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Architekt über Köln„Ich möchte nicht in einer total verkrauteten Stadt leben“

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So soll es einmal aussehen: Der Roncalliplatz mit dem fertigen Domhotel (links) und dem neuen Stadtmuseum („Historische Mitte“) rechts.

KölnHerr Kraemer, wir wollen über die Zukunft reden. Welche Projekte machen Ihnen denn Hoffnung für die Zukunft der Stadt Köln?

Nehmen wir ein Bauprojekt unseres Büros, den Campus Kartause der Evangelischen Kirche in der Südstadt. Das ist gutes Beispiel für Nachverdichtung in der Innenstadt. Uns stehen in Köln keine großen Flächen mehr zur Verfügung, auch im Umland nicht, also müssen wir im Bestand bauen, dort, wo auch die Infrastruktur bereits vorhanden ist. In unserem Fall wird ein Parkplatz neu bebaut: mit Wohnungen, Gastronomie, Bildungseinrichtungen, Treffpunkten. Außerdem wird ein kleiner Platz geschaffen, ein neuer Stadtraum. Das ist für mich ein großartiges Zukunftsmodell für Köln, gerade weil es ganz selbstverständlich und unspektakulär ist. Wir brauchen keinen Utopismus um jeden Preis, um Kölns Zukunft neu zu denken.

An was denken Sie dabei?

Ich finde es interessant, was Paul Böhm für die Umnutzung des Hauptbahnhofs durch die Verlegung nach Deutz vorgeschlagen hat, wobei er damit etwas aufgreift, was die Nazis in den 1930er Jahren so ähnlich auch schon geplant hatten. Es lohnt sich sicher, darüber nachzudenken, was aus den dadurch frei werdenden Flächen in der Innenstadt werden könnte. Gleichzeitig bin ich extrem skeptisch, ob daraus in den nächsten 30 Jahren etwas werden kann. Ich weiß nun mal, wie stark das Beharrungsvermögen gerade der Deutschen Bahn und ebenso der Stadt ist. Ich erinnere mich noch an die Diskussionen darüber, den Verkehr der Deutzer Brücke unter die Erde zu verlegen und die Oper zwischen Altstadt und Hotel Maritim ans Rheinufer zu bringen. Mit dieser Oper am Rhein hätte Köln strahlen können. Aus der renovierten Oper kann keine Elbphilharmonie werden, die bleibt ein grauer Schwan, ein Zeichen der 1950er Jahre.

Wo sehen Sie sonst Zukunftschancen?

Die Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt wäre für mich ein extrem wichtiges Projekt. Man hätte dann einen wunderbaren Platz vor der Oper zwischen Schildergasse und Breite Straße und die Möglichkeit, neue städtebauliche Achsen zu legen. Es gibt unendlich viele gute Ideen dazu, die müssten erneut konzentriert werden, um zu entscheiden: Was können wir machen? Was können wir uns leisten? Und womit beginnen wir?

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Kaspar Kraemer

Die Tieferlegung der Nord-Süd-Fahrt wäre ein gigantisches Projekt. Ist das in Hinblick auf die viel kritisierte Stadtverwaltung überhaupt umsetzbar?

Das wäre vor allem ein finanzieller Kraftakt. Aber der wäre hier eher zu stemmen als bei der Umsiedlung des Hauptbahnhofs. Die Frage ist: Wollen wir als Bürgerschaft eine solche Herkulesaufgabe angehen? Ähnliches gilt für die mit eingeschossigen Bebauungen völlig unternutzte Hahnenstraße. Dieses Kleinteilige war damals ein Reflex auf die Achsenpläne der Nazis und steht nun unter Denkmalschutz. Aber das könnte man neu überdenken. Mir persönlich würde die Gestaltung des Achsenkreuzes Nord-Süd-Fahrt und der Komplex Cäcilienstraße/Hahnenstraße als Ost-West-Verbindung an Großprojekten vollkommen genügen.

Und was ginge im Kleinen?

Man könnte die Innenstadt Schritt für Schritt aufwerten. Nehmen Sie als Vorbild die St.-Apern-Straße. Da gibt es kaum Verkehrsschilder, einen breiten Bürgersteig, eine anständige Pflasterung, es gibt Grün, einen schönen Straßenschwung, Blicke auf ein historisches Baudenkmal, Außengastronomie und Geschäfte. Es ist eigentlich alles da, man könnte denken, man sei in Paris. Ich sage seit langem: Warum nehmen wir dieses Straßenstück nicht als Maßstab und bauen es bis zur Apostelnkirche hoch? Das ist kein Hexenwerk, aber es bewegt sich kaum etwas. Wir halten uns stattdessen mit ästhetisch grauenhaften Straßenbemalungen für den Radverkehr auf. Das finde ich einfach schade, dabei bin ich selbst Radfahrer. Köln müsste aus ästhetischen Momenten viel mehr Funken schlagen.

