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Raus ins Rheinland (9)Wo die Heilige Adelheid Backpfeifen verteilt...

Lesezeit 7 Minuten
Burg Lede in Bonn-Beuel Vilich Peter Seidel

Die Wasserburg Lede aus dem 14. Jahrhundert ist heute Wohnhaus und Dependance der Kölner Galerie Parrotta Contemporary Art.

Bonn-Beuel – Mild taucht die Oktobersonne den uralten Torbogen in warmes Licht. Links liegt still das alte Schulhaus. Am Springbrunnen rechts sitzen zwei Frauen und sind ins Gespräch vertieft. Durch den Bogen hindurch: Auf der anderen Straßenseite reiht sich Fachwerkhaus an Fachwerkhaus, über 350 Jahre alt. Ein Straßenschild erinnert an Ernst von Schiller, einen Sohn des Dichterfürsten Friedrich Schiller, der hier gewohnt hat.

Herbstausflug nach Vilich

Alt-Vilich steckt voller Geschichte und Geschichten. Der Ortskern an der Pfarrkirche St. Peter, der früheren Kirche des Stiftes Vilich, ist genauso fast vollständig mit historischen Gebäuden erhalten wie auch große Teile der Immunitätsmauer des im Jahr 978 gegründeten Frauenklosters, zu der auch der romanische Torbogen gehört.

Wasserburg Lede in Bonn-Beuel Vilich Seidel

Die Wasserburg Lede in Bonn-Beuel Vilich

Dessen erste Äbtissin, die Heilige Adelheid, war nicht nur eine Zeit lang gleichzeitig Äbtissin an St. Maria im Kapitol in Köln. Schon bald nach ihrem Tod vermutlich im Jahr 1015 setzte auch eine Wallfahrt ans Grab der als wundertätig verehrten Frau ein.

Die Heilige Adelheid

Adelheid soll – so will es die fromme Legende – während einer großen Trockenheit mit intensiven Gebeten und vor allem mit ihrem Äbtissinnenstab, den sie in den Boden rammte, eine Frischwasserquelle am Rand des nahen Höhenzuges Ennert aufgetan haben. Deren alaunhaltiges Wasser linderte mit seiner desinfizierenden Wirkung Augenleiden.

Etwas weniger fromm ist eine andere hübsche Anekdote über die Heilige. So soll Adelheid, die sehr viel Wert auf die Bildung der Stiftsfräulein legte, den jungen in ihre Obhut gegebenen Damen beim Singen mit rustikalen Methoden auf die Sprünge geholfen haben. Gefiel ihr deren Gesang mal nicht oder sang gar eine falsch, so half Adelheid mit kräftigen Backpfeifen nach.

„Wenn eine ihrer Schwestern beim Chorgesang mit dem Klang ihrer Stimme nicht zur Harmonie des Chorgesanges passte und daher von der gütigen Mutter auf die Wangen geschlagen wurde, dann erhielt diese für ihr ganzes Leben das Geschenk einer angenehmen und klaren Stimme“, heißt es in der „Vita Adelheidis“, die die Vilicher Stiftsfrau Bertha einige Jahrzehnte nach Adelheids Tod verfasste.

Die Wallfahrt zur Heiligen Adelheid und zu der Quelle – Adelheidis Pützchen – entwickelte sich spätestens im 14. Jahrhundert zu einem Jahrmarkt, eben Pützchens Markt, der seit 1367 urkundlich belegt ist.

Bürgermeisterhaus Vilich Haus Stroof

Doch zurück nach Vilich: Dort steht mit dem alten Kanonikerhaus aus dem 13. Jahrhundert, das heute als Gemeindehaus genutzt wird, das älteste profane Gebäude im rechtsrheinischen Bonn. In Vilich ist aber auch ein ehemaliges Bürgermeisterhaus, das Haus Stroof, zu besichtigen. Benannt ist es nach Leonhard Stroof, der 1808 erster Bürgermeister von Vilich wurde, nach dem die Franzosen 1804 das Stift aufgehoben hatten.

