Köln – „Familientag“ werden die Mittwoche auf der Deutzer Kirmes genannt. Das soll nett klingen, fast heimelig, nach Ruhe und viel Spaß für Groß und Klein. Die Preise für Karussell, Riesenrad und die anderen Fahrgeschäfte sind stark reduziert, sodass der Besuch eben auch für Familien oder Gruppen von Jugendlichen erschwinglich wird. „Voll war es an den Familientagen schon immer, aber so etwas wie an diesem Mittwoch habe ich noch nie erlebt“, sagt Willi Krameyer von der Gesellschaft Kölner Schausteller. Was Krameyer an diesem Mittwochabend auf der Kirmes erlebte, war die komplette Überfüllung des Geländes, woraufhin die Schausteller die Reißleine zogen.
Wirklich familiär nämlich ging es am Mittwoch am Ende nicht mehr zu. Gegen Abend wurde es immer voller auf der Deutzer Werft, das wolkenlose Wetter hielt sich stabil bis in die Nacht. Mehrere Tausend Menschen sollen sich in der Spitze am Rhein zwischen Deutzer und Severinsbrücke bei den Buden und Attraktionen aufgehalten haben. Irgendwann drängte sich die Menschenmenge so dicht auf der Platzfläche, dass Krameyer zum Hörer griff und Polizei und Ordnungsamt anrief. Zusammen mit den beiden Behörden entschied sich die Kirmesleitung, gegen 21 Uhr zunächst die Leuchtschriften und Blinklichter an den Fahrgeschäften auszuschalten und die Musik leiser zu stellen. Zu groß wäre das Risiko einer Massenpanik gewesen, wenn es noch enger geworden wäre.
Platz nach 30 Minuten geräumt
Daher wurden die Notausgänge an der Deutzer Brücke geöffnet, um gezielt Menschen abzuleiten, weitere Besucher wurden nicht auf das Gelände gelassen. „Innerhalb von einer halben Stunde war der Kirmesplatz leer“, berichtet Krameyer. Gegen 21.30 Uhr schlossen alle Fahrgeschäfte, der Familientag auf dem Rummel war vorbei – eine halbe Stunde eher als üblich. „An diesem Tag ist wirklich alles zusammengekommen“, sagt Krameyer. Das tolle Wetter, die Osterferien, die lange Corona-Pause und dann auch noch die vergünstigten Tickets.
Dass an diesem Abend die Deutzer Werft komplett geräumt wurde, ist Teil des Sicherheitskonzeptes, das die Kirmes-Betreiber bei der Anmeldung mit der Stadt besprechen. Für Szenarien wie Überfüllung, Rettungseinsätze oder wie auch immer geartete Angriffe auf die Kirmes müssen Pläne vorgehalten werden – die in diesem Fall gegriffen haben. Die Menschenmenge verließ im Zuge der Räumung das Gelände unter der Deutzer Brücke hindurch in Richtung Rheinboulevard, wo einige Personen kurz darauf aber womöglich ihren Frust herausließen.
Polizistin verletzt
Mehrere meist junge Menschen – unklar ist, ob sie tatsächlich zuvor auf der Kirmes waren – lieferten sich zunächst untereinander Handgreiflichkeiten, kurze Zeit spätergriffen sie auch Einsatzkräfte der Polizei an. „Die Grundstimmung war aufgeheizt und aggressiv“, sagte ein Polizeisprecher. Aus Schubsereien und Rangeleien wurden demnach gezielte Faustschläge gegen die Beamten, die gegen zwei 23 und 28 Jahre alten Männern Platzverweise aussprachen, nachdem diese immer wieder Streit gesucht hätten.
Beide Männer hätten sich gegen die Maßnahme gewehrt und eine 26-jährige Polizistin einer Streifenwagenbesatzung verletzt. Die Einsatzkräfte setzten Pfefferspray ein, forderten Verstärkung an und nahmen die Männer schließlich in Gewahrsam. Diese müssen sich jetzt wegen Widerstands und eines tätlichen Angriffs auf Vollstreckungsbeamte verantworten. Etwa 200 weitere Personen sollen sich mit den Festgenommenen solidarisiert haben. Am Ende waren etwa 70 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz. Der 23-Jährige wurde durch das Pfefferspray leicht verletzt.
Zweiter Familientag gestrichen
Solche Szenen machen Krameyer fassungslos, er sagt aber klar: „Die Kirmes ist nicht der Auslöser für solche Taten. Die Leute hätten sich vielleicht sowieso am Rheinboulevard aufgehalten und wären aggressiv geworden. Ein paar Idioten hat man immer.“ In den Jahren vor Corona habe sich das immer als schwierig verschriene Publikum auf der Deuter Kirmes etwas gebessert. „Bis zum Mittwoch hatten wir die Lage eigentlich im Griff“, sagt Krameyer.
Als Reaktion stockt sowohl die Polizei als auch das private Sicherheitsunternehmen der Kirmesbetreiber ihr Personal auf und neben dem Gelände auf. „In der zweiten Woche ist es aber eh meistens leerer als in der ersten. Deshalb gehe ich auch davon aus, dass so etwas nicht nochmal passieren wird.“ Den für kommenden Mittwoch geplanten zweiten Familientag haben die Betreiber aber sicherheitshalber abgesagt. „Um Druck aus der Sache zu bekommen“, sagt Krameyer.