In Ihrem Beitrag zum „Kölngold“-Band gehen Sie auf den Wildwuchs an Straßenmöblierung ein. Ließe sich in dieser Hinsicht nicht mit geringen Mitteln viel erreichen?

Ja, es wäre so einfach. Vielleicht wäre es das Beste, erst mal alles raus zu räumen. Einfach mal denken, es ist gar nichts da. Das ist natürlich illusorisch, Ampeln und Straßenbeleuchtung brauchen wir ja. Aber wenn man sich die städtischen Räume einmal entschildert vorstellt, hätte man einen ganz anderen Eindruck. Man glaubt gar nicht, wie viele unsinnige Schilder es gibt. Gerade in unserer dichten Innenstadt merkt man doch, dass nichts geht, wenn man sich nicht miteinander verständigt. Shared Space wäre für mich das Ideal, da gilt immer Rechts vor Links und überall Tempo 30. Mit gegenseitiger Rücksicht wäre ohnehin alles viel leichter.

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Bei der Bauverwaltung hakt es traditionell in Köln. Wie müssten sich Politik und Verwaltung aufstellen, um den kommenden Aufgaben gerecht zu werden?

Als Architekten sind wir direkt betroffen. Die Genehmigungsverfahren dauern viel zu lange. Das hat mit der Unterbesetzung der Ämter zu tun, aber auch mit der Verschärfungsdichte der Regelungen. Wir sind einer Überbürokratisierung unterworfen, bei der auch die Verwaltung teilweise gar nicht mehr richtig durchblickt. Wenn wir gar nicht wissen, wie viele Stellplätze wir bei einem Bauantrag nachweisen müssen, weil die Neufassung der entsprechenden Verordnung so lange braucht, ist das natürlich Irrsinn. Und das in einer Zeit, in der alle sagen, das Auto brauchen wir in der Stadt eigentlich nicht mehr. Ich glaube, auch die Politik überblickt oft gar nicht mehr, was sie beschließt.

Was müsste sich sofort ändern?

Als erstes müssten die Bauvorschriften entrümpelt werden. Dann müsste die Belegschaft der Verwaltung aufgestockt oder die Effizienz gesteigert werden. Bei jedem Bauantrag sind ganz viele Dinge mit einem Sachbearbeiter abzustimmen, aber den kriegen sie gar nicht zu fassen. Dieses System ist teilweise kafkaesk. Ganz wesentlich ist das Thema Digitalisierung, da habe ich immerhin ein gutes Gefühl bei der Stadt Köln. Generell wär es gut, einen runden Tisch einzurichten, um mit der Bauaufsicht durchzusprechen, was alles für eine Baugenehmigung wirklich gebraucht wird und wo man auch mal schneller entscheiden kann. Bürgerschaft und Verwaltung müssen viel enger zusammenarbeiten und die Politik muss das fördern. Wir müssen anfangen, mehr miteinander zu arbeiten.

Schneise durch die Innenstadt: Die Nord-Süd-Fahrt soll unter die Erde.

Sie wollen mehr Bürgerbeteiligung bei Bauprojekten?

Ja, auf sachlicher Ebene. Aber das hat nichts mit Bürgerbeteiligung im herkömmlichen Sinne zu tun. Mehr Grün, mehr Wasser, das kommt bei Bauentwürfen im Volk immer gut an. Und mehr Kinderspielgeräte. Das sind aber nur Einzelaspekte und hat mit architektonischer Qualität noch nichts zu tun. Den gleichen Populismus gibt er derzeit in Sachen Klima. Da heißt es dann: Wir müssen alles begrünen. Aber ich möchte nicht in einer total verkrauteten Stadt leben.

Kommen wir zu den Bildungsbauten. Wenn Sie den elenden Zustand der Schulen sehen, wissen Sie doch schon alles über diese Stadt. Müssen wir darauf nicht den Fokus legen?

Ich bin da hilflos. Ich kann nicht verstehen, warum die Stadt sich so schwer tut, die notwendigen Dinge auf den Weg zu bringen. Die Wertschätzung für Bildung müsste eigentlich da sein, weil das der einzige Rohstoff ist, den wir in Deutschland haben. In Sonntagsreden hört man das auch ständig, aber es hapert an der Umsetzung. Die Entscheidungsprozesse sind zu lang, viele scheuen die Verantwortung, keiner will mehr etwas anfassen, denn dann müsste man ja etwas machen. Also guckt man lieber weg und lässt alles verkommen. Auch hier müsste es möglich sein, dass sich die Bürgerschaft, Schüler und Eltern, viel stärker einbringen können. Und warum dauert es so lange, eine Schule zu bauen oder überhaupt zu planen? Das könnte viel schneller gehen, wenn wir uns nicht in Vorschriften verstricken würden.

