AboAbonnieren

Corona-PandemieSchnellere Hilfen für Kölner Kinder in Brennpunkten gefordert

Lesezeit 4 Minuten
Schule-Impfung

In der Corona-Zeit sind Lernrückstände bei vielen Kindern entstanden.

Köln – Der Druck auf Kinder und Jugendliche war in der Pandemie besonders groß. Kein Wunder, dass laut der Hamburger Copsy-Studie zwei von drei Kindern Lernen anstrengender als vor der Corona-Zeit empfinden und gar 70 Prozent Zukunftssorgen haben. Die Zahl der Kinder mit psychischen Auffälligkeiten ist besonders in Familien mit finanziellen Sorgen groß und liegt bei 56 Prozent. Nun will die Bundesregierung mit dem „Aufholpaket“ Lernrückstände verringern. Der Runde Tisch für Integration in Köln fordert, dass die Stadt sich schnellst möglichst Gedanken macht, wie das Geld in Köln eingesetzt werden kann. „Jetzt ist schnelles Handeln gefragt“, sagte der Sprecher Wolfgang Uellenberg-van Dawen.

Ein entsprechender Brief sei an die Kölner Landtagsabgeordneten, an Oberbürgermeisterin Henriette Reker und Schuldezernent Robert Voigtsberger gegangen.

Das Programm der Bundesregierung umfasst zwei Milliarden Euro. Die Hälfte der Summe soll verwendet werden, um Lernrückstände aufzuholen. 270 Millionen Euro sind als Kinderfreizeitbonus für Ferienfreizeiten für bedürftige Familien vorgesehen, mit 320 Millionen Euro sollen die sozialen Kompetenzen der Kinder und Jugendlichen etwa durch Schulsozialarbeiter gestärkt werden. Weiteres Geld ist unter anderem für Frühe Hilfen und Sprach-Kitas bestimmt. Der Bund stellt die finanziellen Hilfen, die über zwei Jahre gewährt werden, zur Verfügung, die Länder erarbeiten derzeit Richtlinien, wie das Geld verwendet werden soll.

Alles zum Thema Henriette Reker

W. Uellenberg-van Dawen

Der Runde Tisch für Integration fordert die Stadt auf, den Fokus nicht auf klassische Nachhilfeförderung, sondern auf die Stärkung der sozialen Kompetenzen der Schüler zu legen. „Die Aufarbeitung und Heilung von Schäden der Pandemie in Schule und im familiären Umfeld muss Vorrang haben vor dem Aufholen von Lernlücken“, so lautet eine Kernforderung im Papier des Runden Tisches. Zudem soll die schulnahe Elternarbeit ein Schwerpunkt der Förderung sein. Dies gelinge in Familien mit internationaler Geschichte aber nur, wenn man die Migrantenselbstorganisationen, etwa Interkulturelle Zentren und Vereine, die mit Migranten arbeiten, mit ins Boot hole. Das Geld solle nicht bei Nachhilfe-Instituten, sondern bei sozialen Trägern landen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Uellenberg-van Dawen lehnt eine breite Streuung der finanziellen Mittel ab. „Wir brauchen keine Hilfen mit der Gießkanne, zwei Milliarden Euro sind nicht viel Geld“, sagt er. „Es ist klar, dass das Geld in die 16 Sozialräume muss und nicht nach Lindenthal und in die Südstadt.“ In Viertel also, in denen Arbeitslosigkeit und der Hartz-IV-Bezug hoch, Einkommen, Wohnflächen und Gesundheitsversorgung aber niedrig seien. Hier lebten Kinder und Jugendliche, die ein ähnlich hohes schulisches Potential hätten, aber schlechtere Chancen, diese zu verwirklichen. Generell müssten die Mittel verstetigt werden, also über 2022 hinaus ausgezahlt werden.

Familien durch Pandemie erschöpft

Besonders wichtig sei die Bedeutung der Familien, sagte Bildungsexperte Ludger Reinberg. Die Familien seien ein wichtiges Auffangbecken für Kinder und Jugendliche, wie sich auch in der Pandemie gezeigt habe. „Starke Familien haben die Pandemie besser überstanden als andere.“ Aber fast alle seien durch Corona an ihr Limit gekommen. 80 Prozent der Familien berichteten, dass sie durch Homeoffice und Homeschooling erschöpft seien, zitiert Reinberg die Copsy-Studie. Um die Eltern zu erreichen, müsse man sie unter anderem in ihrer Herkunftssprache und auf Augenhöhe informieren, ergänzte Gonül Topuz vom Deutsch-Türkischen Verein. Geeignet seien dazu besonders Mitarbeiter etwa von Interkulturellen Zentren, die entsprechend kultursensible agierten.

Gregor Stiels

Wie groß die Probleme der Familien mit Migrationshintergrund in der Pandemie zum Teil gewesen waren, schildert Gregor Stiels, Leiter der Buchheimer Grundschule An St. Theresia, und stellvertretender Sprecher des Rundes Tisches. An der städtischen Einrichtung lernen 180 Schüler, 85 Prozent ihrer Familien bezögen Transferleistungen und 75 Prozent hätten einen Migrationshintergrund. Zu Zeiten des Wechselunterrichtes hätten morgens Kinder auf dem Schulhof gefragt, ob sie denn heute Schule hätten. Ihre Eltern seien sprachlich nicht in der Lage gewesen, die Stundenpläne richtig zu verstehen. Viele Eltern besäßen überhaupt keine E-Mail-Adresse. „Wir haben sie einfach nicht erreicht.“ Auch Fatma Oruc, Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern, berichtet davon, dass sie in der Pandemie überfordert gewesen sei. „Ich spreche zwar deutsch, aber mit den E-Mails kam ich nicht immer klar.“

Eltern mit Bürokratie überfordert

Stiels habe daraufhin zweimal in der Woche eine Sprechstunde für Eltern angeboten und mit ihnen über Schulmaterial und Hausaufgaben, aber auch über Themen wie Tagesstruktur, Pausen, Ernährung und Bewegung gesprochen. „Hätten wir das nicht gemacht, dann hätten die Kinder gar nicht arbeiten können. Sie wären verloren gewesen.“ Die Probleme seien „nicht durch Corona entstanden, aber Corona habe die Defizite offengelegt“, sagt Stiels.