Mario Eckel war 2023 Deutscher Meister im Breaking. Die Olympia-Premiere seines Sports verpasst er. Im Interview erzählt er von den Anfängen.
Sport erstmals olympischKölner Breakdance-Profi: „Ich tanze nicht, um anderen zu zeigen, wie krass ich bin“
Herr Eckel, Sie haben als Elfjähriger mit Breakdance angefangen. Wie außergewöhnlich war das damals noch?
Das war tatsächlich eher selten unter uns Jungen. Ich hatte damals bei MTV die Leute in ihren Videos tanzen sehen. Und das fand ich schon irgendwie krass. Später sah ich Jabbawockeez im Fernsehen. Das ist so eine amerikanische Hip-Hop-Crew, die damals zu den besten in den USA zählte. Ich erinnere mich, wie sehr mich deren Performance gepackt hat. Danach bin ich ins nächste Tanzstudio gegangen – und die hatten eben Breaking im Angebot. Ich weiß noch, wie sich die Fortgeschrittenen im Hintergrund aufgewärmt haben. Da waren Moves dabei, die ich unbedingt lernen wollte.
Damit waren die andere Sportarten raus?
Ich hatte vieles ausprobiert, Fußball und Basketball, was mir zunächst auch Spaß gemacht hat. Aber irgendwie waren die üblichen Sportarten sehr trocken, zu eintönig, zumindest für mich. Es waren immer die gleichen Bewegungen. Ich war auf der Suche nach etwas Anderem, etwas, das künstlerischer und freier ist. Wer beim Breaking die Basis-Moves draufhat, fängt irgendwann an, auch eigene Moves zu kreieren. Genau das hat mich damals überzeugt. Ich war in einem Alter, in dem man sich ja erstmal selbst und eine Möglichkeit sucht, sich auszudrücken. Dafür ist Breaking perfekt.
Im Breaking misst man sich in Battles. Hat Sie das auch von Anfang an interessiert?
Das kam später. Am Anfang sind andere Dinge wichtiger. Da geht es um Durchhaltevermögen, um die Basis-Moves zu lernen. Dann geht es darum, sich zu überwinden und Selbstbewusstsein zu entwickeln. Ich hatte erstmal Angst davor, anderen etwas vorzutanzen. Im Training wird ja immer ein Kreis gemacht, in den jeder mal reingeht und zeigt, was er gelernt hat. Natürlich nur, wenn er will. Ich habe bestimmt zwei Jahre gebraucht, um mich zu trauen.
Sie sind im vergangenen Jahr Deutscher Meister geworden. Ihr Ziel war es damals aber gar nicht, irgendwann mal bei Meisterschaften mitzumachen?
Nein, überhaupt nicht. Mein erstes Battle, glaube ich, habe ich nach drei Jahren gemacht. Und auch davor hatte ich Angst. Und dachte nur, warum habe ich mich überhaupt angemeldet? Aber irgendwann lernt man, mit dem Druck umzugehen. Ich sehe ein Battle als Challenge an mich selbst. Ich tanze nicht gegen jemanden, sondern für mich. Ich tanze nicht, um anderen zu zeigen, wie krass ich bin. Das macht keinen Spaß, darum geht es nicht. Es geht um Persönlichkeit und Kreativität.
Was hat sich für Sie und das Breaking verändert, als klar war, dass es 2024 olympisch, also stärker in eine Sportsystematik eingeordnet wird?
Es hat sich vieles verändert. Es gab vorher keine Verbandsstrukturen, zum Beispiel. Jetzt gibt es einen Landes- und Bundeskader, einen Bundestrainer. Es gibt Lehrgänge und Qualifikationen für verschiedene Meisterschaften. Und ich war da sehr offen für alle Veränderungen.
Sie haben in dieser Zeit sogar einen eigenen Verein gegründet.
Ja, ich habe gemeinsam mit meinem Kollegen Dennis Kolb hier in Köln den Verein „No limits“ gegründet. Wobei mein Kollege vor allem Hiphop betreut und ich das Breaking. Aber wir sind nicht nur auf Leistung aus, sondern auf Spaß und Persönlichkeitsentwicklung für Kinder und Jugendliche. Wir machen viele soziale Projekte, unterrichten zum Beispiel auch junge Menschen, die vielleicht kein Geld für teure Studios haben. Wir versuchen, möglichst vielen einen Zugang zum Tanzen zu ermöglichen. Dabei haben wir Nachwuchstalente entdeckt, die später mit uns zu den Wettkämpfen gefahren sind.
Der Tanzverein „No limits“ ist in Köln mit Kursen für Breakdance und Hiphop an vier Trainingsstandorten vertreten. Wer Lust hat, mitzumachen, kann sich einfach per E-Mail melden: info@nolimits-ev.de
Weitere Informationen unter: www.nolimits-ev.de
Aus Ihrem Verein kommen besonders viele Breaker, die es in den Landeskader geschafft haben. Was macht Ihren Verein so erfolgreich?
