Zigtausende Blässgänse kommen dieser Tage in ihrem Winterquartier an. Was Interessierte wissen sollten und wo Beobachtungstouren angeboten werden.
Ganz nah an der GansAn diesen Orten in NRW überwintern Scharen von Blässgänsen – Warum ein Besuch lohnt
Der Niederrhein und die Tundra liegen zwar tausende Kilometer auseinander – eine Gemeinsamkeit haben die hiesige Tiefebene und die nordsibirische Kältesteppe dennoch: Jahreszeitenabhängig sind sie das Zuhause von arktischen Wildgänsen, darunter insbesondere Blässgänse.
Das Interesse für die gefiederten Gäste ist selbst von internationaler Natur. „Wir hatten in diesem Jahre sogar schon Anrufer aus der Schweiz, die fragten, ob die Tiere schon da seien“, erzählt Hannah Carlsen von der Naturschutzstation Niederrhein des Naturschutzbunds Deutschland (NABU). Tatsächlich haben viele der Gänse den Weg ins mildere Klima Nordrhein-Westfalens schon geschafft, berichtet Carlsen. Nachzügler werden auch noch in den kommenden Tagen erwartet. Die Überwinterung in der Region ist ein grandioses Naturschauspiel; es ist andernorts kaum möglich, den nordischen Tieren so nah zu kommen.
Von wo kommen die Blässgänse?
Im Sommer lebt ein Großteil des weltweit existierenden Bestands in der Kältesteppe Sibiriens, wo die Vögel Hochzeit feiern, ihre Jungen großziehen und ihr Gefieder erneuern. Wenn es im Nordosten kalt wird, fliegen die Blässgänse rund 6000 Kilometer Richtung Niederrhein, nahe Kleve und Kranenburg.
Hunderttausende Blässgänse überwintern am Niederrhein nahe Kleve und Kranenburg
Wie lange sind die Vögel unterwegs, bevor sie ihr Ziel erreichen?
Für ihre Flugroute von Sibirien bis nach Nordrhein-Westfalen brauchen die Blässgänse etwa drei Monate. Bei einer Reisegeschwindigkeit von 60 bis 80 Kilometern pro Stunde und Flughöhen von 1500 bis 2000 Metern können sie Strecken von 800 bis 1000 Kilometer am Stück zurücklegen. Danach brauchen sie eine Pause von etwa zwei Wochen, um sich neue Energie für den Weiterflug anzufuttern. Am Ziel kommen sie meist im November an und bleiben bis Februar zu Gast, bevor sie die Rückreise antreten.
Wie viele Blassgänse überwintern in der Region?
In den vergangenen Jahren wurden bis zu 280.000 Tiere pro Winter in Nordrhein-Westfalen und im angrenzenden holländischen Naturschutzgebiet Millingerwaard gezählt, das ist rund ein Viertel der nordeuropäischen Vertreter ihrer Art.
Woran sind Blässgänse zu erkennen?
Neben ihrem graubraunen Gefieder zeichnet die Vögel vor allem die dunkel gebänderte Unterseite und eine markante weiße Stirnblesse aus. Bei einer Flügelspannweite von 1,35 bis 1,65 Meter werden sie zwischen 66 und 76 Zentimeter groß.
Wann ist die beste Zeit, um die Gänse zu beobachten?
Ein besonderes Spektakel ergibt sich, wenn sich die Scharen in die Lüfte erheben. Erleben kann man diese Momente vor allem am Abend, wenn sich die Gänse – rund 20 Minuten nach Sonnenuntergang – auf den Weg von ihren Futter- zu ihren Schlafplätzen machen. Auch der abendliche Anflug der Gänse auf das flache Schlafgewässer ergibt dann ein beeindruckendes Schauspiel – viel Geschnatter inklusive.
Der NABU bietet Beobachtungstouren mit dem Bus, dem Rad oder zu Fuß an
Werden geführte Touren angeboten?
Ja. Die Naturschutzstation Niederrhein des NABU bietet verschiedene Touren an, zum Beispiel eine Busrundfahrt durch die Düffel. Wer auf Tuchfühlung mit den Gänsen gehen will, kann sich den geführten Ausflügen zu Fuß oder per Fahrrad anschließen. Der NABU empfiehlt eine rechtzeitige Anmeldung. Alle Termine und weiteren Informationen lassen sich finden unter: www.nabu-naturschutzstation.de/themen/wildgaense
Gibt es auch Angebote für Spontanentschlossene?
Seit diesem Jahr gibt es einen mobilen Gänsebeobachtungspunkt. Geeignet ist die Station insbesondere für „Schönwetter-Naturbegeisterte“, die sich spontan ein paar Minuten – oder länger – für die Gänsebeobachtung nehmen möchten. Spektive, Ferngläser und viel Wissenswertes gibt es kostenlos und ohne Anmeldung bei den Ehrenamtlichen vor Ort. Der tagesaktuelle, wetterabhängige Standort ist ebenfalls online abrufbar.
Welche Verhaltensregeln sollten beachtet werden?
Bei Ausflügen zum Vogelbeobachten gehören Hunde an die Leine. Lautes Türenknallen sollte bei Touren mit dem Auto oder dem Bus vermieden werden. Denn das Aufschrecken der Gänse kostet sie unnötige Energie. Zudem verlieren die Vögel Zeit, die sie dringend zum Fressen benötigen. Schließlich müssen sie sich genug Reserven zulegen, um im Frühjahr den weiten Weg zurück nach Sibirien zu schaffen.
Welche Tiere können außerdem beobachtet werden?
Auch Grau-, Weißwangen-, Saat- und Nonnengänse sind am Niederrhein anzutreffen. Vereinzelt beziehen auch Rothalsgänse ihr Winterquartier in der Gegend. Vogelbeobachtende können außerdem nach Rotdrosseln, Störchen, Silberreihern, Mäusebussarden, Stare und Enten Ausschau halten. In der Millingerwaard sind zudem halbwilde Konik-Pferde und schottische Galloway-Rinder sowie Biber eine Attraktion.