30 Jahre Runder Tisch für IntegrationKölner Streiter für Toleranz und Weltoffenheit
Köln – Es waren verstörende Bilder, die bundesweit Entsetzen auslösten. Am 17. September 1991 attackierten Rechtsradikale vietnamesische Händler auf einem Markt in Hoyerswerda. Als diese schließlich in ihr Wohnheim, in dem sie lebten, flüchteten, zogen Rechtsextreme und zeitweise bis zu 500 weitere Menschen vor das Haus und skandierten ausländerfeindliche Parolen. Die Polizei griff spät und nur zögerlich ein. Nicht die Rechtsradikalen wurden schließlich zur Verantwortung gezogen, sondern die Vietnamesen aus der Stadt gebracht. Ein fatales Zeichen. Anschläge und Pogrome häuften sich in den kommenden Jahren – etwa in Rostock, Mölln und Solingen.
In Köln war das Ereignis Anlass für die Gründung des Runden Tischs für Integration, der im Dezember 1991 unter dem Namen Runder Tisch für Ausländerfreundlichkeit ins Leben gerufen wurde, wie der Sprecher des Gremiums, Wolfgang Uellenberg-van Dawen berichtet. „Wir wollten mit dem Gremium Vorurteile überwinden und das gesellschaftliche Klima in der Stadt verändern.“ Zu den ersten Aktionen des Runden Tischs, der in diesem Jahr 30 Jahre alt wird, gehörte eine Flugblattaktion, an der sich Prominente wie der damalige Oberbürgermeister Norbert Burger, der ehemalige Bundesinnenminister Gerhart Baum und die Band Brings beteiligten. Zudem zählte der Runde Tisch zu den Unterstützern des legendären Arsch-Huh-Konzerts im November 1992, das von 100.000 Menschen besucht wurde.
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Seitdem hat es zahlreiche Aktivitäten des Gremiums gegeben, mit denen Menschen mit Migrationshintergrund unterstützt wurden. Man setzte sich dafür ein, Geflüchtete aus den Balkan-Staaten besser unterzubringen, unterstützte 1994 den erfolgreichen Protest gegen die geplante Abschiebung des 13-jährigen kurdischen Jungen Muzaffer Ucar. Es folgten Diskussionen und Kampagnen, in denen die Abschiebungen oder die Situation von jungen Ausländern im Gefängnis thematisiert wurden. Seit 1998 vereinbarte der Runde Tisch mit den Kölner Parteien ein Fairness-Abkommen, mit dem sich die Parteien verpflichteten, keinen Wahlkampf auf Kosten von Migranten zu machen. Im Jahr 2001 ging es um die Lage von Geflüchteten, die zunächst in Containern in Kalk und später auf Schiffen im Deutzer Hafen untergebracht werden sollten. „Es gab die Gefahr, dass geflüchtete Kinder beim Spielen in den Rhein fallen“, so Uellenberg-van Dawen.
2002 wurde das Gremium in den Runden Tisch für Integration umbenannt. Themen wie Schule, Ausbildung, Beruf sowie gleichberechtigte Teilhabe von Migranten in der Gesellschaft rückten in den Fokus. Die Zahl und Bandbreite der Aktivitäten blieb hoch: Der Runde Tisch unterstützte seit 2007 den Bau einer repräsentativen Moschee, es gab Diskussionen zu den Lebensumständen von Wanderarbeitern aus Rumänien und Bulgarien, eine Matinee zu Migranten ohne Aufenthaltspapiere im Schauspielhaus und eine Demo gegen den sogenannten Anti-Islam-Kongress.
Die Zeit nach 2015 sei eine Herausforderung für die Stadt gewesen, so Uellenberg-van Dawen. Viele Menschen hätten sich in Willkommensinitiativen engagiert, nach der Silvesternacht 2015/2016, als am Hauptbahnhof zahlreiche Frauen von jungen Männern attackiert worden waren, sei die Stimmung mitunter gekippt. Dabei habe es sich in erster Linie um ein Versagen des Staats gehandelt, der die Frauen nicht habe schützen können. In den folgenden Jahren wendete sich der Runde Tisch gegen die Verschärfung des Asyl- und Aufenthaltsrechts. Etwa dagegen, dass Familienzusammenführungen erschwert wurden.
Diskriminierung bei der Wohnungssuche
In Köln habe man in den vergangenen 30 Jahren viel erreicht, so Uellenberg-Van Dawen. So habe die Stadt Forderungen nach einer Bleiberechtsperspektive für langjährige geduldete Flüchtlinge seit 2016 übernommen. Auch der in den 1990er Jahren formulierte Wunsch nach einem Amt für multikulturelles Zusammenleben sei mit dem Integrationsamt umgesetzt worden. Das Klima in der Gesellschaft, Politik und Verwaltung sei weltoffener und toleranter geworden.
Spender gesucht
De4r Runde Tisch für Integration führt derzeit eine Studie zum Thema Diskriminierung von migranten bei der Wohnungssuche durch. Um Betroffene zu beraten, mit Vermieter und Mietern zu diskutieren und ein Netzwerk mit Vereinen und Organisationen aufzubauen, benötigt das Gremium 6000 Euro. Die Hälfte will die Bethe-Stiftung zahlen, wenn für den restlichen Betrag Spender noch bis zum 14. März gefundenh werden. Weitere Informationen gibt es im Internet. (ris)
Förderverein Kölner Runder Tisch für Integration e.V.
Iban: DE92370501981935986354
"Verdoppelungsaktion bethe"
www.rundertischkoeln.de
Das heißt aber nicht, dass alle Probleme gelöst seien. Im Gegenteil: Auch heute noch würden Migranten etwa auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert, arbeiteten in schlechter bezahlten Jobs, seien weniger in Führungsebenen in Betrieben vertreten, lebten in Wohnvierteln, die wirtschaftlich abgehängt seien. Ein Teufelskreislauf: Denn in solchen Vierteln sei oft die medizinische Versorgung schlecht, gebe es weniger Schulen. Schlechtere Bildung und Rahmenbedingungen bedeuten aber wiederum schlechtere Chancen auf einen gut bezahlten Job. „Die Stadt muss die Ressourcen dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. Zu Diskriminierung bei der Wohnungssuche werde derzeit eine Studie durchgeführt, die im März 2022 der Öffentlichkeit präsentiert werden soll.