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Rheinland für EntdeckerBunker in Ahrweiler weckt zwiespältige Gefühle

Lesezeit 6 Minuten

Ende des Tunnels: An diesem Gitter endet der zugängliche Teil der Dokumentationsstätte Regierungsbunker.

Man muss die Ohren spitzen, wenn Heike Hollunder spricht. Die Chefin der Dokumentationsstätte Regierungsbunker in Ahrweiler hat viel zu sagen über den Gegenstand ihrer Profession. Die Kernbotschaft: Als der Ostteil des Atombunkers 1965 fertiggestellt wurde, erfüllte er schon nicht mehr seinen Zweck. Einer Bombe der neuesten Generation hätte er schon damals nicht mehr standgehalten. Er war auf die Sprengkraft der Hiroshima-Bombe konzipiert.

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Die Dokumentationsstätte Regierungsbunker, Am Silberberg 0, Bad Neuenahr-Ahrweiler, 02641 / 9 11 70 53 ist Mittwoch, Samstag, Sonntag und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Letzte Führung um 16.30 Uhr. Die Besichtigung ist nur per Führung möglich und dauert etwa 90 Minuten. Eintritt: 9 Euro, für Kinder bis zwölf Jahren ist der Eintritt frei.

www.dokumentationsstaette-regierungsbunker.eu

Dennoch probte man regelmäßig mit 3000 Nato-Geheimnisträgern an der Ahr den Ernstfall. Auch wenn es damals Gerüchte gab: Im Ernstfall werden die Regierungsspitzen nach Florida ausgeflogen. Das alles ist Geschichte, und das Bunkermuseum im Weinberg ist ein Zeugnis der bizarren Gedankenwelt des Kalten Krieges. Bei einer Innentemperatur von zwölf Grad sind die Schauer auf dem Rücken nicht nur inhaltlich verursacht.

„Dies hier ist ein Gebäude der Angst“, sagt Hollunder. Und das sehen sich 80  000 Menschen pro Jahr an, 10 000 davon sind Schüler. 60 Mitarbeiter zeigen seit zehn Jahren die Überbleibsel einer längst vergangenen Epoche. Bis heute waren 800 000 Menschen in dem öffentlichen Geheimversteck am Rotweinwanderweg.

Von 2001 bis 2006 ist das Labyrinth aus Gängen und Räume, das sich kilometerlang durch den Weinberg zog, zurückgebaut worden. 200 Meter vom Atombunker sind übrig geblieben und zeigen komprimiert, was noch immer zwiespältige Gefühle auslöst. Die Dunkelheit und die Enge, die Technik vergangener Tage. Kaum zu glauben, dass hier jemand einen Atomkrieg überleben wollte. Zwar war an alles gedacht, jede Schraube war dreimal vorhanden. Mit enormem logistischen Aufwand wurde eine reelle Überlebenschance vorgegaukelt. Realisten mussten es aber damals schon besser wissen.

Wie aus der TV-Serie „Raumschiff Orion“: Museumschefin Heike Hollunder in der Schaltzentrale des Bunkers.

Ausgangspunkt des Überlebenswillens war die 30-Tage-Regel der befreundeten Amerikaner. Demnach sollten die Vorräte an Wasser, Luft und Lebensmitteln für den etwaigen Atomschlag 30 Tage reichen. Und was ist am 31. Tag? Das ist so eine Frage, die Schüler gerne stellen. Antwort: Man ging davon aus, dass – laienhaft ausgedrückt – die Radioaktivität schon ein bisschen abgeklungen ist und man das Tor mal aufmachen kann. Was man dann draußen vorfindet, war damals weniger Gegenstand der Betrachtung.

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Das Beton-Rolltor ist heute jedenfalls eine der Attraktionen des Gebäudes. Hinter dem Eingang Nummer 123 schließt die 25 Tonnen-Tür wenn nötig in zehn Sekunden. Das passierte in seinen aktiven Zeiten alle zwei Jahre zum Nato-Manöver. 3000 Menschen lebten dann 14 Tage hinter dickem Beton und spielten Krieg. Natürlich vor realitätsnaher Kulisse. Zwar waren die tatsächlichen Spitzen der Bundespolitik nicht persönlich anwesend, aber sie wurden vertreten. So etwa der Bundeskanzler durch den Bundeskanzler-Üb. Und die Feldpritsche des Bundespräsidenten war definiert. Sein Ruheraum war karg und leer. Ebenso wie alle anderen. Nach der ersten Übung wurde den Psychologen klar, dass die Schlichtheit zu Problemen führen kann, und man hängte in die Schlafstuben Bilder von Bergen und Meeren. Alles Versuche gegen den allgegenwärtigen Bunkerkoller.

Wer sich heute mit dem Ablauf und Aufbau der Manöver vertraut machen möchte, ist immer noch auf die Informationen der früheren DDR-Spione angewiesen. Denn die entsprechenden Archive der Westmilitärs sind noch verschlossen. Im Bunker hängt dafür das Organigramm aus der Feder der Ostgeheimdienste. Die waren, wie man heute weiß, stets auf dem Laufenden. Hollunder berichtet von einer Gedenkveranstaltung, bei der der frühere Bunkerarchitekt Hans Walter und ein Mann namens Dieter Popp miteinander ins Gespräch kamen. Sie saßen nebeneinander auf einer Bank.

