Gedenk-Ort für SternenkinderIm Kölner Norden gibt es ein besonderes Gräberfeld
Roggendorf/Thenhoven – Seit 2017 steht auf dem kleinen Friedhof am Worringer Bruch in der Heinrich-Latz-Straße ein Gräberfeld für „Sternenkinder“ bereit – Kinder, die bereits vor, während oder kurz nach der Geburt verstarben und somit nie das Licht der Welt erblickt haben. Umgeben ist die Begräbnisstätte von rostroten Stahlwänden, in denen bunte Kunststoffsterne eingefasst sind. „Das kommt besonders gut im Sommer zur Geltung, wenn gegen Abend das Sonnenlicht durch die Sterne fällt“, weiß Marita Heider, auf deren Initiative hin das Feld entstand. Inzwischen sind bereits eine ganze Reihe kleiner Gräber hinzugekommen, jedes davon Teil einer Geschichte – eine davon ist die von Anna und Daniel M., 30 und 34 Jahre alt. (Namen geändert).
Drei Fehlgeburten insgesamt
Das Paar ist leidgeprüft, denn ihre Tochter, die sie hier 2020 begruben, ist bereits ihr drittes Sternenkind. Eine erste Fehlgeburt erlitt Anna M. vor acht Jahren. „Damals hätten wir die Möglichkeit gehabt es in einer Massenbegräbnisstelle auf Melaten beisetzen zu lassen, aber wir waren beide überfordert von der Situation und fühlten uns dafür nicht bereit“, sagt sie. 2015 verlor sie ein weiteres Kind, dieses Mal in einem sehr frühen Stadium der Schwangerschaft, „für uns war es allerdings schon ein Kind“, sagen sie.
Schicksalsschlag mitten im Lockdown
Das dritte Mal traf sie der Schicksalsschlag besonders hart, denn er fiel genau in die Hochphase des ersten Corona-Lockdowns. „In den zwei Tagen, die ich auf der Intensivstation lag, konnte ich nur per Handy kommunizieren. Das fühlte sich wie hochgradige Isolation an, in so einer Situation braucht man mindestens den Partner an seiner Seite.“ Die Einsamkeit setzte M. so zu, dass sie sich gegen den Rat der Ärzte selbst entließ. Von der Sternenkinder-Begräbnisstätte am Worringer Bruch hatte das Paar bei seiner Eröffnung 2017 erfahren, da sie ihre drei lebenden Söhne in der Gemeinde St. Baptist hatten taufen lassen. „Wir haben deswegen schnell entschieden, dieses Mal den Weg zu gehen es zu beerdigen, auch um der anderen beiden mit zu gedenken, die nicht hier liegen.“
Seit 2013 sind Bestattungen von Sternenkindern erlaubt
Bestattungen tot geborener Kinder in dieser Form sind seit 2013 möglich: In diesem Jahr wurde das Personenstandsrecht dahingehend geändert, dass auch Kinder unter 500 Gramm Gewicht als Person anerkannt wurden und somit eine reguläre Bestattung ermöglicht wurde, weiß Marita Heider. „Ich habe das Thema damals für unsere Pfarrzeitschrift aufgegriffen und etwa ein Interview mit einer Hebamme gemacht“, erinnert sie sich. „Auch deswegen, weil mir 30 Jahre zuvor das gleiche widerfahren war. Da ich aber anschließend zwei gesunde Töchter bekam, hatte ich es jahrelang verdrängt. Erst 2013 tröpfelte es mir wieder ins Gedächtnis, denn so eine Möglichkeit hätte ich mir damals auch gewünscht.“
Hilfe und Beistand aus der Gemeinde
Allmählich reifte dann die Idee einer Begräbnisstätte für Sternenkinder auf dem Roggendorfer Friedhof. Die Gemeinde überzeugte sie mit einem Konzept, eine Künstlerin aus Worringen sorgte für den Entwurf.
Anna und Daniel M. besuchen das Grab ihrer Tochter bis heute regelmäßig. „Es ist auf jeden Fall ein wichtiger Ort für uns“, sagt Daniel M. „Eine Anlaufstelle, wo wir uns hinsetzen und zur Ruhe kommen, nachdenken und auch mit ihr sprechen können.“ Beide sind dankbar für die persönliche Unterstützung, die sie von Heider oder auch dem Diakon der Gemeinde erhalten haben. „Sie haben uns in der schweren Zeit sehr geholfen, mit guten nützlichen Ratschlägen.“ Zu beiden sei darüber eine Freundschaft entstanden, sagen sie. „Hilfe ist einfach sehr wichtig in dieser Zeit“, weiß Heider aus eigener Erfahrung. Umso mehr, da Außenstehende oftmals wenig Verständnis für ihre Art der Trauerbewältigung zeigen würden. „Und zwar zum weit überwiegenden Teil, selbst innerhalb der Familie“, sagt Anna. „Sie sagen, warum vergrabt ihr euch so darin? Es hatte doch noch gar nicht gelebt.“
Andacht in St. Baptist zum Gedenken an Sternenkinder
Selbst viele Hebammen können nicht gut damit umgehen“, so Heiders Erfahrung. „Es ist eben immer noch ein Tabuthema, was ich sehr traurig finde, denn es betrifft viel mehr Elternpaare, als bekannt ist.“
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Auch deswegen organisiert sie einmal im Jahr eine Andacht in St. Baptist für betroffene Eltern, mit einem anschließenden Besuch des Sternenkinder-Gräberfelds. In diesem Jahr nahmen auch Anna und Daniel M. zum ersten Mal daran teil. „Das hat uns sehr aufgefangen“, berichtet Daniel. „Es war eine sehr offene Runde, in der man sich austauschen konnte und die Trauer gemeinsam wirklich zulassen konnte. Vorher haben wir uns durchaus verlassen gefühlt, so als wären wir allein damit, aber in der Runde der anderen Betroffenen haben wir uns verstanden gefühlt und gemerkt, nein, wir sind nicht allein. Das ist eine Erfahrung, die zusammenschweißt.“
Anna ist daher froh, dass das Thema auch in der Öffentlichkeit inzwischen mehr wahrgenommen wird. „Auf Instagram etwa haben sich in letzter Zeit prominente Frauen dazu bekannt, Fehlgeburten erlitten zu haben“, sagt sie. Auch Heider hofft, dass sich diese Entwicklung verstärkt, und mehr Betroffenen hilft, über ihre Erfahrungen zu sprechen: „Denn wenn man sich nur zu Hause verkriecht, bleibt man auch allein, aber wenn man sich öffnet, kommen einem die Herzen entgegen.“