Seit 25 Jahren ein HitWas das Brettspiel „Die Siedler von Catan" so beliebt macht
- Straßen bauen, Siedlungen und Städte errichten und Schafe gegen Holz tauschen – all das und noch mehr ist das Spiel „Catan".
- Seit Jahrzehnten ist das Brettspiel, ursprünglich bekannt als „Die Siedler von Catan", bei Spielern rund um den Globus beliebt.
- Zum 25-jährigen Jubiläum hat unser Autor mit dem Erfinder Klaus Teuber gesprochen und verrät, wieso das Spiel auch heute noch einen Nerv trifft.
Köln – Über 30 Millionen Mal verkauft, in über 40 Sprachen übersetzt: Das Brettspiel „Catan“, ursprünglich veröffentlicht als „Die Siedler von Catan“, gilt nach Monopoly als das erfolgreichste aller Zeiten. Auch heute, 25 Jahre nach seiner ersten Veröffentlichung, bleibt es beliebt: in Familien, Vereinen, auf Profi-Turnieren. Sein Erfinder erinnert sich: „Ich dachte immer, die Verlage hätten ein Team, das fleißig entwickelt und die Spiele dann auf den Markt bringt“, sagt Klaus Teuber über die Anfänge: „Damals ahnte ich nicht, dass es für Spiele Autoren gibt. In den 80er-Jahren standen sie nicht auf der Schachtel.“
Klaus Teuber: „Es war ein reines Hobby"
In unser Skype-Gespräch schaltet er sich aus dem Wohnzimmer. Teuber wirkt mit 68 Jahren, Schnäuzer und freundlichem hessischen Akzent wie der Onkel, an dessen Tisch sich die Familienfeier am angenehmsten überstehen lässt. Am allerwenigsten wie ein Starautor. Sein Leben habe ihn zur Spielentwicklung gebracht. Das Interesse an Geschichte und Geografie, die Faszination für den spielerischen Wettbewerb. Aber auch eine große Portion Eskapismus. „Ich hatte das Dentallabor von meinem Vater übernommen, als es in Schwierigkeiten steckte. Abstand davon gewann ich, indem ich mich hinsetzte und über Spielideen nachdachte.“ Ein Refugium, aus dem 1988 das Spiel des Jahres entstand: Barbarossa. „Es hat mir viel Freude bereitet, einen Teil eines Fantasy-Romans in eine kleine spielerische Welt mit abgeschlossenen Regeln zu transferieren.“ Und doch: „Es war ein reines Hobby.“
Ein paar erfolgreiche Spiele und viele stressige Tage als Zahntechnikermeister später kam dann die Idee für ein Spiel, in dem das Leben der Wikinger stattfinden sollte. „Stellen Sie sich mal vor: Die wagten sich damals schon auf das offene Meer hinaus, haben nach Land gesucht – und Island gefunden.“ Das Thema begeistert ihn immer noch. „Klar, die brauchten Holz, Getreide und Wolle. Deshalb haben die ihre Schafe mitgenommen. Ich wollte diese Besiedlungsgeschichte spielerisch nacherleben.“ Vier Jahre lang feilt Teuber an „Die Siedler von Catan“: „Als ich anfing, mit Sechsecken als Spielfelder für Catan zu experimentieren, war die Insel mit ihren 18 Landfeldern plötzlich da, als wär sie vom Himmel gefallen. Die Teile zusammen ergeben wiederum ein großes Sechseck. Diese Harmonie war nur mit dieser Anzahl Sechsecke möglich.“
„Eine neue Runde hat immer wieder einen neuen Reiz"
Er grübelt weiter: „Es ist zu viel Platz auf der Insel. Es erschien mir logisch, dass die Spieler Abstand halten und Straßen bauen müssen. Hier habe ich mich vom Römischen Reich inspirieren lassen: Ohne die Straßen wäre Rom nie so mächtig geworden, hätte nicht expandieren können.“ Fertig ist das Spiel noch nicht: „In diesem Stadium bekam man einfach dort, wo man stand, Rohstoffe. Das war langweilig. Im echten Leben gibt es das nicht: Bestes Ackerland kann vom Sturm verwüstet werden, Niederschlag kann Korn verhageln, Schafe können an einer Seuche sterben – ganz sicher ist nichts.“ Diese Unwägbarkeit bringt den Zufall ins Spiel: „Die Wahrscheinlichkeiten erzielt durch zwei Würfel – das fand ich faszinierend.“
Die Siedler von Catan – so geht's
Bei Catan geht es darum, eine unbesiedelte Insel mit Straßen, Siedlungen und Städten zu erschließen. Dabei stehen die Spieler in Konkurrenz zueinander, sie können sich also gegenseitig „zubauen“ oder anderweitig bekämpfen, etwa mit Entwicklungskarten und einem „Räuber“.
