„The Good Food“ in EhrenfeldKölner Laden kämpft gegen Verschwendungswahnsinn
Die junge Frau mit Dutt und Brille ist in Ehrenfeld Lokalprominenz. Nicole Klaski wird alle paar Schritte freudig begrüßt. „Wir sehen uns gleich.“ „Ich komm dann rum.“ „Braucht ihr noch jemanden?“ Wir sind lediglich ein paar Meter zum nächsten Café gelaufen. Drinnen geht’s weiter: „Hey, ich wusste gar nicht, dass du heute da bist. Ich hol’ dann gleich die Bananen ab.“ Noch bevor wir den Cappuccino bestellen, steht die Besitzerin vor uns: „Habt ihr gerade Kürbisse? Ich brauch dringend Kürbisse.“ 30 Minuten später stürmt sie, bis unter die Kinnlade mit dem Wunschgewächs bepackt, in die Küche. Nicole Klaski lächelt: „Wieder Gemüse gerettet.“ Sie ist einer von diesen beneidenswerten Menschen, die dieses innere Leuchten haben. Dieses zufriedene Glühen schafft kein Abdeckstift der Welt.
Seit Februar betreibt sie ihren Laden „The Good Food“ auf der Venloer Straße. Das Konzept: Krummes Gemüse, welches wahlweise durch die Sortiermaschine des Landwirts gefallen oder bei der Ernte auf dem Feld liegen geblieben ist, wird gegen Spenden „verkauft“. Der Kunde bezahlt, was ihm die Ware wert ist. Ähnliches gilt für abgelaufene Lebensmittel oder Brötchen vom Vortag. „Wir kooperieren mit Landwirten und machen die Nachernte oder erhalten, direkt vom Lebensmittelhersteller, Produkte mit überschrittenem Mindesthaltbarkeitsdatum. Das sind gute Lebensmittel. Warum sollte man die wegschmeißen?“
80 kg Lebensmittel landen in Müll
Nicole Klaski ist keine verhuschte Ökobraut, die nach getrockneten Pilzen riecht, gebatikte Flatterhosen trägt und ständig zu belehrenden Vorträgen über die Rettung des Planeten ausholt, sondern eine Frau mit einem Plan, einer gesunden Portion Idealismus, wahnsinnig viel Engagement und vor allem einem Netzwerk. Die Kölnerin studierte Jura, absolvierte ihren Master of Human Rights in Perth, Australien, und arbeitete für eine NGO in Nepal. Die dortigen Zustände, wie etwa Zeitpläne für Wasser- und Stromversorgung, schürten ihren Ärger über die hiesige Ressourcenverschwendung.
Durchschnittlich schmeißt jeder Bundesbürger im Jahr circa 80 Kilogramm Lebensmittel in den Müll. „Lebensmittel sind hier einfach wahnsinnig billig und selbstverständlich.“ Bei der Initiative „foodsharing“ lernt Nicole die Redakteurin Ines Rainer kennen. Gemeinsam entwickelten sie die Idee zu „The Good Food“. Sie belegten Seminare zu Unternehmensgründung, Finanzierung und Rechtsformen. Die Theorie surrte in den Köpfen, fehlte nur noch die Praxis.
„Ernten und so’n Stand aufmachen“
„Jetzt lass’ doch einfach mal zum Bauern fahren, Kartoffeln ernten und so’n Stand aufmachen.“ Nicole erzählt wild gestikulierend, wie es förmlich aus ihr herausbrach. Und genau das taten sie. In den von der Tante geborgten Kombi passten abzüglich der zu erwartenden Ernte, drei Personen. Diese robbten den halben Tag über den Acker und sammelten Fenchel, Rote Bete und Radieschen. Alles in Absprache mit dem jeweiligen Landwirt. Streng nach der alten Immobilienweisheit „Lage, Lage, Lage“ entschieden sie sich mit ihrem Marktstand für Ehrenfeld. Das Hostel „Weltempfänger“ stellte ihnen dienstags einen Raum zur Verfügung. Der Plan ging auf und schnell wuchs der Kreis der Stammkundschaft und freiwilligen Helfer. „Das war ein befriedigendes Gefühl. Am Ende des Tages war alles unter die Leute gebracht.“
Und so wuchs „The Good Food“ von Woche zu Woche. Von der Zwischenmiete während ’Christels Sommerpause’ über den Flur vor der Metzgerei Tosun bis zum eigenen Ladenlokal. Mit ihrem Konzept wirtschaftet Nicole weitgehend kostendeckend. Sie arbeitet parallel als Projekt-Assistenz für die Kampagne „Klimaschutz Community Köln“ und für „foodsharing“. „Mir helfen 37 Ehrenamtler. Und da sind nicht mal die Leute dabei, die dienstags beim Entladen des Transporters anpacken. Oder das ganze Netzwerk, wie Christel, Atilla, meine Vermieter, die Omis, die immer ihre Marmeladengläser vorbeibringen. Ohne diese Menschen wäre das Projekt überhaupt nicht möglich gewesen.“
In Ehrenfeld gut aufgehoben
Ihr Konzept ist in Ehrenfeld natürlich bestens aufgehoben. Nachhaltigkeit ist hip, das Viertel randvoll mit sogenannten mündigen Verbrauchern, aufgeklärten Mittelschichtlern, denen entsprechende Ressourcen zur Verfügung stehen. Ihre Kundschaft ist dennoch so unterschiedlich wie ihr Sortiment: von Craftbeer bis Kokosöl, von Brause -Ufos bis Chiasamen. „Ich habe Kunden, bei denen am Ende des Monats nichts mehr übrig ist, klassische Biomarkt-Käufer und Leute, die das Konzept unterstützen wollen. Der Augenblick an der Kasse ist bei allen allerdings der Gleiche. Dieser Ich-weiß-gar-nicht-was-ich- zahlen-soll-Moment, wenn der Kunde überlegt, welcher Aufwand in einem Apfel steckt.“
Nicole betrachtet die Gegenwart optimistisch. Jeder Facebook-Post ist im Laden zu spüren: „Das ist ein sehr schöner Effekt. Da bewegt sich etwas. Wir sind Teil einer Bewegung.“ Für die Zukunft wünscht sie sich, dass der Erfolg andauert. Und einen eigenen Transporter. Mit Elektroantrieb.
The Good FoodVenloer Str. 41450825 Kölnwww.the-good-food.de
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