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Panzerschlacht an der MarzellenstraßeVor 80 Jahren – Die letzten Kriegstage von Köln

Lesezeit 6 Minuten
Der zerstörte Heumarkt in Köln zum Ende des Zweiten Weltkriegs.

Köln lag zum Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren in Schutt und Asche. Das Foto wurde am Heumarkt aufgenommen. (Archivfoto)

Im März 1945 erreichen die amerikanischen Truppen die Stadt. Die Nationalsozialisten drohen einen „Kampf bis aufs Messer“ an – die Lage ist allerdings völlig aussichtslos.

Am 6. März 1945 hatten Teile der Invasionsarmee, die am 6. Juni 1944 („D-Day“) in der Normandie gelandet war, ein symbolträchtiges Ziel erreicht: Die Truppen standen am Kölner Dom. Eine letzte Panzerschlacht an der Marzellenstraße, von der Filmaufnahmen existieren, ging in die Stadtgeschichte ein.

Mit dem Fall Kölns war der Sieg über Nazi-Deutschland einen großen Schritt nähergerückt. Bis zur endgültigen deutschen Kapitulation am 8. Mai sollten nur noch einige Wochen vergehen.

Vor 80 Jahren nehmen die US-Streitkräfte Köln ein

Zum Jahrestag der dramatischen Ereignisse veröffentlicht ksta.de Auszüge aus seiner 2015 erschienenen, preisgekrönten Serie „1945 – Die letzten Kriegstage von Köln“, in der die rund 120 Stunden zwischen dem 2. und 6. März 1945 nachgezeichnet werden.

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Am 1. März hatte der Gauleiter Josef Grohé die Evakuierung des Linksrheinischen angeordnet. In einer der letzten Ausgaben der Parteizeitung „Westdeutscher Beobachter“, die ihre Zentrale im Verlagshaus gegenüber der heutigen Lanxess-Arena hatte, wurde der „Kampf bis aufs Messer“ propagiert.

In Wahrheit war die Lage aussichtslos. Die US-Armee hatte Köln noch am 2. März mit einem der größten aller Fliegerangriffe sturmreif und endgültig zu einer Steinwüste gebombt.

Panzer mit US-Streitkräften passiert ein Ortsschild von Köln.

Bereits im Gefühl des sicheren Sieges nahmen die US-Streitkräfte 1945 Köln ein. (Archivfoto)

3. März

Mit Flugblättern fordern die Amerikaner die Bevölkerung zum Widerstand gegen das Nazi-Regime auf: „Jeder einzelne Kölner, der in dieser Stunde der Not bereit ist, zur schnellsten Beendigung des Krieges und des NS-Terrors beizutragen, MUSS JETZT HANDELN. Der einfache Bürger Kölns hat von den alliierten Truppen nichts zu befürchten.“

Über die Hohenzollernbrücke, einzige noch begehbare Rheinbrücke, können Bürger ins Rechtsrheinische flüchten.

Der Artillerie-Beschuss der Amerikaner setzt ein, woraufhin ein Großteil des Wehrkommandos Köln nach Linde im Rheinisch-Bergischen-Kreis ausweicht.

Die Verwaltung der Stadt hat sich weitgehend aufgelöst, geleitet wird sie kommissarisch vom Ingenieur und NS-Funktionär Robert Brandes.

Der Direktor der Deutschen Bank verlässt Köln. Bei dem Bombenangriff am Tag zuvor sind nahezu alle Geldinstitute im Kölner Bankenviertel zerstört worden.

Der Kölner Stadtdechant Robert Grosche schreibt in seinem „Kölner Tagebuch 1944-46“: „Am 3. März war es ruhig, abgesehen von Tieffliegern, die zeitweise bedrohlich schossen, und von gelegentlichen Artillerieschüssen, die anscheinend auf die Brücke kommen und diese unter Feuer halten. (...) Auf den Straßen Kolonnen von zurückflutenden Wagen. Eine ganze Anzahl von Freunden kommt sich nach uns erkundigen. Auch auf der Straße halten mich viele Leute an. Allmählich kennt man die noch in der Stadt verbliebenen Menschen.“

4. März

NS-Funktionäre, die jetzt spöttisch „Goldfasane“ genannt werden, vernichten die Zeugnisse ihrer sterbenden Macht: Nazi-Uniformen und Mitgliedskarten werden verbrannt, die Ortsgruppe Nippes hat die Parteizentrale in der Simon-Meister-Straße in Brand gesteckt.

Die US-Truppen stehen auch in den nördlichen Vororten wie Niehl. Der deutsche Panzergeneral Harald Freiherr von Elverfeldt hat im Bunker des Hauses Hillesheimstraße 12 die Befehlsstelle zur Verteidigung Niehls eingerichtet. Elverfeldt wird später mit seinem Tross an der Amsterdamer Straße Höhe Barbarastraße aufgerieben und kommt ums Leben.

Es gibt nicht genug zu essen, es kommt zu massenhaften Plünderungen in der Stadt.

