schüler, Studenten und Köln-Pass-Inhaber immer mittwochs. „Diesen typischen „Öko“ aus dem Reformhaus, den gibt es glaube ich gar nicht mehr“, winkt Dinah Stark ab.
„Es gibt stylische Mädels, die hier ihren Kaffeeklatsch machen und sich ihr Shampoostück holen, Leute mit Dreadlocks und ohne Schuhe genau wie ältere Menschen, die hier den Tante-Emma-Laden von früher finden – komplett durchgemischt.“ Und viele junge Familien, die sich Gedanken darüber machen, wie die Zukunft aussehen wird, in der ihre Kinder leben werden. „Wir wollen nicht, dass die Leute denken: Wir sind der komplette Ökoladen und jemand, der nicht perfekt Müll vermeidet darf hier nicht rein. Jeder kann den ersten Schritt machen und sich hier anschauen, was man machen kann.“
Dass Plastik und Konsum sie nicht glücklich machen, war Dinah Stark schon klar, bevor sie ihr Leben umstellte. Dass sie so wenig braucht, um zufrieden zu leben, sei trotzdem eine echte Erkenntnis gewesen.
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