Die Darstellung der Mutter ist in der Kunst nicht unbekannt. Der Kunstpalast in Düsseldorf findet einen verblüffenden Zugang zu dem Thema - und wagt drastische Grenzüberschreitungen.
Aufwühlend, provokantAusstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ startet in Düsseldorf

Die Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ startet im Düsseldorfer Kunstpalast und zeigt Werke mit Bezug zur Mutterschaft vom 14. Jahrhundert bis heute.
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Am Eingang der Ausstellung flötet Heintje seinen Schlager „Mama“, Madonnen blicken mal leidend, mal verzückt auf das Jesus-Kind, und Paula Modersohn-Becker malt ein Baby mit der „Mörderflasche“. So wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts die gläsernen Säuglingsflaschen bezeichnet, die wegen ihrer hygienischen Mängel zum Tod vieler Babys führten. Auch eine Original-Saugflasche aus jener Zeit ist in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ zu sehen, die vom 12. März bis zum 3. August im Kunstpalast Düsseldorf präsentiert wird.
Ausstellung zum Thema „Mutter“ in Düsseldorf

Historische Babyflaschen, darunter sogenannte „Mörderfläschchen“ sind in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen. D
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Mehr als 120 Kunstwerke und Objekte mit Bezug zum Muttersein, Mutterwerden oder Nicht-Muttersein vom 14. Jahrhundert bis heute haben die drei Kuratorinnen Linda Conze, Westrey Page und Anna Christina Schütz zusammengetragen. Die Präsentation geht weit über die Kunst hinaus und zeigt neben Gemälden von Otto Dix, Max Ernst, Hannah Höch oder Egon Schiele auch Alltagsobjekte wie Behältnisse für die Antibabypille aus den 60er Jahren, einen Tripp-Trapp-Kinderstuhl, heutige Mutterpässe und eine schwangere Barbie-Puppe. Auch eine Mitmachaktion ist Teil der Ausstellung. Dabei können Interessierte ihre Gedanken und Erfahrungen rund um das Thema Mutterschaft per Sprachnachricht schicken. Diese Stimmen sind Teil einer großen Rauminstallation. Auch während der Ausstellung ist ein Beitrag möglich.
Schon am Beispiel des Heintje-Schlagers von 1967 am Anfang der Ausstellung wird deutlich, wie wandlungsfähig Mutterbilder sind. „Mama“ war nämlich eigentlich ein Lied aus dem faschistischen Italien von 1938. Seitdem wurde der Gassenhauer „Mama“ in verschiedenen Sprachen und Texten neu interpretiert - bis hin zu Luciano Pavarotti und Ricky Martin.
„Mutti“ Merkel ist auch dabei

Museum Kunstpalast in Düsseldorf.
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Die Ausstellung stellt in acht Kapiteln aufwühlend, provokant und grenzüberschreitend bis in die Popkultur Malerei, Skulptur, Fotografie, Videos und Alltagsobjekte aus verschiedenen Jahrhunderten gegenüber. „Es war uns wichtig zu vermitteln, dass diese Ausstellung und Mutterschaft alle angeht“, sagt Kuratorin Page. „Denn jeder hat eine Mutter.“ Die Schau mache auch deutlich, wie die Ideale etwa der guten oder aufopfernden Mutter von der Kunst in den Alltag und die Lebenswelt eingedrungen seien.
Von der „guten Mutter“ über Care-Arbeit, Schwangerschaft bis hin zur kinderlosen Ex-Kanzlerin Angela Merkel wird der Begriff der Mutter beleuchtet. Merkel, die einst mächtigste Frau in Europa, ist zwar keine Mutter, aber sie hat den Spitznamen „Mutti“ bekommen.
Merkel ist sozusagen eine „Mutter der Nation“ wie auch Queen Elizabeth II. Auf einem Foto aus dem Jahr 1954 lächelnd die frisch gekrönte Queen völlig unbeirrt von ihren beiden Kindern Prinz Charles und Prinzessin Anne, die lachend Grimassen schneiden, in die Kamera. Für Kuratorin Conze soll dieses „Framing“ durch den Palast deutlich machen, dass sich die Queen als stolze Herrscherin von ihren Kindern einerseits nicht irritieren lassen durfte, aber gleichzeitig doch als strahlende Mutter sichtbar geliebt werden sollte.
Klischees der guten Mutterschaft
Mit Klischees der guten Mutterschaft wird in vielen Arbeiten von Künstlerinnen drastisch gebrochen. In einer Skulptur von Camille Henrot löst sich die Frau in eine Milchpumpe auf. Auf einem wandfüllenden verstörenden Triptychon stellt die Künstlerin Maina-Miriam Munsky in kalten Farben und klinischer Kühle die Geburt im Kreißsaal dar - das blau angelaufene Neugeborene eher tot als lebendig.
Auch mit der seit der Antike bestehenden Assoziation von der „Mutter Natur“ räumen zeitgenössische Künstlerinnen wie Katharina Bosse auf. Die finnische Fotografin lässt die in schwarze Dessous gekleidete schwangere Mutter mit Kleinkind auf einem abgeernteten und stacheligem Stoppelfeld hocken. Das ist das Gegenteil des Idylls auf dem Gemälde von Eduard Hübner von 1867. Dort sitzt eine Frau im Wald betend wie Maria mit ihrem Kind auf dem Schoß neben einer Hirschkuh, deren Milch das Kind nährt.
Abtreibungen und andere Tabus
Ein Kind, viele Kinder, kein Kind? Auch diese Fragen werden gestellt. Ein originales Nazi-Mutterkreuz für Kinderreichtum hängt neben einem NS-Ratgeber über Schwangerschaftsabbrüche. Unweit davon singt Nina Hagen 1978 in ihrem Song „Unbeschreiblich weiblich“: „Ich wollt's nicht haben, musste gar nicht erst nach fragen (...) Ich hab' keine Lust, meine Pflicht zu erfüllen“ - ein Statement für die Selbstbestimmtheit der Frau.
In einem anderen Raum steht eine Bronzestatue von Käthe Kollwitz, die den Tod ihres Sohnes im Ersten Weltkrieg verarbeitet. Und in einem berührenden Mutter-Kind-Gemälde in leuchtenden Rot-Tönen verarbeitet die Künstlerin Hannah Höch 1922 die Entscheidung, die Schwangerschaft abzubrechen.

Ein Gebärstuhl (unbekannt) ist in der Ausstellung „Mama. Von Maria bis Merkel“ im Museum Kunstpalast zu sehen.
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In die Serie idyllischer Gemälde mit Szenen inniger Mutter-Kind-Beziehungen reiht sich scheinbar unschuldig ein Bild von Gabriel von Max von 1877 ein. Eine Mutter liebkost im Wald ihr Baby und umarmt es zärtlich. Dass irgendetwas an der Szene nicht stimmt, wird spätestens beim Titel klar: „Die Kindesmörderin“.
Laufzeit: Vom 12. März bis 3. August 2025 | Adresse Kunstpalast Düsseldorf: Ehrenhof 4-5, 40479 Düsseldorf | Öffnungszeiten: Di – So: 11:00 – 18:00, langer Donnerstag: bis 21:00, Montag geschlossen | Preise: 16 Euro, ermäßigt 13 Euro, Kinder unter 18 Jahren frei | www.kunstpalast.de/de (lkl mit dpa)