Es wird abwechselnd gewürfelt. Die Felder werfen Rohstoffe ab, die bekommt, wer an ihnen baut – immer dann, wenn die Zahl des entsprechenden Feldes gewürfelt wird. Mithilfe der Rohstoffe kann wiederum weiter gebaut werden. Wer würfelt, darf bauen und Rohstoffe tauschen. Siegpunkte ergeben sich aus Siedlungen, Städten und anderen Errungenschaften – zum Beispiel der „längsten Handelsstraße“. Wer zuerst zehn Siegpunkte erreicht, hat gewonnen. (pg)
Klaus Teuber: „Catan – Das Spiel“, Jubiläums-Edition 2020, Kosmos, ca. 41 Euro
Und warum genau wurde Catan nun zum zweiterfolgreichsten Brettspiel aller Zeiten? „Eine neue Runde hat immer wieder einen neuen Reiz. Man hat diese Insel vor sich liegen, hat das Gefühl: Die ist unverbraucht und neu.“ Spätestens an dieser Stelle muss ich bekennen, dieses Gefühl gut zu kennen. Siedler, wie wir es nur nannten, war in meiner Familie schon immer die erste Option für lange Sonntagnachmittage. Der Inhalt des Spielkartons zeugt von rund zwei Jahrzehnten intensiver Nutzung, die uns zu Regeländerungen gezwungen haben. So stehen jedem Spieler zu Beginn 15 Straßen zu. Bei keiner Farbe sind mehr als 13 übrig (einige haben wir mal im Toaster wiedergefunden), jeder darf nur mit zwölf Straßen spielen. Noch weniger Platz also. Außerdem reichen nicht zehn, sondern 15 Punkte zum Sieg. Ich habe mich darauf spezialisiert, Karten anhand der Eselsecken und Knicke von der Rückseite zu erkennen. Schafe haben bei uns fast immer einen tiefen Knick in der Mitte, warum auch immer. Und auch die wertvollen Siegpunkt-Karten wurden so in Mitleidenschaft gezogen, dass ich sie mir nach und nach alle einprägte, weshalb sie mittlerweile nicht mehr umgedreht auf dem Tisch, sondern in einer geschlossenen Dose liegen müssen. Unser Catan hat ein Eigenleben entwickelt.
Bewerber aussieben – indem sie „Catan" spielen
Offen bleibt die Frage, was in aller Welt uns antreibt, immer wieder dasselbe Spiel zu spielen, an Weihnachten sogar tage- und nächtelang. Teuber sucht nach Antworten. „Man kann nicht aufstehen und etwas anderes machen, es könnte ja immer ein Handelsangebot kommen. Außerdem ist es nicht kriegerisch. Auch, wenn man verloren hat, hat man einen Aufbau geschaffen.“ Auch könne man das Glück durch Einmischen reduzieren: „Guck mal, der führt!“ Wer verliert könne sagen, er habe Pech gehabt: „Ohne dieses Glücksmoment wäre Catan nicht erfolgreich geworden.“ Und ja, all das stimmt. Obwohl sich das Kriegerische über ein, zwei Ecken durchaus einschleichen kann. Wenn Bünde nicht eingehalten, Starke nicht stark genug bekämpft werden. Wenn mit dem einen getauscht wird, mit dem anderen nicht. Das Gerechtigkeitsempfinden wird strapaziert. Eine Runde fängt stets im entspannten Miteinander an, im Laufe des Spiels entstehen und eskalieren kleine Konflikte, manchmal rollen sogar Tränen.
