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Probleme auf der Deutzer Kirmes„Für eine Weltstadt wie Köln ist 21 Uhr ein Witz!“

Lesezeit 6 Minuten
Jenny Weber Kirmes

Jenny Weber betreibt die Autoscooter auf der Deutzer Kirmes.

  1. Auf der Deutzer Kirmes betreibt Jenny Weber die Autoscooter. Nach Tumulten am vergangenen Mittwoch muss sie wie alle Schausteller schon um 21 Uhr schließen, eine Stunde früher als üblich.
  2. Damit verliert sie die Stunde mit dem meisten Umsatz, beklagt Weber im Interview.

KölnFrau Weber, Sie müssen jetzt schon um 21 Uhr schließen, eine Stunde früher als geplant. Rechnet sich das überhaupt noch für Sie?

Es ist schwierig. Über zehn Tage zusammengerechnet sind das schon anderthalb komplette Spieltage, die uns fehlen. Die letzte Stunde ist für uns aber immer die wichtigste Stunde gewesen, die ein Drittel des gesamten Tagesumsatzes ausmacht. Also sind es von den Einnahmen her fünf bis sechs gute Spieltage, die uns entgehen. Menschen, die lange arbeiten, kommen jetzt abends gar nicht mehr, wenn hier so früh Schluss ist. Auch für uns ist ja alles teurer geworden. Wir bezahlen schon zehn Prozent mehr Standmiete, wir bezahlen mehr für Mülltonnen und Pissoirs als früher, mussten Parkausweise drucken, dazu kommen stark gestiegene Kosten für Strom und Benzin. Früher haben wir 500 bis 600 Euro an Spritkosten für den Transport unserer Maschinen von Weiß nach Deutz bezahlt, das hat sich jetzt verdoppelt. Und jetzt nimmt man uns auch noch eine Stunde weg, statt uns mal – zumindest am Wochenende – eine Stunde mehr zu geben. Das wird dann schon eng.

Nieten vor Losstand

Nieten vor einem Losstand

Wie viel Geld fehlt Ihnen am Ende durch die tägliche Stunde weniger?

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Das ist mit Sicherheit ein Drittel des gesamten Tagesumsatzes. Nach zwei Wochen ist das für manche Schausteller richtig viel, da reden wir über den Wert eines Mittelklassewagens, für uns ist es vielleicht ein guter, gebrauchter Smart. Aber der fehlt ja trotzdem, vor allem nachdem wir zwei Jahre lang wegen Corona so gut wie gar keine Umsätze hatten. Und jetzt, da alles wieder losgeht und wir merken, wie sehr uns die Leute vermisst haben, ist das schon bitter.

Können Sie denn nachvollziehen, dass die Stadt den Schritt gegangen ist mit der früheren Sperrstunde?

Nicht wirklich. Es war ja nur an dem einen Tag so extrem voll. Danach hat unser Security-Team angefangen, diejenigen an den Eingängen auszusortieren, die nicht danach aussehen, dass sie eigentlich gar nicht auf die Kirmes gehen wollen, sondern Ärger suchen. Schon am Wochenende hatten wir überwiegend Familien hier. Das Gedränge und Geschubse gab es dann gar nicht mehr. Wir hatten es wieder im Griff. Also eigentlich wäre dieser Schritt gar nicht nötig gewesen. Für eine Weltstadt wie Köln ist 22 Uhr sowieso schon früh, 21 Uhr ist ein Witz!

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Sind Sie aus anderen Städten längere Öffnungszeiten gewohnt?

Definitiv. Ich mache eigentlich immer Scherze über Düsseldorf, aber ich muss sagen, dass Düsseldorf für uns Schausteller viel freundlicher ist. Die durften das Jahr über in der gesamten Innenstadt Stände und Karussells aufbauen. In Wesseling könnten wir bis zwei, drei Uhr nachts durchspielen, ohne dass irgendjemand was sagt. In Neuss geben die Leute ab 22 Uhr erst richtig Gas und da sind wir mitten in der Stadt. In Düren das gleiche. Überall dürfen wir länger öffnen als in Köln. Nirgends gibt es so strenge Regeln wie hier. Die Stadt sagt „spring“ und wir fragen jedes Mal „wie hoch denn?“ Wir sagen nie „nein“. Aber jetzt müssen sie uns auch mal was geben. Wissen Sie, ich lästere immer über Düsseldorf, aber die Kollegen dort haben mir jetzt gesagt „Es wird nicht mehr lange dauern, da geht im Düsseldorfer Karnevalszug ein Wagen mit, auf dem der Dom einen Düsseldorfer Arsch küsst.“ Und so wird es kommen. Wir in Köln sind immer die Gelackmeierten. Und jetzt müssen auch noch die finanziell schwachen Familien leiden, weil der zweite Familientag gestrichen wurde.

