So haben sich die Preise für Speisen und Getränke seit Anhebung der Mehrwertsteuer in Köln entwickelt. Und das sagen Gastronomen dazu.
Nach Mehrwertsteuer-ErhöhungWie stark sind die Preise in Kölner Restaurants gestiegen?
Das verwinkelte „Meister Gerhard“ unweit des Rathenauplatzes zählt zu den beliebtesten Restaurants der Stadt, die Zielgruppe eher jung und hip. Wer hier mit Freunden Wein und Tapas genießen möchte, sollte auf jeden Fall reservieren. Betreiber Manuel „Momo“ Bouhaddouz ist seit über 30 Jahren selbstständiger Gastronom, aus Leidenschaft, sagt er. Und fügt dann hinzu: „Ich war bis zuletzt so naiv, zu hoffen, dass die Bundesregierung die Mehrwertsteuersenkung auf sieben Prozent doch nicht zurücknimmt – denn genau das hatte Olaf Scholz uns ja vor der Bundestagswahl versprochen“.
Aber so kam es nicht: Seit dem 1. Januar hat der Staat die Mehrwertsteuerabsenkung für Speisen in Restaurants zurückgenommen, die im Jahr 2020 als Corona-Hilfe eingeführt worden war. Seitdem werden wieder 19 Prozent fällig.
Viele Gastronomiebetriebe geben diese Kosten über gestiegene Preise an ihre Kundinnen und Kunden weiter. Zusätzliche Faktoren wie höhere Personalkosten sowie steigende Energie- und Lebensmittelpreise treiben die Kosten für Speisen und Getränke ebenfalls in die Höhe.
Im „Meister Gerhard“ hat man sich dennoch für einen moderaten Weg entschieden: Die Preiserhöhungen fallen gering aus, mal seien es 20, mal 90 Cent, und das nur für die wechselnden Tapas-Gerichte auf der Tageskarte, sagt Bouhaddouz. Auch einige Getränke seien teurer geworden, allerdings nur um circa 50 Cent, vor allem Softdrinks. „Es geht nie um mehr als einen Euro“, so Bouhaddouz weiter. Warum? „Weil wir unsere Kunden, vor allem unsere Stammkunden nicht abschrecken wollen.“ Würden zu den steuerlichen Mehrausgaben noch Umsatzeinbußen hinzukommen, wäre das sogar für ein umsatzstarkes Restaurant wie das „Meister Gerhard“ ein Problem. „Das ‚Meister Gerhard‘ lebt von seiner Stammkundschaft und deren Weiterempfehlungen und es gehörte immer schon zum Kern unseres Konzeptes, Gerichte zu kreieren, die sich auch Normalverdiener leisten können“, sagt Bouhaddouz.
Viele Restaurantbesitzer wissen noch nicht, wie sie reagieren sollen
Bouhaddouz will nun erst mal abwarten, wie sich die Situation entwickelt. Derzeit rechnet er mit steuerlichen Mehrkosten von mindestens 5000 Euro im Monat, das wären also 60.000 Euro im Jahr. Um das zu kompensieren, verhandelt er mit Lieferanten über Preisnachlässe.
Manche Restaurantbetreiber wüssten noch gar nicht, wie sie mit der neuen Situation umgehen sollen, sagt Christian Haese, Mitgründer des Gastronomie-Datenanbieters „Meteon“. „In Gesprächen mit Gastronomen kam immer wieder auf, dass diese noch beobachten, wie sich ihre Wettbewerber verhalten. Viele möchten erst in den nächsten Wochen entscheiden, wie sie ihre Preise anpassen.“ Manche planten, schrittweise vorzugehen.
In Köln fällt die Preissteigerung höher aus als im bundesweiten Schnitt
Um herauszufinden, wie die Preiserhöhung bislang ausfällt, hat „Meteon“ eine Künstliche Intelligenz (KI) darauf trainiert, Webseiten von Gastronomiebetrieben nach Speisekarten zu durchsuchen und die Preise von 89 festgelegten Speisen und Getränke – darunter Schnitzel, Zwiebelrostbraten und Cappuccino – zu scannen. Mit diesen Daten wurden die durchschnittlichen Preise in bundesweit rund 23.000 Gastrobetrieben im Dezember 2023 sowie im Januar 2024 berechnet und miteinander verglichen.
Das Ergebnis: Gastronomiebetriebe, die ihre Preise im Januar bereits angepasst haben, haben die Preise für Speisen im Schnitt um 9,7 Prozent angehoben, die Getränkepreise um 5,4 Prozent. „Betriebe erhöhen also häufig auch die Getränkepreise, für die sich der Mehrwertsteuersatz nicht verändert hat, um die Preise für Speisen nicht zu stark anheben zu müssen“, bilanziert „Meteon“.
Betrachtet man nur die Preisveränderungen bei Gastronomiebetrieben aus Köln, fällt die Steigerung bei Speisen mit 12,1 Prozent höher aus als im bundesweiten Schnitt. Dafür sind Getränkepreise lediglich um 4,9 Prozent angestiegen. Zum Zeitpunkt der Untersuchung hatten allerdings nur 30 Gastrobetriebe in Köln online Preiserhöhungen publiziert, wodurch die Menge einfließender Daten beschränkt ist.
Auch im Traditionslokal „Bei d’r Tant“ Nähe Neumarkt hat man sich für die zwölf Prozent entschieden, manchmal etwas auf- und manchmal etwas abgerundet, berichtet Inhaber Frank Hennes. Die Rösti mit Lachs hätte früher 17,90 Euro gekostet und läge jetzt bei 19,50. Die Kesselsuppe stand früher mit 6,90 Euro auf der Karte, jetzt mit 7,90. Getränke-Preise sind gleichgeblieben.
