Schulministerium und die Synagogen-Gemeinde haben Leitlinien entwickelt, wie die Vielfalt des Judentums in Bildungsmedien gezeigt werden kann.
Schulbücher auf dem PrüfstandAntisemitismus zeigt sich auch subtil durch Stereotype und Klischees
Schulministerin Dorothee Feller (CDU) sprach bei ihrem Besuch in der Kölner Synagogen-Gemeinde Klartext: „Die Lage für jüdische Kinder an unseren Schulen ist weiter sehr angespannt.“ Der Befund der nordrhein-westfälischen Kriminalstatistik mit Zunahme von Gewalt gegen jüdische Menschen und zunehmendem Antisemitismus spiegele sich auch in den Schulen.
Der Vorsitzende der Kölner Synagogen-Gemeinde und Vizepräsident des Zentralrats der Juden, Abraham Lehrer, ergänzte diesen Befund durch zwei Zahlen, um die Dimension des Problems deutlich zu machen: Laut einer aktuellen Antisemitismus-Studie aus dem Herbst 2024 quer durch alle Altersgruppen hätten 19 Prozent der Befragten der Aussage zugestimmt, die Shoa habe nicht stattgefunden. Zwölf Prozent waren der Ansicht, die jüdische Religion erfordere Ritualmorde an Kindern. „Woher kommt das?“, fragte er. Was dagegen in allererster Linie helfen könne, sei Bildung an den Schulen: „Es braucht Kenntnis und Haltung.“
Bücher mit jüdischen Klischees wurden vom Markt genommen
Genau deshalb hat die Bildungsministerkonferenz gemeinsam mit dem Zentralrat der Juden und dem Verband Bildungsmedien Empfehlungen für die Darstellung des Judentums in Schulbüchern und anderen Bildungsmedien erarbeitet, um jungen Menschen Vielfalt und Reichtum des Judentums näherzubringen. Dabei stellte Feller klar, dass sich Antisemitismus an Schulen nicht nur in Wort und Tat äußere, sondern auch niedrigschwellig, etwa in einseitig stereotypen Darstellungen jüdischer Menschen in Schulbüchern, die Klischees reproduzierten. Etwa indem dargestellten jüdischen Menschen subtil bestimmte äußere Merkmale oder Begrifflichkeiten zugewiesen werden.
Vor diesem Hintergrund wurden nun alle Lehrmaterialien systematisch überprüft, ob sie jüdische Geschichte und jüdisches Leben umfassend, differenziert und frei von Vorurteilen und jeglicher Diskriminierung darstellen. Schulbücher, die in Textstellen oder Bildern in irgendeiner Weise Klischees über das Judentum reproduzieren, seien vom Markt genommen worden. Alle Lehrkräfte sollen zudem auch bei der Nutzung von Lernmitteln aus dem Internet dafür sensibilisiert werden.
Schulbücher sollen Juden nicht auf ihre Rolle als Opfer des Nationalsozialismus reduzieren
Gleichzeitig betonte Feller, dass es wichtig sei, jüdische Mitmenschen weder in Schulbüchern noch im Unterricht auf ihre Rolle als Opfer des Nationalsozialismus zu reduzieren. „Es ist vielmehr ein wesentlicher Bestandteil in der Bekämpfung des Antisemitismus, in Bildungsmedien auch die Vielfalt und Lebendigkeit des jüdischen Lebens darzustellen.“ Zu erfahren, wie jüdische Menschen heute hier leben, sei genauso wichtig wie das historische Wissen und müsse genauso Thema in der Schule sein.
Insgesamt soll mit den neu erarbeiteten Leitlinien sowohl Lehrkräften als auch Schulbuchautoren und Verlagen ein Werkzeug an die Hand gegeben werden, das hilft, ein realistisches Bild jüdischen Lebens in Lernmitteln zu zeichnen und Vorurteile abzubauen. Mit den neuen Leitlinien verbunden sei auch der Appell, dass diese Empfehlungen Einfluss nehmen auf die Lehrpläne und nicht zuletzt auf die Lehrkräfte selbst, betonte Abraham Lehrer.
Auch abseits der Lehrbücher muss es nach Ansicht von Schulministerin Feller das Ziel sein, Lehrkräfte für versteckten Antisemitismus zu sensibilisieren und sie gleichzeitig für den Umgang mit Antisemitismus im Klassenzimmer zu stärken. Daher solle Antisemitismus künftig verstärkt auch Bestandteil der Lehrkräfteausbildung sein. Außerdem setzt das Schulministerium auch künftig auf eine Stärkung der Erinnerungskultur durch Gedenkstättenfahrten im In- und Ausland ein. So könne Geschichte erfahrbar werden und dafür gesorgt werden, dass „die Fragen, wie das passieren konnte, nie verstummen werden“, so Feller.
Für immer mehr Schüler ist die deutsche Geschichte nicht ihre Geschichte
Gleichzeitig benannte Feller die Herausforderung, dass die Schülerschaft vielfältiger wird. Für immer mehr Schülerinnen und Schüler sei die deutsche Geschichte nicht die ihrer Eltern oder nicht ihre eigene. Auch auf diese wachsende Gruppe müsse die Vermittlung deutscher Geschichte aus einer neuen Perspektive entwickelt werden.
Grundlage der Leitlinien ist eine der bislang umfangreichsten Schulbuchstudien, die das Schulministerium Nordrhein-Westfalen in Auftrag gegeben hat. Für die Studie „Darstellung des Judentums in Bildungsmedien“ des Georg-Eckert-Instituts waren Lehrwerke untersucht worden, die zwischen den Jahren 2007 bis 2021 erschienen waren.