Grüne OaseStar-Architekt will Köln revolutionieren – warum zieht seine Vision nicht?
Köln – Die Pläne des Kölner Star-Architekten Paul Böhm im Mai 2021 waren spektakulär, sie sollten frei von Denkverboten sein. Der Hauptbahnhof? Am besten nach Kalk verlegen, inklusive Fernverkehr und neuer Gebäude. Die Halle des bisherigen Hauptbahnhofs? Wird zum Veranstaltungsraum, der Regionalverkehr geht unter die Erde. Die Hohenzollernbrücke? Ist frei von Verkehr, wird zum grünen Erholungsraum, ebenso wie die Bahntrasse vom Hauptbahnhof zum Hansaring.
Das Motto der Initiative namens „Neue Mitte Köln“: Autos und Bahn raus der Stadtmitte, mehr Platz für Erholung, Wohnungen, Grün. „Für eine lebenswerte und zukunftsrelevante Stadt wollen wir die Stadt neu denken und so neue Perspektiven für die Stadtentwicklung eröffnen.“ Es sind Pläne für die nächsten Jahrzehnte, für viele Milliarden Euro.
Das Problem: Bislang zieht die Idee nicht. 5000 Unterstützer der Online-Petition wollte Böhm erreichen, Anfang 2022 den Stadtrat beteiligen, die Machbarkeitsstudie für rund 600.000 Euro starten. Daraus wurde nichts, aktuell haben sich nach mehr als einem Jahr nur gut die Hälfte der 5000 Unterstützer gefunden. Es sind 2694 (Stand: Dienstagnachmittag).
Das Projekt, ambitioniert gestartet, stagniert – obwohl beispielweise eine Online-Petition gegen den Bebauungsplan im Belgischen Viertel voriges Jahr in wenigen Wochen Tausende Unterstützer sammelte.
Aber warum ist das so? Hat Köln mit Schul- und Wohnungsbau, Corona sowie den Folgen des Kriegs einfach genug andere Sorgen, als sich noch um Visionen zu kümmern? Ist Böhms Plan für die nächsten Jahrzehnte und für viele Milliarden Euro zu unwirklich, zu sehr Utopie?
Unter anderem sagt jemand, der die Kölner Verwaltung von innen kennt: „Man kann natürlich alles denken, das ist nun wirklich nicht verboten. Aber bei den Kosten: Als hätte die Stadt gerade nichts anderes zu tun.“
Böhm kennt diese Argumente, er hat sie oft gehört und hält sie für falsch. Er sagt: „Natürlich müssen wir Schulen und Kitas bauen. Das ist sicher richtig, aber wir müssen trotzdem in die Zukunft schauen, auch unter Gesichtspunkten des ökologischen Wandels ist das unabdingbar. Wir können nicht nur bis zum nächsten Tag denken.“ Er mache das Projekt, weil er davon überzeugt sei.
Die Pläne der Initiative "Neue Mitte Köln"
Erste Phase: Der Hauptbahnhof wird nach Kalk auf eine alte Bahnanlage nahe des Kalker Tunnels verlegt. Der bisherige Hauptbahnhof wird zum unterirdischen Regionalbahnhof mit Verbindungen nach Kalk. Laut der Initiative könnte der neue Hauptbahnhof in zehn Jahren in Betrieb gehen. Dort sollen neue Häuser am Bahnhof für Impulse im Rechtsrheinischen sorgen.
Zweite Phase: Mehrere S- und Regionalbahnringe um die Stadt sollen entstehen, „um als moderne Metropole das Verkehrsaufkommen Kölns und der Region sinnvoll zu managen“.
Dritte Phase: Laut Initiative könnten 91 Prozent des Fernverkehrs rechtsrheinisch bleiben, wenn im Süden eine neue Rheinbrücke entsteht. „In einer dritten Phase entstehen eine südliche und eventuell auch eine nördliche Überquerung des Rheins für den Fernverkehr.“ (mhe)
Böhm erklärt sich das geringer als erwartete Interesse mit der Pandemie. Er sagt: „Das hat sehr viel mit Corona zu tun, etwas anderes kann ich mir auch nicht vorstellen, weil überall, wo wir hinkommen, ist die Begeisterung groß.“
Die 5000 Stimmen will die Initiative jetzt bis Ende des Jahres zusammen haben. Danach soll der Stadtrat eingebunden werden, das Geld für die Machbarkeitsstudie über Sponsoren und Spenden eingesammelt werden.
Denn eben diese Untersuchung ist entscheidend, das weiß auch Böhm: „Die Studie soll Vor- und Nachteile professionell untersuchen, um festzustellen, ob das Projekt umsetzbar ist.“ Es geht dabei auch darum, ob das Projekt förderfähig ist, sein Nutzen also den Aufwand rechtfertigt. Ist das so, wäre es zumindest ein Stück realistischer.
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Zu Böhms Team zählen unter anderem PR-Berater Thomas Müller sowie die Verkehrsplaner Günter Harloff und Siegfried Mängel. Müller hatte 2021 gesagt: „Wenn alle sagen, das ist eine Schnapsidee, dann werden wir es wahrscheinlich auch wieder sein lassen.“
Die Deutsche Bahn will sich zu den Plänen auf Anfrage nicht äußern, die Stadtverwaltung war schon voriges Jahr zurückhaltend, sie sieht die Bahn als hauptsächlich Beteiligten, weil die Initiative unter anderem die historisch gewachsene Bahnstruktur mit Bahnhöfen und Gleisen überprüfen will.
Allerdings gibt es hinter vorgehaltener Hand schon kritische Stimmen, sie sprechen von einer „gigantischen Werbemaßnahme von Paul Böhm“, von „einer nicht wirklich zielgerichteten Idee“, „ein bisschen mehr Futter hätte der Idee gut getan“, „aus Respekt vor einer Architektur-Dynastie kann man die Pläne nicht einfach wegstoßen“.
Böhm, Jahrgang 1959, sagt dazu: „Wer denkt, das sei eine Werbesache für mich: Wer die Zeitspanne des Projekts und mein Alter bedenkt, wird merken, dass ich da keinen Auftrag akquirieren werde.“