Hennes fügt hinzu: „Von dem Geld bleibt ja nichts bei mir, das ist quasi ein durchlaufender Posten. Ich gebe alles an den Staat weiter. Und das habe ich unseren Gästen auch genau so mitgeteilt.“ Welche Auswirkungen die Veränderung haben wird, ist für ihn derzeit noch nicht abzusehen. „Das werden wir erst im März wissen, wenn wir die Umsatzsteuer abführen müssen. Dann sehen wir, ob wir mit der Kalkulation hinkommen.“
Restaurantbesuche werden Luxus, den sich Wenige leisten können
Auf der anderen Rheinseite, unweit des Bahnhofs Köln Trimbornstraße, steht das beliebte „Café Casablanca“, das Inhaber Kader Zaghi seit 2007 betreibt. „Wir liegen mitten in einem Arbeiterviertel, die Menschen leiden hier ohnehin schon sehr unter den angestiegenen Lebenshaltungskosten“, sagt er. Trotzdem blieb Zaghi nichts anderes übrig, als schon seit einigen Jahren die Preise auf seiner Karte schrittweise zu erhöhen, denn auch seine Kosten sind ja angestiegen.
„Vor der Krise hat unsere Spaltbohnensuppe noch 5,50 Euro gekostet, dann irgendwann sechs Euro und jetzt liegen wir nach der Anhebung der Mehrwertsteuer bei 7 Euro.“ Das Omelett Casablanca habe früher 6,50 Euro gekostet, jetzt 8,50 Euro. Auch Softdrinks wie Cola und Limo kosten im Casablanca inzwischen circa 50 Cent mehr. „Natürlich merke ich auch, dass die Kundschaft weniger wird“, sagt Betreiber Zaghi. „Restaurant- und Café-Besuche werden mehr und mehr zu einem Luxus, den sich nur Wenige leisten können.“
Mitte 2020 hatte die Bundesregierung beschlossen, den Steuersatz auf Speisen in der Gastronomie von 19 auf sieben Prozent zu senken. Mit dieser Corona-Hilfe sollten einerseits Gastronomen entlastet werden. Andererseits sollte die Steuersenkung auch einer Wettbewerbsverzerrung entgegenwirken, da viele Restaurants während der Pandemie nur Speisen zum Mitnehmen anbieten konnten. Auf Take-Away-Essen galt schon immer ein ermäßigter Steuersatz von sieben Prozent.
An der Currywurstbude bleibt die Mehrwertsteuer bei sieben Prozent
Seit dem 1. Januar 2024 gilt nun wieder die Regelung wie vor der Corona-Pandemie: Wer sich Restaurant von Servicepersonal bedienen lässt, nimmt eine Dienstleistung in Anspruch und zahlt 19 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen. Wer an einer Bude im Stehen eine Currywurst isst, nimmt per Gesetz nur eine Warenlieferung entgegen. Darauf werden sieben Prozent Mehrwertsteuer erhoben.
Die „Caruso Pastabar“ ist quasi das Gegenteil einer Currywurstbude, das italienische Restaurant im Agnesviertel hat sich in den vergangenen zehn Jahren vom Geheimtipp zu einer der begehrtesten Kulinarik-Adressen der Stadt entwickelt. Inhaber Marcello Caruso sagt: „Unsere Preise haben wir nur minimal erhöht, wir reden über zwei Euro.“ Es sei doch unfair, finden der Wahlkölner aus Neapel und sein Geschäftspartner Emanuele Barbaro, dass die Preiserhöhung durch die Mehrwertsteuer nur zulasten der Gäste falle, schließlich werde alles teurer. Die Löhne der Menschen blieben aber in der Regel unverändert. „Wir haben uns deswegen dazu entschieden, die Erhöhung zwischen uns und den Gästen aufzuteilen.“
Nun kostet das vegetarische Menü in der Caruso Pastabar 44 statt 42 Euro. Und das nicht nicht-vegetarische Menü 50 statt 48 Euro. Auch die Wein- und Cocktailpreise hat das beliebte Restaurant im Agnesviertel um 50 Cent bis einen Euro erhöht.
Gleichzeitig merkt Caruso, dass seine Gäste zumindest ein Stück weit bereit sind, etwas mehr zu bezahlen. „Es wurde ja sehr viel über die Anhebung der Mehrwertsteuer und die Konsequenzen daraus berichtet.“ Und dann fügt er noch hinzu: „Was wir vorher hatten, die sieben Prozent, war fast ein Geschenk vom Staat, jetzt sind wir wieder zurück in der Normalität.“
Die Änderung kommt ausgerechnet in Zeiten von Fachkräftemangel
Nicht alle in Köln sehen die Veränderung so gelassen. Kader Zaghi vom Café Casablanca versteht nicht, warum Deutschland es nicht bei dem abgesenkten Mehrwertsteuersatz belassen hat, in anderen europäischen Ländern sei das ja auch möglich. „Wenn das so weiter geht, werden viele Restaurants schließen“, prophezeit er.
Frank Hennes von d‘r Tant hält es mit dem Kölschen Grundgesetz: „Et es wie et es“, sagt er. „Wir sind ja auch in den schweren Zeiten der Pandemie gut gefördert worden.“ Und das SPD-Versprechen, bei den sieben Prozent zu bleiben? Hennes lacht. „Ich mache seit 40 Jahren die Tant. Wissen Sie, was mir schon alles versprochen worden ist?“