Haus Stroof Bürgermeisterhaus Vilich Seidel

Das Bürgermeisterhaus in Vilich: Haus Stroof

Freitags und sonntags lädt der Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-rechtsrheinisch kostenlos zur Besichtigung des Bürgermeisterhauses ein. Das sanierte Gebäude versetzt den Besucher mit seinen vielen Möbeln aus der Biedermeier-Zeit in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Das Haus Stroof liegt am Abhang in die Siegniederung. Wer noch ein paar Schritte weiter hinuntergeht, sieht rechter Hand die Burg Lede liegen, eine Wasserburg aus dem 14. Jahrhundert. Die Burg beherbergt seit dem vergangenen Jahr eine Dependance der Kölner Galerie Parrotta Contemporary Art, die freitags und samstags von 14 bis 17 Uhr geöffnet hat.

Kirche St. Peter

Pfarrkirche St Peter in Bonn-Beuel Vilich Peter Seidel

Der Chor der Kirche St. Peter, links daneben ehemalige Stiftsgebäude aus dem 18. Jahrhundert. Auf dem Rasen steht eine Statue der Heiligen Adelheid.

Für den Weg zurück wählt der Besucher am besten die rechts hinaufführende Straße. Auf der Anhöhe angekommen, führt links ein Weg zum Eingang in die Kirche St. Peter. Deren Grundmauern haben zwar in Teilen tatsächlich über 1000 Jahre überdauert. Das aktuelle Aussehen erhielt die Kirche allerdings um die Mitte des 17. Jahrhunderts, als die Kirche nach Kriegszerstörungen wieder aufgebaut wurde.

Romanische Doppelkirche von Schwarzrheindorf

Einen Kilometer von Sankt Peter entfernt – ein Fußweg von knapp einer Viertelstunde, einfach die Stiftstraße geradeaus in Richtung Rhein – liegt die architektonisch viel beeindruckendere romanische Doppelkirche von Schwarzrheindorf. Der Kirchenbau auf einer Anhöhe gilt als eine der bedeutendsten romanischen Kirchen Deutschlands.

Doppelkirche von Schwarzrheindorf Bonn Beuel Seidel

Die romanische Doppelkirche in Schwarzrheindorf, St. Maria und St. Klemens.

Der Besucher wird in der um 1150 erbauten Kirche von der unglaublichen Farbigkeit des romanischen Bilderzyklus gefangen genommen, der sämtliche Wände des ursprünglichen Zentralbaus schmückt. Und wer sich ins Zentrum der Unterkirche stellt und nach oben schaut, erblickt durch ein achteckiges Loch an der Decke der Oberkirche den Sternenhimmel.

Genauso wie die Kirche des Stiftes Vilich und dessen erste Äbtissin Adelheid hat auch die Schwarzrheindorfer Kirche einen starken Bezug zu Köln. Denn die Bemalung der Kirche ist theologisch inspiriert vom Mystiker Rupert von Deutz und dessen Exegese des Buches des Propheten Ezechiel.

Doppelkirche Innen Schwarzrheindorf Seidel

Innenansicht der Doppelkirche Schwarzrheindorf

Die Oberkirche war zunächst der Familie des Erbauers Arnold von Wied, unter den Staufern Konrad III. und Friedrich I. Kanzler, vorbehalten, später den Ordensfrauen des Benediktinerinnen-Klosters, das Arnold stiftete. Der überdachte Zugang zur Oberkirche ist an der Südseite des Baus noch zu sehen. Von der Burg, die einst direkt neben der Kirche stand, ist nichts mehr erhalten.

Direkt gegenüber dem ummauerten Kirchhof an der Stiftstraße gelegen lädt das Restaurant Assenmacher zum Verweilen ein. Von der Kirche aus führt die Straße die Anhöhe hinunter in Richtung Rheindeich. Eine Viertelstunde Fußweg auf dem Deich in Richtung Norden entfernt liegt direkt hinter dem Deich der alte jüdische Friedhof von Bonn.

Jüdischer Friedhof

Jüdischer Friedhof in Bonn-Beuel Peter Seidel

Blick auf den jüdischen Friedhof

Da Juden nicht innerhalb der Stadtmauern begraben werden durften, erhielten sie vermutlich an der Wende vom 16./17. Jahrhundert diesen Platz für ihre Toten zugewiesen. Er war von Bonns aus verkehrsgünstig relativ leicht erreichbar, weil es auf Höhe von Schwarzrheindorf damals noch eine Fährverbindung auf die rechte Rheinseite gab.

