Barbara Schock-Werner ist der Pariser Kathedrale Notre-Dame verwiesen worden. Wie es dazu kam, erklärt die Kölner Dombaumeisterin a.D. hier.
Ex-DombaumeisterinBarbara Schock-Werner ist aus der Notre-Dame rausgeflogen

Führungen im Kölner Dom mit Barbara Schock-Werner sind ein Erlebnis - in Paris flog die Ex-Dombaumeisterin wegen einer verbotenen Führung aus der Kathedrale Notre-Dame.
Copyright: Foto: Martina Goyert
„Meinen jüngsten Paris-Besuch werde ich im Leben nicht vergessen. Ich hatte Mitgliedern des Zentral-Dombau-Vereins (ZDV) eine Führung in der frisch restaurierten Kathedrale Notre-Dame versprochen, zu deren Wiederaufbau der ZDV eine ordentliche Spendensumme beigesteuert hat. Unsere Tour in der vorigen Woche wollten wir aber auch für weitere Besichtigungen mittelalterlicher Bauwerke in der französischen Hauptstadt nutzen.
Seit die Schäden des verheerenden Brands von 2019 beseitigt und die Portale von Notre-Dame wieder geöffnet sind, herrscht dort wieder der alte Andrang. Aus Erfahrung weiß ich: Am großen Touristenstrom, der tagsüber bis zum Nachmittag immer weiter anschwillt, kommt man am besten vorbei, indem man zum Beten in die Kirche geht. Was nie verkehrt ist. Also bin ich mit meinen 25 ZDV-Mitgliedern am Montagmorgen um acht in Notre-Dame zur Messe gegangen. Danach waren alle angemessen erbaut, erhoben und bereit für den Kunstgenuss.
Wie man das heute so macht, wenn man mit einer größeren Zahl an Personen unterwegs ist, trug ich ein Funk-Mikro am Revers, alle anderen hatten einen Knopf im Ohr. Weil Gruppenführungen in Notre-Dame noch verboten sind – wie übrigens auch alle nicht lizenzierten Touren im Kölner Dom, verteilten wir uns direkt im Kirchenraum: Nicht auffallen, nicht um mich herumstehen, nicht zu mir hinschauen! Beim Herumgehen murmelte ich ganz leise in mein Mikro.
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„Führungen sind verboten! Hören Sie sofort auf damit!“
Gestört hat das niemanden, aber bemerkt wurde trotzdem. Ein Ordner kam auf mich zu, mit der klaren Ansage: ‚Les visites guidées sont interdites. Arrêtez tout de suite!‘ – ‚Führungen sind verboten! Hören Sie sofort auf damit!‘ – ‚Bien sûr! Selbstverständlich‘, versprach ich und stellte auch sofort meine Erklärungen ein. Aber da war es schon zu spät: Ein vierschrötiger Mann, Typ Security-Boss, kam hinzu, packte mich am Oberarm. ‚Vous êtes une guide touristique – sortez!‘, sagte er, schob mich in Richtung Ausgang und weiter bis in den Bereich außerhalb der Absperrungen.
Dort baute er sich vor mir, zückte sein Handy und machte doch glatt Fotos von mir. Das fand ich schon reichlich bizarr, ich kam mir fast vor wie bei einer polizeilichen Erfassung für die Verbrecher-Datei.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Zum Ende meines Besuchs ein paar Tage später wollte ich auch noch ein paar Freunden und Bekannten, die zeitgleich mit mir übers Wochenende in Paris waren, Notre-Dame nahebringen. Nicht drinnen, so etwas wie am Montag wollte ich nicht nochmal erleben. Wir standen also zu acht auf dem Platz vor der Kirche. Ich wurde meine Erklärungen los, danach sollten dann alle einzeln in die Kirche gehen.
Doch daraus wurde nichts. Jedenfalls nicht für mich. Schon unsere Minigruppe draußen muss den Offiziellen so hochgradig verdächtig gewesen sein, dass sie nach drinnen Meldung machten: Groupe allemand avec guide en approche! Deutsche Gruppe mit Führerin im Anmarsch! Wieder wurden Fotos gemacht. Und obwohl ich die Kirche allein betrat, diesmal ohne Mikroport unterwegs war und auch mit niemandem redete, wurde ich von drei Männern geschnappt und aus der Kirche eskortiert.
Aggressives Vorgehen völlig übertrieben
Ganz abgesehen davon, dass ich dieses aggressive Vorgehen für völlig übertrieben halte, ist es schon ein seltsames Gefühl, so in die Zange genommen zu werden und ausgerechnet aus der Kirche zu fliegen, für die ich mich – nach dem Kölner Dom – wohl am meisten engagiert habe. Auch wenn die Security-Leute das in dem Moment garantiert nicht wussten.
Bei denen stehe ich wahrscheinlich für den Rest meiner Tage auf einer schwarzen Liste mit Notre-Dame-Wüstlingen. Als Dombaumeisterin nach Paris gefahren, als Kirchenanarchistin zurückgekehrt. So schnell kann es gehen.“
Aufgezeichnet von Joachim Frank