30 Jahre Kölner Live Music Hall„Alle hielten Ehrenfeld damals für Punk-Dreck“
- Seit März ist die Live Music Hall geschlossen. Derzeit arbeiten die Betreiber an einem Hygienekonzept für den Herbst.
- Nirvana, Prince, Suzanne Vega, Silbermond: Die Liste der Stars, die hier gespielt haben, ist lang.
- Micki Pick und Georg Schmitz-Behrenz verraten, wie Ehrenfeld im Jahr 1990 war und welche Herausforderungen es auch schon vor Corona gab.
Köln – Die Patina aus Bierresten und Schweiß riecht wie eh und je. Auch nach einem halben Jahr zwangsfrei hat sie sich nicht von Boden und Wänden gelöst. Die Partys und Konzerte haben in den vergangenen 30 Jahren ihre deutlichen Geruchsspuren in der Live Music Hall hinterlassen.
Sie erzählen von durchzechten Nächten bei legendär gewordenen Partyreihen wie „Rockgarden“ oder „Poplife“. Von den Stars, die die LMH zum Teil als Sprungbrett nutzten und die Mengen zum Johlen brachten: Nirvana, Prince, Suzanne Vega oder Silbermond. Die Liste ist lang. „Wir können froh sein, dass wir 30 Jahre lang coronafrei waren“, sagt Micki Pick, der von Anfang an als Gesellschafter dabei war. Sein Partner Georg Schmitz-Behrenz stieß 1996 dazu. „Wir müssen in dieser Lage auch wieder das Positive sehen und unsere Einstellung ändern“, sagt Pick.
Betreiber arbeiten gerade an Hygienekonzept
Gut sei zum Beispiel, dass sie gerade an einem Hygiene- und Schutzkonzept arbeiteten, das im Herbst bestuhlte Veranstaltungen wieder ermöglichen soll. Gut sei auch zu wissen, dass die eigenen Mitarbeiter weiterhin motiviert seien. Ob sich ein reduzierter Betrieb auch wirtschaftlich lohnen kann, stehe auf einem anderen Blatt. Aufgeben werden Schmitz-Behrenz und Pick deswegen nicht. Sie harren aus. Und erinnern sich lieber daran, was sie an ihrer Halle haben: Die Musiker liebten die Mischung aus Halle und Club. „Die Zuschauer sind den Künstlern hier sehr nah“, sagt Pick. 1200 Menschen passen zu normalen Zeiten rein: groß genug für namhafte Bands, klein genug für Partyatmosphäre.
Das Jubiläum löst bei den alteingesessenen Nachtleben-Akteuren (zuletzt gehörte ihnen auch der abgerissene Club „Underground“) Kopfkino aus: Das Jahr 1990. Eine alte Fabrikhalle in der Lichtstraße. „Schön war sie nicht. Das wichtigste aber war da: die Schallisolierung“, so Pick. „Alle hielten Ehrenfeld damals für Punk-Dreck. Dann siedelten sich die Firmen nach und nach an. Und es entstand eine Kulturmeile. Mittlerweile gehen hier die Mieten ziemlich hoch“.
Heute ragt ein Kran nach dem anderen in den Himmel. Ehrenfeld, „das Kranenland“, nennt es Pick. Es werden kräftig Schulen und Wohnungen gebaut. „Alles richtig und gut. Aber die Kultur muss auch mitbedacht werden. Sie ist nicht nur ein »nice to have«, sondern ein Lebensgefühl“. Mittlerweile sei das auch bei Politik und Verwaltung angekommen. Die bemühten sich mehr als früher.
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Herausforderungen für Wirte auch vor Corona
Drei Jahrzehnte „Live“ – das sind zwei Generationen. Die Besucher von damals sind die Eltern von heute. Manch einer habe schon angerufen, um zu fragen, ob der Nachwuchs so ohne weiteres Einlass bekäme. „Das Publikum ist weiter jung und studentisch geblieben, nur wir werden älter“, sagt Pick. Das Nachtleben habe sich verändert. „Wenn ich jung wäre, würde ich vielleicht auch eher für 50 Euro nach Barcelona fliegen, um dort Party zu machen, als hier“, sagt Schmitz-Behrenz.
Die Nacht fange außerdem später an. „In den 90ern standen die Leute um 22 Uhr schon Schlange. Zuletzt haben wir erst um 23 Uhr aufgemacht.“ Kiosk-Kölsch, Wein aus dem Supermarkt, der bis 24 Uhr geöffnet ist: Herausforderungen gab es schon vor Corona. Natürlich hätten die Menschen jetzt auch Angst, sich ins Innere zu begeben. Andererseits verlagere sich das Feiern gerade auf die eigenen vier Wände. „Wir kontrollieren am Eingang Leute ohnehin nach ihrem Ausweis. Da wäre es kein großer Aufwand, etwa mittels QR-Code weitere Daten zu erfassen.“ So etwas könne man sich für einen reglementierten Wiedereinstieg ins Nachtleben durchaus vorstellen. „Zu einem normalen Leben gehört auch das Vergnügen, Soziales“, so Schmitz-Behrenz.