In der Cum-Ex-Affäre gibt es nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Differenzen mit dem Justizministerium – alle Hintergründe.
Cum-Ex-AffäreChef der Kölner Staatsanwaltschaft erklärt überraschend Rücktritt
Der Paukenschlag erreichte die größte Justizbehörde in NRW am Dienstag gegen 14.30 Uhr. In einer kurzen Mail erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Joachim Roth seinen Rücktritt. Nach reiflicher Überlegung habe er sich dazu entschieden mit 63 Jahren zu gehen. Zum 31. Juli werde er ausscheiden. Den Kollegen und Kolleginnen wünschte der Chefankläger nur das Beste.
Ein einmaliger Vorgang. Noch nie hat ein Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft per Mail seinen Abgang verkündet.
Cum-Ex-Affäre: Leitender Kölner Staatsanwalt tritt nach Streit mit Justizministerium zurück
Es hat den Anschein, als markiere die dürre Mitteilung den Endpunkt der Auseinandersetzungen mit dem Justizministerium in Düsseldorf. Im Kern, so ist zu hören, soll die Cum-Ex-Affäre um den größten Steuerraub in Deutschland eine Rolle spielen. Mittels Finanzkarussellen rund um Aktiengeschäfte hatten Dutzende Banken, Investoren, Broker, Anwälte und Steuerberater gleich zwei Mal beim Fiskus Abgaben eingestrichen.
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Schätzungen gehen von mindestens zwölf Milliarden Euro aus, die illegal in die Taschen geflossen sein sollen. Die Cum-Ex-Abteilung im Kölner Justizzentrum unter Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker gilt bundesweit als Hochburg im Kampf gegen die Steuerabzocker. Gut 1000 Beschuldigte, mehr als 40 Banken und weitere Firmen stehen auf der Liste der Strafverfolger.
Darunter auch der Fall der Hamburger Warburg Bank. Als die Banker zweistellige Millionenbeträge 2016/17 nachzahlen sollten, wandten sie sich laut der Tagebücher des Warburg-Eigentümers Christian Olearius hilfesuchend an Hamburger Politiker. Seitdem steht die Frage im Raum, ob es im Fall Warburg eine politische Einflussnahme gab.
Cum-Ex-Ermittlungen: Olaf Scholz steht nicht auf der Liste der Beschuldigten
Um der Sache auf den Grund zu gehen, ließ die Kölner Oberstaatsanwältin Brorhilker gegen den Widerstand der Behördenleitung bei mutmaßlichen Strippenziehern aus der Hamburger SPD und der Steuerbehörde durchsuchen. Der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD, der bei seinen Aussagen in den Untersuchungsausschüssen stets beteuert hatte, nicht in den Steuererlass zu Gunsten der Warburg Bank involviert gewesen zu sein, steht nicht auf der Beschuldigtenliste.
Inzwischen durchleuchtet ein Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft die Affäre. Seit Monaten fordern die Politiker bei NRW-Justizminister Benjamin Limbach (Grüne) die Kölner Ermittlungsakte an. Inzwischen drohen die Parlamentarier aus Hamburg zu klagen, um die Herausgabe der Unterlagen zu erreichen.
Entsprechend unter Druck geraten, forderte der Grünen-Justizminister die Kölner Staatsanwaltschaft auf, die Cum-Ex-Akten zu liefern. Hier aber taten sich rechtliche Schranken auf. Dabei geht es um die Weiterleitung der Unterlagen zu einem weiteren Fall: der HSH Nordbank. Auch dieses Geldinstitut ist in den Cum-Ex-Skandal verwickelt. Auch zu dieser Causa wollten der Hamburger Untersuchungsausschuss alles wissen.
Kölner Cum-Ex-Abteilung musste an das Düsseldorfer Ministerium berichten
Die Kölner Cum-Ex-Abteilung musste an das Ministerium berichten, dass man die beschlagnahmten, riesigen Aktenkonvolute der HSH-Nordbank beileibe noch nicht auf ihren Beweiswert durchgesehen habe. Folglich dürfe man das Material nach höchster richterlicher Rechtsprechung nicht herausgeben. Das Justizministerium sah dies anders und verlangte, dass die Kölner Strafverfolger sich fügten. Zudem kritisierte Düsseldorf die Verzögerungen und bat erneut um einen Bericht, warum die Nordbank-Daten noch nicht alle durchleuchtet worden seien.
Am Dienstag dann erschien ein Emissär aus dem Justizministerium, um sich die gewünschten Konvolute teils geschwärzt aushändigen zu lassen. Bei der Staatsanwaltschaft wertete man den Vorgang als einen Affront sondergleichen. Wie das Handelsblatt berichtete, soll sich am Mittwoch eine hochrangige Delegation nach Hamburg aufmachen, um dort Unterlagen aus den Kölner Nachforschungen zu übergeben.
Am Ende bleibt ein Scherbenhaufen im Kölner Justizzentraum. Seit längerer Zeit herrscht dem Vernehmen nach ein enormer Unmut über die ungerechte Personalverteilung bei der Staatsanwaltschaft. Der ehemalige CDU-Justizminister Peter Biesenbach hatte in seiner Amtszeit eine Personaloffensive gestartet. In Köln wurde Dutzende Staatsanwälte in die Cum-Ex-Abteilung und die Cyber-Sparte namens ZAC beordert. Der Rest, obschon ebenfalls dünn besetzt, blieb größtenteils außen vor.
Biesenbach pflegte seine Vorzeigeprojekte. Die Cum-Ex-Chefin machte er entgegen der berufsinternen Regeln zur Hauptabteilungsleiterin, und die ZAC schuf er zur Behörde innerhalb der Behörde mit einem Leitenden Oberstaatsanwalt an der Spitze. Fähig zwar, so heißt es intern, aber auch ein Mann mit vielen Ideen, der an das Ministerium neue Projekte etwa mit KI angepriesen haben soll, die dann sein Kollege Joachim Roth als Behördenchef wieder einfangen musste.
Da half es wenig, als sein ehemaliger Förderer Biesenbach dem Leitenden Oberstaatsanwalt in Köln mittels Dienstaufsichtsbeschwerde unterstellte, die Arbeit seiner neu geschaffenen Abteilungen zu torpedieren. Wie zu erfahren war, wird die Generalstaatsanwaltschaft besagte Beschwerde zurückweisen.