Adé Bantu pendelt zwischen Lagos und Köln„Ich fühlte mich nie durch den Karneval repräsentiert“

Lesezeit 4 Minuten
Gespräch mit dem Sänger Ade Bantu in Ehrenfeld.

Gespräch mit dem Sänger Ade Bantu in Ehrenfeld.

Der Musiker Adé Bantu macht derzeit mal wieder Halt in Köln. Ein Gespräch über seine Bandtournee mit der Bahn, Rassismus und Afrobeat-Stars.

Wer in diesen Wochen in einen Regionalzug steigt und quer durch die Bundesrepublik reist, könnte auf eine 13-köpfige Band stoßen. Blasinstrumente, Percussions und andere Instrumente haben Bantu im Schlepptau. „Wir fahren mit dem Deutschlandticket. Bisher ist alles gut gegangen, auch wenn wir knappe Momente hatten“, erzählt Musiker Adé Bantu. Wir treffen den Deutsch-Nigerianer in Ehrenfeld zum Gespräch.

Der 52-jährige lebt in der nigerianischen Millionen-Hauptstadt Lagos, kommt aber ein paar Mal im Jahr nach Köln: seiner Heimat. „Ob erste oder zweite Heimat spielt keine Rolle. Meine Mutter lebt hier in der Nähe, meine Tochter wohnt hier und ich habe viele Freunde.“ Doch Adegoke Odukoya, wie er bürgerlich heißt, ist nicht nur zu Besuch hier, sondern verbindet seinen Aufenthalt mit Konzerten und Studioaufnahmen für das neue Bantu-Album.

Bantu: Konzert im Artheater Köln

Der nächste Auftritt der Afrofunk- und Afrobeat-Band findet am Freitag, 19. Juli im Artheater statt. Vorher spielen sie noch ein Konzert im Berliner Haus der Kulturen der Welt. Nach Berlin nehmen sie allerdings den ICE. „Unsere längste Reise war mit dem Regionalzug nach Rudolstadt, wir haben neun Stunden gebraucht. So lernt die Band Deutschland kennen. Die Menschen verändern sich auf der Fahrt, die Landschaften auch.“

Adé Bantu ist nicht nur Musiker, sondern auch Aktivist. Seit Jahrzehnten engagiert er sich gegen Rassismus. 2000 gründete er das Künstlerkollektiv „Brothers Keepers“, das afro-deutsche Musiker  vereinte, darunter prominente Vertreter wie Afrob, Samy Deluxe, Patrice, Gentleman, Xavier Naidoo und andere. Im Jahr 2001 veröffentlichten sie den Song „Adriano“ und widmeten ihn dem Mosambikaner Alberto Adriano, der 2000 in Dessau von Neonazis zusammengeschlagen wurde und daraufhin verstarb.

Ihr Anliegen, den Rasissmus anzuzeigen, sei immer noch aktuell. „Die Rechten diktieren die Politik. Die Regierung und die Opposition reagieren nur noch“, so Bantu. Ob eine Neuauflage mit der jungen Musikergeneration denkbar wäre? „Nun ist die Generation mal dran, zu reflektieren. Wir könnten sie begleiten, unsere Erfahrungen miteinfließen lassen.“ Doch für sie sprechen könne man nicht.

Afrobeat ist in der Popwelt längst vorne mit dabei

Auf die junge Generation blickt Adé Bantu sehr positiv. Er beobachtet gerade bei den afrikanischen Musikern ein neues Selbstbewusstsein: Afrobeat ist ein Genre, das längst die Popkultur mitbestimmt: nigerianische Künstler wie Burna Boy, Asake und Tems sind Headliner und füllen auch schonmal die großen Kölner Hallen. „Früher wurden wir in die World-Music-Schublade gesteckt, Hauptsache nicht-europäisch. Heute haben die Jungen ein neues Selbstverständnis: Sie sind Global-Pop-Stars“, sagt Bantu. Doch das habe einen Preis. „Das ist sehr schön, aber man muss auch anerkennen, dass sie nicht das gesamte Spektrum der nigerianischen Musik abdecken.“

Aufgrund der herrschenden Zensur in Nigeria kreisen die Songs der Afrobeat-Popstars häufig um oberflächliche Themen. „Sie bilden eine Gegenkultur zu Realität. Es geht um schöne Körper, schöne Menschen.“ In einem Land Musik herauszubringen, wo man schon beim Absetzen kritischer Tweets aufpassen muss, möchte manch ein Musiker Sponsoren nicht vergraulen. Sich politisch äußern – „das muss gelernt werden“, sagt Bantu. Er weiß, wovon er spricht.

Die Texte von Bantus Songs sind sehr politisch: Sie prangern Unterdrückung, Korruption, ebenjene Zensur sowie die Perspektivlosigkeit der Jugend in Nigeria und die Ursachen des Flüchtingsdramas im Mittelmeer an. Der Sound hingegen ist das pralle Leben: funkig, mit traditionellen Elementen und Big-Band-Charakter.

Aber eben auch nicht massentauglich. Mit seinem Festival „Afropolitan-Vibes“ nimmt Bantu jedoch auf subtile Weise Einfluss auf die Popkultur. „Nach dem Auftritt von Burna Boy auf unserem Festival, wo er mit unserer Band aufgetreten ist, hat er entschieden, dass er auch mit Live-Band spielen möchte.“

Bantu entstand in Köln im Rahmen von Karneval

Bantus Fokus liegt jedoch nicht ausschließlich auf Afrika. Im Herbst erscheint ein neuer Song, den er zusammen mit dem kölschen Rapper Def Benski für das Projekt „Kölsche Heimat“ aufnimmt. In diesem Jahr befassen sich Musiker und Musikerinnen mit den scheinbar widerstreitenden Sehnsüchten von Heimweh und Fernweh. „Das ist eine gute Gelegenheit, um musikalisch wieder an die Heimat anzudocken“, so Bantu.

Sein Bandprojekt, dem anfangs auch Reggaesänger Patrice („Mein ewig kleiner Bruder“) angehörte, ist Mitte der Neunziger ebenfalls im Rahmen des Kölner Karnevals entstanden. „Der Verein Humba e. V. hat uns damals gefragt, ob wir einen Song beisteuern möchten. So hat alles mit dem Karneval angefangen. Mit dem alternativen, denn eigentlich fühlte ich mich nie durch den Karneval repräsentiert. Er war immer sehr weiß.“