Könnten Sie denn ihren Stand auf einer Kirmes in einer anderen Stadt aufbauen?

Nein, da gibt es überall schon Autoscooter. Wir sind Kölner und wir gehören hierher. Aber wenn wir es uns nicht mehr leisten können, wird es in Köln eben keinen Autoscooter mehr geben.

Wäre das ein realistisches Szenario?

Wenn wir die letzte Stunde weiterhin verlieren, vielleicht. Aber wir hoffen, dass wir das schon hinbekommen und dass es nicht so weit kommt.

Wenn es nach einigen Anwohnern ginge, würden Sie gar nicht mehr auf der Deutzer Werft sein, sondern irgendwo anders in der Stadt. Können Sie sich das vorstellen?

Das wäre Quatsch. Wir sind hier zweimal im Jahr, dazu noch das Schützenfest. Das war’s. Wenn die Kirmes nicht hier ist, ist irgendwas anderes hier. Demos zum Beispiel. Und das wird den Anwohnern auch keinen Spaß machen. Was man hat, weiß man – was man bekommt, weiß man nicht. Ich wüsste auch gar nicht, wo wir hinsollten. Und wenn, dann würde da alles wieder von vorne anfangen. Erstmal ist alles erlaubt, und dann wird Stück für Stück alles verboten.

Kirmes abends

Blick auf die Besucher der Deutzer Kirmes am Freitagabend

Können Sie denn verstehen, wenn man Probleme hat mit Lärm, Parkplatzsuche und Wildpinklern vor der Tür?

Grundsätzlich schon. Man neigt dazu, nur diejenigen zu sehen, die kotzen und auf deutsch scheiße bauen. Aber der Lärm ist ja schon geringer als früher. Weil wir Gemeinschaftsmusik haben. Überall läuft das gleiche, sodass man sich nicht überbietet mit der Lautstärke. Wir sind ja schon leiser als ein normaler Kirmesplatz. Die Leute, die in die Eingänge kotzen und urinieren und sich an keine Regeln halten, laufen auch an anderen Tagen dort rum. Wir Schausteller machen aber jeden Morgen die Straße sauber und heben jeden Schnipsel auf. Wir machen Müll weg, der gar nicht von uns stammt.

Befeuert die Kirmes denn die Probleme?

Da, wo viele junge Leute bei gutem Wetter aufeinandertreffen, gibt es immer die Probleme. Das liegt ja nicht an der Kirmes selbst. Da kann auch die Polizei wenig tun. Wenn die Platzverweise ausspricht, sind die 5 Minuten später wieder da. Das ist ein gesellschaftliches Problem. Einige Menschen interessieren sich halt nicht mehr für ein respektvolles Miteinander. Hier steht ein Pissoir und daneben eine Mülltonne. Und es gibt Menschen, die ihren Müll in das Pissoir werfen statt in die Mülltonne, weil ihnen das einfach komplett egal ist. Das fängt schon bei Kleinigkeiten an.

Wie ist die Lage in der Branche generell?

Wir sind alle am Ende oder kurz davor. Viele meiner Kollegen haben die Pandemie wirtschaftlich nicht überlebt. Die sind finanziell ruiniert. Denen hat das Arbeitsamt gesagt „verkauft doch eure Fahrgeschäfte und macht euch eine schöne Rente!“ Das ist für uns wie ein Genickbruch. Sehr schwer zu verkraften. Schausteller, die seit Jahrzehnten in dem Geschäft sind, geben nicht so einfach auf. Das ist unser Leben. Wir machen so lange, bis wir ins Gras beißen.