Samstag in KölnWie die Androhung einer Ausgangssperre bei Kölnern gewirkt hat
Köln – Schon früh am Samstagmorgen bilden sich Schlangen vor der Bäckerei in Weiß oder den Super- und Drogeriemärkten in Rodenkirchen. Aber Warteschlangen sehen anders aus in diesen Tagen: Wo die Menschen sonst dicht an dicht stehen, damit sich nur ja keiner vordrängt, wird jetzt ganz diszipliniert Abstand gehalten. Viele tragen Schutzmasken.
Doch der frühe Spuk ist schnell vorbei. Im Laufe des Vormittags verteilen sich die Einkäufer, die meist Einzeln oder paarweise unterwegs sind. Genau wie die Jogger und Radfahrer, die das schöne Wetter ausnutzen, obwohl ein kalter Wind weht. Die Androhung einer kompletten Ausgangssperre hat offensichtlich gewirkt: es wird im Veedel eingekauft, ansonsten bleiben die Bürger zu Hause.
Mehr Lastkähne auf dem Rhein als Autos auf der Rheinuferstraße
„Wir sind stärker als das Virus“ steht auf einer elektronischen Großwerbetafel am Rheinufer, auf der ein Küchenmöbelhaus sich wünscht, man solle „zu Hause bleiben und was Schönes kochen“. Es sind gefühlt mehr Lastkähne auf dem Rhein unterwegs als Autos auf der Rheinuferstraße.
Menschenleer ist der Platz vor dem Schokomuseum – die Goldhasen, die eigentlich Ostervorfreude wecken sollen, wirken, als müssten sie hier bis Weihnachten in Quarantäne stehen. Auch am Breslauer Platz sind deutlich mehr Tauben als Passanten unterwegs, ein Obdachloser schält sich aus seinem Schlafsack.
Das traurige Gesicht der Krise
Samstagvormittag, Haupteinkaufszeit, und auf der Neusser Straße ist es leer wie an einem verregneten Sonntagnachmittag. Zahlreiche Parkplätze sind frei, das hat man in vierzig Jahren noch nicht erlebt. Nur vor den Drogeriemärkten auch hier Schlangen. Einige Betreiber von Cafés, in denen sonst um diese Zeit die Menschen dicht gedrängt ihren Chai-Latte oder eine Rhabarber-Schorle schlürfen, haben die Türen auf. Sie versuchen so, zumindest den einen oder anderen Coffee to go an die Nippeser zu bringen. Der Golde Kappes hat die Jalousien ganz unten. Hier zeigt die Krise ihr trauriges Gesicht.
Das Taj Mahal von Nippes liegt in der Sonne, der Markt auf dem Wilhelmplatz ist luftig gebaut, nur Lebensmittelstände sind derzeit zugelassen. Statt „Tomaten nur ein Euro“ brüllt Gemüsehändler Atik Mus heute „Abstand halten!“ oder „Keine Selbstbedienung!“ Bürgermeisterin Elfi Scho-Antwerpes(SPD) ist begeistert von dem Marktverkäufer und findet, die Disziplin der Menschen sei deutlich besser als noch am Freitag: „Da hat sich was verändert.“
Hinweise in mehreren Sprachen
Sie ist zusammen mit dem türkischstämmigen Ratsherrn Malik Karaman unterwegs. Hinter ihren Schutzmasken sind sie kaum zu erkennen, sie verteilen mit Handschuhen Flugblätter in mehreren Sprachen, die Hinweise zum Schutz vor Corona geben. Besonders an die Perser würde man sonst sehr schwer rankommen, weiß Karaman. Auch die „arabische Jugend“ sei schwer erreichbar, deswegen wollen die beiden noch die Barbershops abklappern. Aber auch dort ist kaum jemand heute.
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High Noon auf dem Wallraffplatz. Der Platz, an dem sonst die samstägliche Shopping-Karawane gen Hohe Straße und Schildergasse zieht, liegt wie ausgestorben in der Mittagssonne. Und im Dom, in den man ja gerade nur zum Beten darf, scheint die Zeit dann endgültig zu stehen: Die bunten Lichtflecken des Richterfensters fallen gerade mal auf fünf Besucher, die gewaltige Architektur der Kathedrale reißt einen aus Alltagsgedanken und Sorgen.
Es ist so still, dass man das Blut in den Ohren rauschen hört. „Allmächtiger Gott, steh allen bei, die von dieser Krise betroffen sind“ steht auf einem Gebetszettel, die Weihwasserbecken sind aus hygienischen Gründen leer. Vor der Schmuckmadonna brennen gerade einmal 16 Kerzen.
Kaum zu glauben, dass Karneval kaum vier Wochen her ist
Nicht viel mehr als ein Dutzend Menschen ist auch auf dem Bahnhofsvorplatz unterwegs. Ein Lieferwagen von Flaschenpost.de fährt vorbei. Foto-Lambertin wirbt mit „3333 Bilder vom Rosenmontagszug“ im Schaufenster, zehntausende Jecke bevölkerten auf diesen Fotos die Stadt – kaum zu glauben, dass Karneval noch keine vier Wochen her ist. Ob Altstadt, Rheingarten, Rheinpark oder Volksgarten, die Bilder ähneln sich auch am Nachmittag. Unter normalen Umständen würde jetzt der FC gegen Düsseldorf spielen, die Stadt würde brummen. Aber so gehen nur Wenige raus, allein, zu zweit, als Familie.
In Godorf im Gewerbegebiet, zwischen Ikea, Jackelino und Karnevals-Deiters, die alle zu haben, ist nur der Parkplatz des Baumarktes voll. Das ist auch in anderen Ecken der Stadt so, in Ehrenfeld gibt es lange Schlangen genau wie vor den Wertstoff-Centern der AWB. Unzählige Heimwerker räumen erst auf, und decken sich dann ein für Alles, was sie schon immer erledigen wollten. Zeit genug ist ja zu Hause, wenn überall sonst die Zeit fast steht.
Messen per Fernsehübertragung
Stillstand auch bei der Kirche: Es ist verboten, öffentliche Gottesdienste zu zelebrieren. Das hat es selbst in Kriegszeiten nie gegeben. Wer es gewohnt ist, sonntags eine Messe zu besuchen, muss sich jetzt mit Fernsehübertragungen begnügen. Deshalb feiert Kardinal Woelki am Sonntag um zehn an einem Seitenaltar des Doms einen Gottesdienst vor laufenden Kameras.
Man sehe sich „vor allem aus Nächstenliebe“ zu diesem Schritt gezwungen, wie der Kardinal in seiner Sonntagsbotschaft formuliert. „Wer einen live gefeierten Gottesdienst über die Medien mitverfolgt, kann das, was vor Ort gefeiert wird, auch innerlich mitvollziehen. Man ist anwesend, ohne in der Feiergemeinde zu stehen.“