Schild Jüdischer Friedhof Peter Seidel

Jüdischer Friedhof in Bonn Vilich

Der älteste Grabstein auf dem Friedhof datiert auf das Jahr 1623. Mehrere Vorsteher der jüdischen Gemeinde liegen hier begraben, aber ebenso ein ehemaliger Leibarzt des in Bonn residierenden Kurfürsten von Köln und die Bonner Kauffrau und Kaffeerösterin Rachel Zuntz. Zuntz gründete 1837 mit ihrem Sohn Leopold eine Kaffeerösterei, die sich in den kommenden Jahrzehnten zur größten Kaffeerösterei Deutschlands entwickelte und auch das Kaiserhaus belieferte.

Ortskern von Bonn-Beuel Vilich Peter Seidel

Das Hospitälchen genannte Fachwerkhaus aus dem 17. Jahrhundert gegenüber der Vilicher Kirche war früher die Krankenstation des Stiftes Vilich.

Für den Weg zurück nach Vilich bietet es sich an, am nördlichen Ende von Schwarzrheindorf nach links vom Rheindeich abzubiegen und durch die Felder am Vilicher Bach entlang nach Vilich zurückzugehen. Wenige Meter entfernt von der Burg Lede kreuzt der Fußweg die Geislarstraße. Dort biegt man rechts ab, geht am Bürgermeisterhaus Stroof vorbei die Anhöhe in den alten Ortskern hinein – und steht erneut unter uralten Torbögen.

Anreise, Infos und Service zum Ausflug

Burg Lede in Bonn-Beuel Vilich Peter Seidel

Die Wasserburg Lede aus dem 14. Jahrhundert ist heute Wohnhaus und Dependance der Kölner Galerie Parrotta Contemporary Art.

Anreise

Wer mit dem Auto aus Richtung Köln nach Bonn-Beuel Vilich fahren will, nimmt am besten die A59 in Richtung Königswinter. An der Ausfahrt Bonn-Beuel Ost verlässt man die Autobahn und biegt nach links auf B56 ein. Nach wenigen Hundert Metern geht es auf Höhe der Haltestelle Vilich der Stadtbahnlinie 66 nach rechts über die Ewigstraße und die Adelheidisstraße in den alten Ortskern von Vilich hinein.

Wer aus Richtung Westen mit dem Auto anreist, quert auf der A565 den Rhein, biegt am Autobahndreieck Beuel in Richtung Königswinter ab und nimmt dann die erste Ausfahrt, Bonn-Beuel Ost.Auf Google Maps anzeigen

Per Bahn von Köln aus fährt man mit dem Regionalexpress 8 oder der Regionalbahn 27, die halbstündig fahren, bis zum Bahnhof Beuel. Die Fahrtzeit bis dahin dauert etwa eine halbe Stunde. Vor dem Bahnhof steigt man in die Straßenbahnlinie 62 und fährt bis zum Konrad-Adenauer-Platz in Beuel (drei Haltestellen). Dort steigt man in die Straßenbahnlinie 66 in Richtung Siegburg um und fährt bis zur Haltestelle Vilich (zwei Haltestellen). Von dort sind es zu Fuß noch zwei Minuten bis zum historischen Ortskern. (ps)

Sehenswürdigkeiten

Haus Stroof, freitags und sonntags lädt der Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-rechtsrheinisch kostenlos zur Besichtigung des Bürgermeisterhauses ein.

Kirche St. Peter, Adelheidisstraße, Bonn

Doppelkirchen SchwarzrheindorfDixstraße 41, 53225 Bonn, auf Google Maps anzeigen

Wasserburg Lede, An der Burg Lede 1, 53225 Bonn, Google Maps

Jüdischer Friedhof, 53225 Bonn auf Google Maps anzeigen

Einkehren

Im Restaurant Assenmacher, direkt gegenüber dem ummauerten Kirchhof an der Stiftstraße kann man gut einkehren. Es gibt regionale und saisonale, gutbürgerliche Küche. Öffnungszeiten: Dienstag bis Samstag ab 17 Uhr bis ca. 22 Uhr, Essensannahme bis 21 Uhr, Sonntag und Feiertag ab 12 Uhr bis ca. 20 Uhr.Restaurant Assenmacher, Stiftstraße 2, 53225 Bonn

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