Charme der alten Technik

Als sich Walter dem Gegenüber vorstellen wollte, konnte er ihm nicht viel neues verraten, denn Popp hatte von 1996 bis 1990 für den Militärischen Nachrichtendienst der Nationalen Volksarmee der DDR gearbeitet, und Walter war sein Spezialgebiet. Heutige Bunkerbesucher dürfen beeindruckt sein von der Weitläufigkeit der Gänge. Hier herrscht überall der Charme der alten Technik. Es ist wie ein Zeitsprung in die 50er und 60er Jahre. Wählscheibentelefone mögen Kindern von heute vorkommen, als stammten sie aus Steintafelzeiten der Zehn Gebote. Nicht viel moderner wirkt der Zahnarztstuhl, dessen Bohrer vorsorglich auch ohne Strom ausgekommen wären. Schon zeitgemäßer, aber doch auch alt wirkt die Führungszentrale des Bunkers, die viele als Kommandobrücke des Raumschiffs Orion identifizieren würden.

Nach 200 Metern Fußmarsch vorbei an Artefakten des Kalten Krieges endet der Ausflug an einem riesigen Gitter. Dahinter führt der nackte Tunnel in die Dunkelheit – vergangener Tage, möchte man sagen. Ursprünglich war er als Eisenbahntunnel gebaut worden.

Ganz aktuell ausgestellt ist ein Schild, das der Künstler Joseph Beuys seinerzeit traktiert hat. Und zwar im Zusammenhang mit einer Demonstration am 4. April 1981 vor dem Bunkereingang in Marienthal.

Damals ging es um den Protest gegen den Nato-Nachrüstungsbeschluss. Beuys schrieb: „Dies ist nicht mein Bunker.“ Und Bunkerarchitekt Ernst Walter setzte damals daneben: „Stimmt!“ Das Schild steht nun am Museumseingang in einer Glasvitrine.

Tipps rund um den Ausflug

Anreise: Über die A61, Abfahrt Bad-Neuenahr-Ahrweiler und die A573, über die Umgehungsstraße, Ausfahrt Ahrweiler, An der Römervilla bergauf zum Bunkerparkplatz.

Einkehr: Das nahe gelegene Ahrweiler bietet viele Einkehrmöglichkeiten. Wir empfehlen die urige Eifelstube, Ahrhutstraße 26, Ahrweiler, 02641 / 3 48 50, Montag Ruhetag. Wer in den Weinbergen bleiben möchte, macht einen Abstecher ins Restaurant Hohenzollern, Am Silberberg 50, 0 26 41/97 30.

Bei schönem Wetter: Der Rotweinwanderweg führt direkt am Bunkermuseum vorbei und kann je nach eigenem körperlichen Vermögen in unterschiedlicher Länge erwandert werden. Wir empfehlen eine rund 25-minütigen Rundweg zum Silberbergtunnel und zurück. Im Gepäck ist stets der Blick auf die Weinbergshänge und das Ahrtal.

Beste Zeit: Die beste Zeit für einen Ausflug nach Ahrweiler ist der Sommer. Wer ein milderes Wetter bevorzugt, ist im Frühjahr und Herbst am besten unterwegs. Im Spätsommer und Herbst ist auch das Thema Weinprobe ganz aktuell.

Fotostandort: Die besten Bilder lassen sich fast überall vom Rotweinwanderweg machen.

Silberbergtunnel: Das Freilichtmuseum erinnert an die letzten Monate des Zweiten Weltkriegs. Rund 2500 Bürger von Ahrweiler suchten damals in dem ungenutzten Eisenbahntunnel des Silberberges Schutz vor den Bombenangriffen. Damals entstand dort eine Stadt im Berg. Hölzerne Behausungen reihten sich im Tunnel aneinander. Die meisten hatten sogar Hausnummer und Briefkästen. Inzwischen ist der größte Teil des Tunnels zugeschüttet. Holzverschläge sind noch zu besichtigen, per Gitter geschützt.

Für Kinder: Unterhalb von Bunkermuseum und Rotweinwanderweg ist das Museum Römervilla zu besichtigen. Es ist mit einem wetterfesten Holzrondell von der Witterung geschützt. Darunter ist das alte Herrenhaus eines römischen Gutshofes aus dem zweiten bis dritten Jahrhundert zu sehen. Die Mauern sind gut erhalten, ebenso farbige Wandmalereien und zahlreiche Überbleibsel aus der römischen Antike. Im März 1980 war das Gebäude bei den Bauarbeiten für die Bundesstraße gefunden worden. Das Museum Römervilla liegt Am Silberberg 1, in Bad Neuenahr-Ahrweiler. Es ist in der Zeit vom 24. März bis 11. November täglich außer montags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Eintritt sechs Euro, Schüler drei Euro, Kinder unter 6 Jahren frei. Mehr Infos: 0 26 41/53 11 und museum-roemervilla@t-online.de.