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Von Armut bedrohtWie hart eine Kölner Studentin für ihren Lebenstraum arbeitet

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Studierende im Hörsaal

Köln – Catrin S. studiert in Köln Psychologie – und trägt bereits Schulden mit sich herum. Für ein Erststudium der Wirtschaftspsychologie in Osnabrück hat sie Bafög bezogen, teilweise fast den Höchstsatz, und weil diese 650 Euro zum Leben nicht reichten und auch Jobs als Tutorin und in einem Kino den Kühlschrank bis Monatsende nicht füllten, nahm sie damals ein Darlehen bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau auf. Bafög bekommt sie im Zweitstudium nicht mehr, und den KfW-Kredit zahlt sie lieber direkt zurück: „Ich möchte ja den Master machen, und was sich bis dahin an Zinsen aufhäufen würde, das macht mir ehrlich gesagt Angst.“

Catrin möchte ihren richtigen Namen lieber nicht nennen, und es sind nicht allein Schulden, die sie bedrücken: Vom Erst- zum Zweitstudium hat sie einen sozialökonomischen Abstieg durchgemacht und lebt nun, eine Stunde vom Universitätsstandort Köln entfernt, bei einer Freundin umsonst. Mit ihren Lebensumständen ist sie eines der vielen Gesichter zu einer Studie, die der Paritätische Wohlfahrtsverband nun veröffentlicht: „Im Jahr 2020 sind rund 30 Prozent aller Studierenden in Deutschland von Armut betroffen“, heißt es da. „Studierende gehören damit zu einer besonders von Armut betroffenen Gruppe, schließlich liegt ihre Armutsquote deutlich über derjenigen für die Gesamtbevölkerung in Deutschland von 16,8 Prozent.“

Viele Studierende unterhalb der Armutsgrenze

Die Armutsgrenze liegt bei 1266 Euro monatlich. Studierende, die in Armut leben, so führt es die Studie aus, unterbieten diesen Wert noch einmal um 463 Euro pro Monat: Sie müssen mit 803 Euro auskommen. In Köln, wo Catrin studiert, würden die meisten WG-Zimmer bereits mehr als die Hälfte dieser Summe verschlingen.

Chancengleichheit in der Bildung ist ein großes politisches Ziel, und im Kern sollten die Leistungen nach Bundesausbildungsförderungsgesetz, kurz Bafög, bei der Durchsetzung dieses Vorhabens helfen. „Bei der jüngsten Bafög-Anhebung hat es Verbesserungen gegeben“, sagt der Kölner Politikwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Aber: „Zuletzt hatten bloß noch zwölf Prozent der Studierenden überhaupt Leistungen bezogen. Das waren früher erheblich mehr.“ Für viele bildet das Bafög nur noch einen finanziellen Grundstock, der um Einkommen aus Nebenjobs ergänzt werden muss.

Es gab immer wenig Geld in der Familie

„Mein Vater ist Tischler, meine Mutter Hausfrau, nebenher putzt sie“, beschreibt Catrin ihre familiäre Situation. „Ich bin das zweite von vier Geschwistern. Es war immer wenig Geld da.“ Sie ist weit davon entfernt sich zu beklagen, wie hart der Weg zur Erfüllung ihres tiefsten Lebenswunsches ist – als Psychologin zu arbeiten, am liebsten in der Forschung. „Ich jobbe und habe Glück, dass diese Jobs auch mit Studium und späterem Beruf zu tun haben: Ich arbeite in der Wochenend- und Nachtbereitschaft in einer Klinik für Abhängigkeitserkrankungen, zudem jobbe ich bei einem psychosozialen Dienst.“

Unterhalb des Minimums

Besonders dramatisch stellt sich das Leben in Armut für Studierende dar, die auf sich gestellt sind. So hält die Studie des Wohlfahrtsverbands fest: 25 Prozent dieser Personengruppe kommen lediglich auf ein Einkommen von bis zu 600 Euro. „Bei Zugrundelegung des durchschnittlichen soziokulturellen Existenzminimums Alleinstehender von 771 Euro im Jahr 2019 zeigt sich, dass 40 Prozent aller alleinlebenden Studierenden ein Einkommen unterhalb der durchschnittlichen Bedarfsschwelle aufweisen und mithin unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums leben.“

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Der Politikwissenschaftler Christoph Butterwegge

Was diese Zahlen zusätzlich beklemmend erscheinen lässt, ist der Zeitpunkt ihrer Erhebung. Dieser lag noch vor Corona. Christoph Butterwegge hat gerade ein Buch geschrieben, das „Die polarisierende Pandemie“ betitelt ist. Es handelt von den Gewinnern und den Verlierern der Krise und natürlich auch von denen, die in dieser Zeit studierten. Sie befinden sich mehrheitlich auf der Verliererseite, „denn die Hochschule war jene gesellschaftliche Einrichtung, die am längsten geschlossen war. So kam für arme Studierende noch die Einsamkeitserfahrung hinzu“, sagt Butterwegge.

Jobs in der Gastronomie brachen für Studierende weg

Die Studie des Paritätischen Wohlfahrtsverband gesteht konsequenterweise zu, dass „trotz der dramatischen Befunde sogar noch das Risiko einer Untererfassung des tatsächlichen Ausmaßes an Einkommensarmut“ bestehe: Viele Jobs, etwa in der Gastronomie, brachen für die Studierenden in der Pandemie einfach weg. Was das für die Chancengleichheit im Blick auf das hohe Gut Bildung bedeutet – Butterwegge zeigt düstere Perspektiven auf: „Wir beobachten, dass verstärkt Jugendliche und junge Erwachsene bessere Bildungschancen besitzen, die aus einem bürgerlichen Elternhaus mit entsprechender finanzieller Ausstattung kommen. Sie haben auch die Möglichkeit, ein längeres Studium zu absolvieren.“ Was für die Schülerinnen und Schüler während der Pandemie galt, gilt auch und erst recht für die Studierenden: „Wer gut ausgestattet ist, sei es mit Wohnraum oder guten digitalen Endgeräten, hält gerade beim Distanzunterricht oder bei der Online-Lehre besser mit.“

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Man könnte meinen, dass es sich bei diesen Dingen fast schon um Luxusprobleme handelt, kämpfen doch viel zu viele Studierende am Existenzminimum. Auch Catrin hat die Coronazeit im Distanzstudium verbracht, die Universität war ein verwaister Raum. Zurückgekehrt an die Universität, falle ihr zunehmend auf, dass sie in ihrer wirtschaftlichen Notlage ganz und gar nicht allein steckt – und das hängt auch mit den Folgen von Corona: Die Pandemie hat das Studierendenleben vom Ort der Hochschule entfernt und in den digitalen Raum verlagert. Ein Teil dieser Entwicklung wird voraussichtlich auch in Zukunft die Lebensrealität von Studierenden prägen.

Dies bedeutet zum einen, dass Studierende weniger vor Ort an der Hochschule leben und mithin auch in deutlich geringerem Maße vom dortigen Subsystem mit geringen Preisen wie fürs Essen in der Mensa profitieren. Zum anderen sind Studierende in erhöhtem Maße von einer funktionierenden Hardware abhängig und müssen entsprechende Kosten wie zur Erweiterung des Equipments, für Reparaturen und Neuanschaffungen jederzeit tragen können - „um nicht von grundlegenden Voraussetzungen zur Bildungsteilhabe abgekoppelt zu werden“, wie die Studie des Wohlfahrtsverbands festhält.