Wir hatten alle Lust, etwas zu schaffen und haben damals eng mit dem Landestrainer vom Tanzsportverband Nordrhein-Westfalen gearbeitet. Er hat mich zu diesem Zeitpunkt auch trainiert und uns Breaker bei den internationalen Qualifikationen für die Olympischen Spiele begleitet. In Japan, Brasilien, Korea, Frankreich, Spanien, überall waren wir. Unser Verein war auch der erste, der ein Ranking-Battle für den Deutschen Tanzsport-Verband ausgerichtet hat. Über diese Ranking-Battles kann man sich für den Bundeskader qualifizieren.
Sie selbst haben sich trotz aller Bemühungen nicht für Paris qualifizieren können. Woran hat es gelegen?
Ich bin auf Platz 45 in der Weltrangliste gelandet und damit der höchst platzierte deutsche Breaker. Aber wir konnten uns nicht für die letzte Qualifikationsveranstaltung in Budapest qualifizieren. Deutschland ist überhaupt nicht dabei. Und ich glaube, dass es an den Strukturen lag.
Was meinen Sie damit?
Finanziell war alles super, wir haben so viel Unterstützung bekommen wie kaum ein anderes Land. Aber es gab interne Auseinandersetzungen und irgendwie hatten wir den Eindruck, dass wir nicht richtig auf das neue Bewertungssystem vorbereitet worden sind.
Wie hat sich die Bewertung denn verändert?
Die Jury in der Szene bestimmt normalerweise nach einem Battle den Gewinner nach ganz eigenen Kriterien. Das ist sehr subjektiv. Wer Fragen hat, kann die Jury danach einfach ansprechen. Das olympische Bewertungssystem ist normierter, was Ausführung, Originalität und so weiter betrifft. Am Anfang haben noch viele Breaker versucht, mit ihrem eigenen Stil und ihren eigenen Bewegungen durchzukommen. Aber mit der Zeit haben sich eben die durchgesetzt, die sich systematisch auf die neuen Kriterien vorbereitet hatten. Diejenigen, die ganz kreativ ihre Stärken austanzen, sind bei dieser Art von Wettbewerb im Nachteil. Das heißt, dass ein Olympiasieger nicht unbedingt in einem Szene-Battle gewinnen würde. Das Bewertungssystem ist auch von vielen kritisiert worden.
Das heißt, Olympia hat dem Breaking am Ende nicht wirklich gutgetan?
Das würde ich nicht sagen, nein. Das, was wir jetzt bei Olympia sehen werden, ist wirklich hochklassig. Und ich freue mich auch schon darauf. Olympia hat außerdem der Szene viel Aufmerksamkeit beschert, viel Unterstützung und Zulauf. Und trotzdem würde auch ich ganz offen sagen, dass die Kreativität und die individuelle Stilistik unter den Olympischen Wettkampfkriterien etwas leidet.
Sind Sie sehr enttäuscht, nicht in Paris dabei zu sein?
Nein, ich bin noch sehr jung und freue mich auf alles, was da so noch auf mich zukommt. Und Olympia ist für uns Breaker nicht das Höchste.Ich habe mich auch aus dem Bundeskader verabschiedet. Vielleicht werde ich irgendwann mal wieder dabei sein, wenn sich das System im Sinne der ursprünglichen Breaking-Kultur weiterentwickelt hat. Wie gesagt, ich bin da offen. Aber jetzt freue ich mich, bei der nächsten Großveranstaltung dabei sein zu können, die nichts mit Olympia zu tun hat.
Das wäre?
Die Silverback Open Championships in den USA.
Wie sind da Ihre Chancen?
Gut. Da kann jeder einfach so mitmachen.
Breaking bei Olympia
Die Breaking-Battles finden am 9. und 10. August statt. An dem Wettbewerb nehmen 16 B-Boys und 16 B-Girls teil. Aus Deutschland sind keine Sportlerinnen oder Sportler dabei. Die in Köln aufgewachsene Jilou Rasul hat die Qualifikation knapp verpasst.
In einem Battle treten jeweils zwei Teilnehmende gegeneinander an. Ein Breaker bzw. eine Breakerin beginnt den Kampf und tritt bis zu eine Minute lang auf. Dann antwortet der andere Breaker bzw. die andere Breakerin mit einer einminütigen Darbietung. Der Vorgang wird dreimal wiederholt. Die Athletinnen und Athleten werden nach fünf Kriterien bewertet: Technik, Vokabular, Ausführung, Musikalität und Originalität. Die Jury vergibt keine Punkte, sondern verwendet einen digitalen Schieberegler, der in Richtung desjenigen gleitet, der in der jeweiligen Kategorie gewinnt. Alle Kategorien sind gleichwertig. Die Musik wird durch einen DJ vorgegeben.