Der 57-jährige Postangestellte Hans Diefenbach beobachtet: „Volkssturm geht über die Militärringstraße in die Schlacht. Ein Bild des Jammers.“ Der Volkssturm, den die Nazis in der Endphase des Krieges in die Schlacht werfen, besteht aus „waffenfähigen Männern im Alter von 16 bis 60 Jahren“. Die Lage ist grotesk. Diefenbach beobachtet am Abend: „...alles hatte sich verkrochen, nur in Nähe des Maarweges kamen zurückgehende Soldaten und fragen nach Stüssgen.“

Historische Aufnahme vom zerstörten Köln.

US-Truppen rücken nach den Bombenangriffen im März 1945 durch die Trümmer in Köln vor. (Archivfoto)

5. März

Vom Stadtwaldbunker in Lindenthal hält Gauleiter Josef Grohé den Kontakt mit Wehrmacht und Verwaltung – seit die einstige, prachtvolle NSDAP-Gau-Residenz in der Claudiusstraße in der Südstadt zerstört ist.

An diesem Tag, so Grohé in seinen Erinnerungen, fährt er zur Aachener Straße in Braunsfeld. Gewehrgranaten schlagen in seiner Nähe ein. Der Gauleiter sieht „ungeordnete kleine Trupps“ deutscher Soldaten. Sie können ihm nicht sagen, wohin sie wollen oder sollen.

Grohé fährt mit seinem Stab weiter zum Tacitus-Bunker in Bayenthal. Hier hat sich die Kreisleitung der Partei und die Stadtverwaltung eingerichtet. Ungefähr zur selben Zeit erscheint der Kommandeur der 3. Panzergrenadierdivision Generalmajor Denke am Bunker. Er hatte die Aufgabe, den Bonner Verteilerkreis zu verteidigen. Er berichtet, die Division rechts von ihm sei einfach verschwunden, ohne ihn zu verständigen. Seine Division müsse wie die Feuerwehr hin und her sausen, um den Feind abzuwehren. Und die Munition gehe zu Ende.

Am Abend kommt es im Gefechtsstand des 81. Armeekorps in Nähe der Bastei zu einer Kommandeursbesprechung mit General Friedrich Köchling, der die Verteidigung Kölns anführt.

Ein von Generalfeldmarschall Walter Model, Kommandeur der im Ruhrkessel kämpfenden Heeresgruppe B, weitergeleiteter Führerbefehl, wonach Wehrmachtseinheiten, die sich ins Rechtsrheinische abgesetzt haben, an die Kölner Innenstadtfront zurückgeschickt werden müssen, entzweit die anwesenden Offiziere. Er wird für sinnlos erachtet.

Dann erscheinen Gauleiter und Reichsverteidigungskommissar Grohé, der die unbedingte Verteidigung Kölns fordert und den Volkssturm als wirksame Waffe gegen die US-Panzer preist. Köchling schreibt später in seinen Aufzeichnungen: „Völlig versagte und musste versagen der Volkssturm.“ Von den angesagten Bataillonen seien am Abend nur etwa 60 Mann erschienen, „ohne dem Endkampf irgendwie nützen zu können“.

6. März

Die in Niehl gemachten Gefangenen stellen die Amerikaner in der Schreinerwerkstatt Pulm unter Bewachung.

Kölner winken mit hastig aus einem Besenstiel und einem Bettlaken zusammengebastelten weißen Fahnen aus Fenstern.

US-Panzer rollen auch durch das Eigelsteintor.

Viele Menschen, darunter namhafte Personen, sind seit dem Fliegerangriff vom Freitag noch vermisst, so der Chef der Reissdorf-Brauerei und der Pfarrer von St. Georg.

Die US-Armee listet auf, was sie in den Wehrmachtsdepots am Rhein sicherstellt, darunter 30 Tonnen grüne Bohnen, zwölf Tonnen Butter, vier Tonnen Käse, 65 Tonnen Salatöl, 2000 Meter Elektrokabel, 100 Tonnen Papier.

Der Kölner Arzt Wolfgang Michels notiert für den Abend: „Vor wenigen Minuten kam ein Stoßtrupp von etwa 30 Mann durch die Volksgartenstraße. Als ich eine Stunde später mit Frau Mecklenburg beim Abendessen saß, kam eine Patrouille von 2 Mann in die Küche. Mit wenigen Worten erklärte ich, wer ich sei. Die Männer waren zufrieden und verließen mit einem höflichen good night die Wohnung.“

Am Ende des dramatischen Tages, der 6. März ist ein Dienstag, ist Köln geteilt. Mit der Sprengung der Hohenzollernbrücke durch deutsche Pioniere sind alle Brücken zerstört, der Rhein ist Frontlinie. Linksrheinisch übernehmen die Amerikaner das Kommando, Gauleiter Grohé setzt sich ins Rechtsrheinische ab, wo die letzten NS-Herrschaftsstrukturen sich auch bald auflösen werden. Um 17 Uhr betreten die ersten US-Soldaten den Kölner Dom.