Die Kneipe beherrscht die kleinen, bewusste Handgriffe, die aus einem ganz okayen Gericht ein sehr gutes machen, findet unsere Kolumnistin Julia Floß.
Julias LieblingsortDie „Weinkneipe zur alten Wettannahme“ ist und bleibt ein Südstadt-Liebling
Man könnte ja meinen, dass irgendwann alle Läden auf der Alteburger Straße ausreichend besprochen wurden und man vielleicht auch gar nicht so oft hierher zurückkehren muss, aber was soll ich sagen? Auf der Südstadt-Promenade wird eben richtig gut gekocht. Von der „Speisekammer“ über das „Dialog“ bis hin zu „Geschnitten Brot“, das sind alles absolut empfehlenswerte Adressen, die ich immer wieder gerne besuche. Das „Massimo“ und die „Brasserie Capricorn (i) Aries“ dürfen natürlich auch nicht ungenannt bleiben – sonst gibt’s Ärger mit der jeweiligen Fangemeinde.
Bei all der Schwärmerei über die Gastronomie auf der Alteburger darf ein Name nicht fehlen: Die „Weinkneipe zur alten Wettannahme“. Als ich vor ewigen Zeiten nach Köln zog, galt das hübsche Lokal als Mischung aus Kultkneipe und Geheimtipp. Der vermeintliche Geheimtipp bezog sich vor allen Dingen auf die Küchenleistung. Wer rechnet denn damit, dass in einer selbstbetitelten Kneipe Austern, frische Pfifferlinge und gebratene Goldbrassen serviert werden? An diesem latent diffusen Status hat sich bis zum heutigen Tag wenig geändert.
Auf der Weinkarte stehen über 60 Positionen, alle liebevoll beschrieben: von sämtlichen französischen und deutschen Weinregionen bis zum, sagen wir mal, kontrovers diskutierten Rezina. Gewisse griechische Klassiker bleiben auch beständig im Angebot: Taramas, Fava mit Kapern, Tzaziki, Rote Bete-Salat, Feta mit Oliven und Peperoni. Wer nun allerdings annimmt, er hätte den roten Faden in der alten Wettannahme entdeckt, Wein und griechische Meze, liegt falsch. Die alte Wettannahme möchte in keine Schublade passen und überrascht beinahe bei jedem Besuch.
Ein stürmischer Ritt durch sämtliche Landesküchen
Grundsätzlich gibt es zwei Speisekarten, eine mit Hauptgängen und eine mit Kleinigkeiten beziehungsweise Vorspeisen. Einige Gerichte gehören zu den festen Instanzen, wie zum Beispiel die Austern, Crevetten mit Aioli, marinierte Sardellen, die griechische Meze-Fraktion und die Desserts, alles andere wird regelmäßig durchgewechselt. Und die Mischung ist vogelwild. Zwiebelkuchen (mit Federweißer), gegrillter Oktopus mit Fava, Weinbergschnecken mit Kräuterbutter, Rinderfrikadelle mit Bratkartoffeln, Wurstsalat, Spaghetti mit Pfifferlingen, gratinierter Blumenkohl, gebackene Aubergine mit Tomaten und Feta – Es ist ein stürmischer Ritt durch sämtliche Landesküchen und ab und zu bleibt ein kleines, saisonales Fragezeichen. Aber in der alten Wettannahme lasse ich mir das nicht nur gefallen, mir gefällt das sogar. Wer über Jahrzehnte hinweg so stabil abliefert, darf auch im Spätsommer Bärlauch-Pasta auf die Karte schreiben.
Wie gut in einem Restaurant gekocht wird, erkennt man häufig an Kleinigkeiten. Der frische Dill im Tzatziki, die gerösteten Mandeln, die Apfelstückchen und der frische Schnittlauch am Rote-Bete-Salat, die Kapern im gelben Erbsenpüree. Das sind alles kleine bewusste Handgriffe, die aus einem ganz okayen Gericht ein sehr gutes machen. Und genau diese Disziplin beherrscht die alte Wettannahme. Sicherlich sind einige Gerichte stärker als andere. Ich würde zum Beispiel jeden gegrillten Fisch auf der Karte dem gratinierten Blumenkohl vorziehen, aber auch dieses Tellerchen hat etwas seltsam befriedigendes. Selbst das Schokoladenmousse mit Chili, was ich sonst niemals freiwillig bestellen würde, wurde bis auf den letzten Klecks weggelöffelt.
Das Serviceteam ist, trotz starken Andrangs, aufmerksam und sehr freundlich. Eine Krokodilsträne gibt es, das leidige Thema Barzahlung. Die Weinkneipe ist quasi ganzheitlich analog. Wer einen Tisch reservieren möchte, macht das nicht online, sondern ruft an und bringt anschließend Bargeld mit. Das sind die Spielregeln – seit 1983.
Weinkneipe zur alten Wettannahme, Alteburger Straße 16, 50678 Köln, Öffnungszeiten: Di-Fr 17-0 Uhr, Sa 12-0 Uhr
Julias Auswahl:
Rote Bete-Salat // 7,50 Euro
Steinpilz-Tortelloni // 9,50 Euro
Fava mit Kapern // 5,80 Euro
Spaghetti mit Pfifferlingen // 14,80 Euro
Rinderfrikadelle, gegrillt mit Bratkartoffeln und Salat // 18,80 Euro