Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Alter Markt in Köln in Schutt und Asche – wie fast die gesamte Altstadt.
Es gab sogar Überlegungen, sie nicht wiederaufzubauen und die Ruinen stehen zu lassen.
Dass es anders kam, ist einem einfachen Grund zu verdanken.
Köln – Das historische Rathaus war im Zweiten Weltkrieg schwer getroffen worden, die Häuser am Alter Markt lagen ebenfalls fast komplett in Schutt und Asche. Sie stammten teils noch aus der Barockzeit. Nur der Jan-von-Werth-Brunnen von 1884 ragte fast unbeschadet aus den Trümmern empor. „Solche Denkmäler wurden in der Regel im Krieg ummauert und haben oft gehalten“, sagt der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings. Der Rest jedoch: verwüstet. Wie fast die gesamte Kölner Altstadt.
Es gab sogar Überlegungen, sie nicht wiederaufzubauen und historische Gebäude wie Kirchen und den Rathausturm als mahnende Ruinenlandschaft stehen zu lassen. Köln wäre an anderer Stelle neu entstanden.
Dass es anders kam, ist einem einfachen Grund zu verdanken. „Die ganzen Versorgungsleitungen in den Straßen waren weitgehend intakt geblieben“, so Ulrich Krings. Die unterirdische Infrastruktur woanders neu zu errichten, wäre zu kostspielig gewesen. Der zweite Grund: „Das Grundeigentum war in großen Teilen in privater Hand.“
Also wurden auch die Gebäude, die den Alter Markt einst einfassten, nach und nach wiederaufgebaut. Nicht als Kopien der Vorgängerbauten, aber in historisierendem Stil. Das zum Alter Markt ausgerichtete Rathausgebäude, im Kern aus dem 16. Jahrhundert stammend und im 19. Jahrhundert grundlegend erneuert, bekam jedoch einen modernen Nachfolgebau von Architekt Karl Band. War der Rathausturm vor dem Krieg zum Alter Markt von einer Häuserzeile größtenteils verdeckt worden, wurde er nun durch eine Baulücke freigelegt. In dieser Lücke entstand eine Treppe zur höher gelegenen Rathauslaube sowie ein niedrigeres Rathaus-Gebäude, das dem Turm bewusst untergeordnet wurde.
„Ein großartiger Bau“, sei dieser Turm, so Krings. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert. Damals finanzierten die Handwerkszünfte das frühe, mehr als 60 Meter hohe Kölner Hochhaus. Weil sie erfolgreich gegen die Patrizier um die Vorherrschaft in Köln gekämpft hatten, errichteten sie den Rathausturm als Siegesmonument. Genutzt wurde es als Dokumentenarchiv, Weinkeller und Ratskammer.
Wäre er nach dem Krieg nicht schnell mit einem Betongerüst stabilisiert worden, der Turm wäre wohl komplett in sich zusammengestürzt. Schon in den 1960er Jahren war die Rekonstruktion vollendet, bis 1972 folgte die achtseitige Dachpyramide, die in ihren Dimensionen dem Vorgängerdach entsprach, aber viel des alten Zierrats wegließ. „Interessanterweise konnte die damalige städtische Denkmalpflege die Kölner Handwerkerschaft animieren, diesen Turm wieder mitzufinanzieren“, sagt Ulrich Krings. Gemäß seiner ursprünglichen Entstehung. Das Glockenspiel bezahlten ebenfalls die Handwerks-Innungen.
Instandgesetzt werden musste auch der Hansasaal aus dem 14. Jahrhundert. 1945 lag er schwer verwüstet da. Wäre er im Krieg nicht mit einem Tonnengewölbe aus Beton geschützt worden, das zwischen der hölzernen Decke und dem Spitzdach lag – es wäre auch hier viel schlimmer gekommen.
Verstorbene Kölner Persönlichkeiten in Stein gehauen
Als der Turm 1972 schließlich vollendet war, fehlten nur noch die Figuren. Da die Figuren aus den mittelalterlichen Anfängen des Turms größtenteils nicht bekannt und die Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert nicht gewollt waren, entschied man sich für ein neues Skulpturenprogramm: Verstorbene Persönlichkeiten, die Gutes für die Stadt geleistet hatten, sollten nun in Stein gehauen werden. Je später sie geboren wurden, desto höher stiegen sie auf.
Heute grüßen antike Figuren wie Stadtgründerin Agrippina vom Erdgeschoss, mittelalterliche Berühmtheiten wie Stefan Lochner und Reinald von Dassel vom ersten Obergeschoss und neuzeitliche Kölner wie Konrad Adenauer und Heinrich Böll vom dritten Obergeschoss. Im vierten Obergeschoss sind die Schutzheiligen des „Kölner Himmels“ zu Hause – von Petrus bis Edith Stein. Die Heiligen hätten auch im Mittelalter ganz oben auf dem Turm gestanden, so Ulrich Krings. Mehr sei vom ursprünglichen Figurenprogramm nicht überliefert.
Warten auf das Rote Haus
Den Wiederaufbau des Alter Markts hält der ehemalige Stadtkonservator für gelungen. Auch das „Rote Haus“, das nach dem Krieg neben der Treppe am Rathaus entstand und zuletzt eine Buchhandlung und Büroräume der Grünen beheimatete, habe sich gut ins Stadtbild gefügt. Dem Abriss im Jahr 2005 im Zuge des Nord-Süd-Stadtbahnbaus habe er zwar zugestimmt, sagt Ulrich Krings. Aber nur, weil Stadt und KVB zugesagt hätten, nach dem Bau des U-Bahn-Zugangs unmittelbar einen Nachfolgerbau zu errichten, der den neuen U-Bahn-Eingang und den Aufzug integriere. Das sei bis heute nicht geschehen.
In einer klaffenden Baulücke stehe nach wie vor nur eine Art Bretterbude als Zugangsgebäude zur U-Bahn – ein „Schandfleck“ für den Alter Markt. Immerhin soll jetzt, Anfang 2020, endlich mit dem Bau eines neuen Rotes Hauses begonnen werden. Geplant ist ein Hotel mit 20 Zimmern.