Dafür, dass „Die Siedler von Catan“ eine spezielle psychologische Sprengkraft hat, gibt es auch andere Hinweise. Beim sozialen Netzwerk LinkedIn sieben die Chefs Bewerber aus, indem sie es spielen lassen. Laut Reid Hoffman, dem Gründer des Unternehmens, komme nichts echtem Unternehmertum so nahe wie „Die Siedler von Catan“. Im Silicon Valley ist es ein Hit. „Das Spiel hat etwas Archaisches – und weckt auch das Archaische im Menschen. Wenn man längere Zeit kein Holz oder Lehm bekommt, reagiert man auf die eine oder andere Art“, so Teuber. „Daraus kann man sicherlich viele psychologische Erkenntnisse ziehen. Das Spiel kann Stärken oder Schwächen aufdecken.“
Um allzu gnadenloses Verhalten zu unterbinden, hat Teuber eine Hausregel vorgeschlagen. Es ist die einzige Anpassung, die er am Spiel vorgenommen hat. „Die ist für Leute, die es ein bisschen weicher mögen. Hier darf man den Räuber nur zu Spielern setzen, die mindestens drei Siegpunkte haben.“ Der Räuber mit dem man Mitspieler schwächen darf, wenn man eine Sieben würfelt, darf so also nicht die ganz Schwachen treffen. Über den kleinen Regelvorschlag entbrannte in Catan-Foren eine hitzige Diskussion.
„Catan hat keinen Zeitgeist getroffen – eher eine Sehnsucht“
Und ja, vielleicht fühlten wir drei Geschwister uns ein bisschen wie kleine Unternehmer, als Papa einen Zehn-Euro-Schein als Siegprämie für denjenigen auslobte, der ihn besiegen würde. Leider hörte das auf, als wir irgendwann tatsächlich mithalten konnten. Hat Teuber etwa einen Nerv der Zeit getroffen, die Idee vom unendlichen Wachstum, vom Ich-kann-es-schaffen, in ein Spiel übersetzt? „Ich glaube nicht, dass Catan einen Zeitgeist getroffen hat. Eher eine Sehnsucht“, sagt er. „Hier wird gespielt, was die Steinzeitmenschen schon gemacht haben: Handeln, ernten und bauen. Das ist alles intuitiv, liegt den Menschen.“
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Vielleicht gibt es deshalb seit vielen Jahren Catan-Weltmeisterschaften. Und vielleicht stellten 2015 auch deshalb Catan-Fans auf der Brettspielmesse in Essen einen Weltrekord auf, als 1040 von ihnen gemeinsam an einem fast 500 Meter langen Spielbrett gegeneinander spielten.
Der Schöpfer dieses Spiele-Epos’ gibt sich bescheiden. Zwar werden Spiele stets auch von den Spielenden geschaffen und erzählen mit jeder Runde ganz andere, neue Geschichten. Aber „dass Autoren nun schon länger auf der Spieleschachtel stehen und wahrgenommen werden, war ein erster wichtiger Schritt. Ich hoffe, hier tut sich bald noch mehr“, sagt Teuber.
Brettspiel liegen im Trend
Die Aussichten für die Zunft von Spieleautoren sind überdies so gut wie lange nicht. „Es wurde ja schon prophezeit, die elektronischen Spiele würden den Brettspielen ihren Rang ablaufen. Doch die Umsätze für Brettspiele sind in den letzten Jahren gestiegen, insbesondere in der Corona-Zeit.“ Warum? „Ich erkenne in dem Trend eine Gegenbewegung. Man möchte von den elektronischen Medien auch mal Urlaub machen. Menschen sehnen sich nach einer haptischen Welt, in der man Mitspieler sieht und Dinge anfasst.“
Ein bisschen zeitgeistig ist Catan 25 Jahre nach dem Erscheinen also doch. Es bleibt aktuell und einzigartig, auf dessen unfassbaren Erfolg blickt Teuber in einem Buch zurück: „Mein Weg nach Catan“. Das Geschenk des Spiels an ihn sei, sagt er darin, dass er sich seither auch beruflich ganz auf das konzentrieren kann, was er am liebsten tut: Spiele schreiben.