Urlaub in der eigenen Stadt ist in diesem Jahr besonders gefragt. Wir stellen während der Sommerferien Kölner Veedel vor. Auch solche, in denen man vielleicht noch nie war.
Wir verraten, was besonders sehenswert ist und warum es sich lohnt, auch mal neue Ecken der Stadt zu entdecken. Ganz subjektiv und ohne Anspruch auf Vollständigkeit.
Diesmal geht es nach Vogelsang, wo sich das Leben noch rund um den Marktplatz abspielt, aber sich in der Nachbarschaft einiges tut.
Köln – Eingezwängt zwischen tosenden Ausfallstraßen, Bahntrassen und Gewerbegebieten liegt ein Dorf. Mit einem Marktplatz, der so ist, wie man ihn aus alten Filmen zu kennen meint. Rundherum reiht sich alles, was man dringend braucht, mehr aber auch nicht: eine Kirche, eine Bücherei, ein kleiner Supermarkt „Nah + Frisch“, eine Bäckerei-Filiale, eine Schule, ein Büdchen, und eine Kneipe mit dem wunderbaren Namen „Zwitscherhäuschen“.
Als Verbindung zur Außenwelt gibt es eine Bushaltestelle. Es sitzen immer Leute dort auf den Bänken und warten. Die elektronische Leuchtanzeige der KVB wirkt fast deplaziert modern.
Keine Parkgebühren
Vogelsang ist wie ein Relikt aus anderen Zeiten. Wenn man mit dem Auto kommt, fällt sofort auf: Hier kann man einfach parken, es gibt keine Automaten. Wahrscheinlich, weil hier selten Fremde herkommen. Hier in der Siedlung ist man eher unter sich.
Dabei lässt sich in Vogelsang viel Stadt- und Architekturgeschichte ablesen. Der Ortsteil wurde auf dem Reißbrett entworfen und 1931 als Stadtrand- und Erwerbslosensiedlung gegründet – eine Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise und die hohe Arbeitslosigkeit.
Es entstanden kleine Häuschen mit großen Gärten, in denen Familien, die nicht viel Geld hatten, Obst und Gemüse anbauen und Kleintiere züchten konnten, um sich selbst zu versorgen.
Noch heute ist die Struktur in einigen Straßen, die alle nach Vogelarten wie Rotkehlchen, Gelbspötter oder Silbermöwe benannt sind, erkennen. In der Zeit des Nationalsozialismus kamen einige Mietshäuser dazu. Und ab den 1960er Jahren wurden auch größere Einfamilienhäuser gebaut.
Kuriose Konstruktionen
Schon bald war die Armensiedlung als solche nicht mehr erkennbar und die Häuschen wurden von den äußerst standorttreuen Mieter aus- und umgebaut. Manchmal entstanden dadurch kuriose Konstruktionen von unterschiedlich gestalteten Doppelhaushälften. Die waren einem Fotokünstler sogar einmal eine Internetgalerie wert.
Heute wohnen gut 8000 Menschen in Vogelsang. Das Leben ist ruhig und beschaulich. Nur vergangenes Jahr, da geriet der Ortsteil in die lokalen Schlagzeilen. Das Büdchen am Markt sollte geschlossen werden. Der Pächter wollte nicht mehr, außerdem fehlte dem Gebäude ein Kanalanschluss.
Protest wegen Büdchen
Auf dem Markt versammelt sich eine große Menschenmenge, die dagegen protestierte, dass einer der wichtigsten Anlaufpunkte verschwinden sollte. Doch die Institution wurde gerettet. Und nach wie vor treffen sich hier die Anwohner und bleiben auch schonmal eine Weile bei einem Getränk am Stehtisch zusammen.
Ansonsten ist das Highlight des Jahres das Kappesrollen um den Markt im September. Das musste wie vieles in diesem Jahr abgesagt werden. 2019 hatte man Jubiläum gefeiert, zum 70. Mal ging es rund – ausnahmsweise sogar zwei Tage. Strecken- und Zielrichter wachen darüber, dass die Regeln eingehalten werden.
Denn der Kohlkopf – der in den Gärten früher gut gedieh – darf ausschließlich gerollt werden. Verstöße wie Werfen und Treten, Wegnehmen oder Wegtreten des Kappes führen zu Strafpunkten. In den ersten Jahren waren übrigens nur Frauen über 30 als Teilnehmer zu dem Rennen zugelassen. Auch eine Siedlerkönigin wird jedes Jahr gewählt.
Doch Vogelsang hat noch andere Seiten. Zum Ortsteil gehört auch der er schöne Westfriedhof mit seinem großzügigen Parkcharakter. Er wurde 1917 eröffnet und ist auf jeden Fall einen Besuch wert.
Kaffee statt Kiesgrube
Das Dorf in der Großstadt hat seit einigen Jahren auch noch ganz andere Nachbarn. Auf dem Wassermann-Gelände, wo es einst eine Kies- und Sandgrube gab, ist ein großes Gewerbegebiet entstanden. Hier produziert unter anderem die Kultmarke Heilandt-Kaffee und man kann auch kosten.
Und seit einigen Jahren bietet die Halle Tor 2 eine große Veranstaltungshalle, Biergarten und Café. Wegen der Corona-Pandemie kam nun auch noch ein Pop-Up-Autokino dazu. Viele jüngere Kölner, die in den frühen Morgenstunden zu den Partys in die Halle kommen, kennen das Gelände nur im Dunkeln. Und in den stillen Sträßchen von Vogelsang selbst war bisher wohl kaum jemand von ihnen.