Mit der Via Culturalis hat sich Köln ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Kann das gelingen?

Das ist ein ganz wichtiges Zukunftsprojekt. Man könnte sagen: Die Schildergasse ist die Konsumachse, dann kommt die Kulturachse und dann die Gastronomieachse der Altstadt. Diese drei Achsen liegen nebeneinander, aber die Kultur ist die wichtigste, da sie Kölns Bedeutung ausmacht. Wir brauchen Freizeit, wir brauchen Ökonomie, aber vor allem brauchen wir Kultur. Wenn man das richtig angeht, und das tut die Stadt hier ja auch, dann kann daraus etwas Wunderbares entstehen.

Zur Person und zum Projekt

Der Kölner Architekt Kaspar Kraemer (72) war von 2001 bis 2007 Vorsitzender des Bundes Deutscher Architekten. Er ist einer der Autoren des Buches „Kölngold“ aus dem Wienand-Verlag, das die Schätze der Stadt zeigt und Zukunftsvisionen entwirft. Der „Kölner Stadt-Anzeiger“ unterstützt das Projekt und ergänzt es durch eigene Veröffentlichungen unter dem Titel „Köln bewegen“.

Wie wichtig ist in diesem Zusammenhang die sogenannte Historische Mitte?

Dieses Projekt ist ein ganz wesentlicher Baustein der Via Culturalis, und den Entwurf von Staab Architekten finde ich geradezu genial. Es gibt ja Diskussionen über die Höhe der Bauten. Aber ich habe weder maßstäblich noch stadtbaulich mit diesem Volumen ein Problem. Ich glaube, das wird Köln noch mal einem großen Schub nach vorne geben. Gute Architektur ist übrigens weniger eine Frage des Geldes, sondern mehr der Proportionen, des Schönheitssinnes und der vernünftig-logischen Anordnung von Räumen. Das kostet ja eigentlich nichts.

Ein großer Sprung zum Thema Wohnen. Wie sehen Sie diesen Baubereich?

Siehe oben: Zu viele Vorschriften, zu viele Verfahren, die alles verteuern, dann zu wenig Bauland, und wenn sie in der Stadt nachverdichten wollen, kommt immer jemand und sagt: Das geht hier nicht. In Köln wollen wir jährlich 6000 Wohnungen bauen, 2000 schaffen wir, es wird zu viel reguliert. Statt sich auf wesentliche Standards zu beschränken und auch Freiräume zuzulassen, muss alles geregelt sein. Wir erleben in unserer Arbeit selbst, wie mühselig der Wohnungsbau geworden ist. Und dann wundert man sich, warum die Mieten steigen. In diesem Bereich muss unbedingt etwas passieren, das ist sozialer Sprengstoff.

Schauen wir auf die Kölner Plätze. Auch über deren Tristesse wird schon lange diskutiert. Geändert hat sich im Wesentlichen nichts.

Köln ist nie eine Residenzstadt gewesen. Hier fehlt das städtebauliche Bild mit Straßen- und Raumfolgen, das auch erzieherisch wirkt. Das ist eine Bürde, die Köln mit sich schleppt. Die Plätze selbst gelingen aber durchaus, wenn man sich dazu entschließt, sie anzugehen. Den Kurt-Hackenberg-Platz vor der Philharmonie finde ich sehr schön, das ist ein entspannter, leichter Raum, der auch genutzt wird. Da denkt man sich: Es geht doch.

Welchen der großen Plätze würden Sie zuerst angehen?

Ich würde dem Neumarkt oberste Priorität geben, weil es ein zentraler Raum ist, in seinem Umfeld viel passiert und eine vergleichsweise große Freiheit zur Gestaltung besteht. Der Barbarossaplatz hätte zwar eine Neugestaltung am nötigsten, weil der durch den Straßenverkehr völlig zerstört ist, doch da sehe ich große Schwierigkeiten, etwas umzusetzen. Aber ich will gar nicht nur kritisieren. Es ist in den vergangenen Jahrzehnten auch viel Gutes passiert. Die Domtreppe, dieser Weinberg, ist doch wunderbar, das gesamte Domumfeld hat sich sehr gemacht. Wenn dann das Domhotel fertig ist und die Via Culturalis, weiß man als Kölner Bürger auch wieder, wo man hingehen soll.