Punkrock-Kneipe Sonic Ballroom„Nur noch brave Clubs sind in Ehrenfeld willkommen”
- Der Gentrifizierung fallen in Köln zunehmend Clubs und alternatives Leben zum Opfer. Nirgendwo zeigt sich das deutlicher als in Ehrenfeld.
- Immerhin: Der Sonic Ballroom ist noch da. Die legendäre Punkrock-Kneipe besteht inzwischen seit 20 Jahren und feiert das am Samstag, 3. August, ab 16 Uhr mit einem großen Fest bei freiem Eintritt ab 16 Uhr.
- Mitbetreiber Christoph Linder sieht die Entwicklungen in der Stadt mit großer Sorge – zumal sie auch Folgen für seinen Club hat.
- Ein Gespräch über die Veränderungen im Kölner Nachtleben, die neuen Ausgeh-Hotspots im Rechtsrheinischen und die Anfänge des Sonic Ballroom als illegales Kellerloch.
Köln – Die Graffiti an der Hauswand, das mit Stickern überklebte Schild, der Nato-Draht über der Mauer – klare Indizien für einen Ort, der aus dem geordneten Rahmen fällt: der Sonic Ballroom an der Oscar-Jäger-Straße. Im Inneren kann man den täglichen Schweiß der Bands und der Gäste förmlich spüren. Alter Kneipen-Muff hängt in der Luft. Es ist ein wenig düster.
Ein einziger Blick auf die verschiedenen Kuriositäten, die die Punkrock-Kneipe dekorieren, reicht nicht aus: Autofelgen, die als Lampen fungieren, ein mit Leopardenmuster überzogener Stromkasten und ein alter, verstaubter Fernseher, der für die Gäste an der Theke die Konzerte überträgt, sind nur einige der schrägen Details, die den rauen Charme des Sonic Ballrooms ausmachen. Wir haben mit Mitbetreiber Christoph Linder gesprochen.
Alternative Locations wie den Sonic Ballroom gibt es in Köln nicht viele. Woran liegt das?
Diese Orte werden regelmäßig weggentrifiziert. Vor 20 Jahren war Ehrenfeld noch bunt. Da gab es das Bel Air, die Ruine und auch das Unterground, die sind inzwischen Geschichte. Die Menschen ziehen in die Viertel, wollen die Clubs nicht mehr und dann fliegen die Clubs raus. Wir hatten bisher Glück – es hat sich noch keiner beschwert. Solange das Haus noch steht, läuft das Programm weiter.
Das Underground war ganz in der Nähe, an der Vogelsanger Straße. Haben Sie dadurch weniger Laufpublikum, das sich in die Oskar-Jäger-Straße verirrt?
Ja, wir haben weniger Laufpublikum. Momentan gibt es noch das Helios 37. Aber das ist nur eine Frage der Zeit, bis es auch weg ist. Grundsätzlich ist das für uns schlecht. Die Clubkultur bewegt sich in Richtung Mülheim mit dem Schanzenviertel und dem Club Volta, das programmtechnisch ein Underground-Ersatz ist, und nach Kalk. Wenn man einmal drüben ist, kommt man hier nicht mehr her. In Ehrenfeld entstehen andererseits natürlich die braven Clubs, so etwas wie der Club-Bahnhof Ehrenfeld oder das Bumann & Sohn. Die sind herzlich willkommen und dürfen bleiben, Orte, die alternativer sind, nicht. Der Zustand ist bereits fortgeschritten.
Der Sonic Ballroom steht hauptsächlich für Punkrock. Ist der Punk heute noch so politisch wie in seinen Ursprüngen? Oder ist vieles nur noch Nostalgie?
Ursprünglich war der Punk eine musikalische Anti-Bewegung gegen das Establishment, insofern also auch politisch. In den 80ern ist er dann sehr politisch geworden. Alles, wo heute Punk drauf steht, kann man knicken, inklusive unserem Laden. Das ist alles kein Punk. Der ist 30, 40 Jahre her. Dem muss man aber nicht nachtrauern, das ist pathetisch. Wir nennen es natürlich Punkrock-Club, sind aber auch ein Rock'n'Roll-Club und halten uns nicht so an dem Namen fest.
Die Kneipe ist nicht besonders schnieke. Es ist recht düster, überall kleben Bandsticker auf Stühlen, Wänden und Fenstern. War die Gestaltung eine bewusste Entscheidung?
Das ist so passiert. Was den Laden ausmacht, ist, dass wir weder stylisch noch Szene sind. Wir sind auch nicht Berlin-Hipster-mäßig. Bewusst gewählt ist in der Einrichtung nur die Farbe und der Leoparden-Überzug über der Theke. Und dass man die alte Kneipe „Jägerhof“ noch sieht, die hier vorher war. Die Theke, die Regale und die Fenster sind uralt. Wir haben Schallschutzfenster eingebaut und dafür die alten Bleiglasfenster rausgerissen, um sie dann wieder einzusetzen – für die Optik.
Mit vier bis fünf Konzerten pro Woche ist der Sonic Ballroom gut ausgelastet. Rennen Ihnen die Bands die Bude ein?
Im Sommer ist es schwierig, ein Programm zu gestalten. Die Hobby-Bands sind dann im Urlaub, während größere Bands auf Festivaltour sind. Da ist es eine Herausforderung, ein kontinuierliches Programm auf die Beine zu stellen. Im Winter ist es genau umgekehrt, wenn von Oktober bis Dezember die Übersee-Bands auf Tour sind – dann ist es oft zu dicht. In dieser Zeit ist es aber einfacher, ein vielfältiges und qualitatives Programm zu haben.
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Verfahren Sie nach dem „Pay to play“-Prinzip, bei dem die Bands im Vorhinein einen Selbstkostenpreis entrichten?
Nein, das machen wir grundsätzlich nicht. Wir sind Gegner von dem System „Pay to Play“, wie es andere Clubs in Köln machen. Wir wollen Subkultur unterstützen und Nachwuchsbands fördern. Die Bands bekommen von uns Essen und Trinken und das technische Equipment. Am Ende erhalten sie eine Eintrittsbeteiligung. Aber sie müssen vorher keine Eintrittskarten verkaufen, das halte ich für fragwürdiges Geschäftsgebaren. Die Bands wissen, dass hier eine familiäre Atmosphäre auf sie wartet. Sie werden von einem der drei Betreiber reingelassen, bekocht, und der Sound wird dann gemeinsam getestet. Wir haben keine Fremdveranstalter. Wir vermieten höchstens dienstags an Filmsets wie den „Tatort“. Das nehmen wir dann gern mit. Hat mit dem Programm aber nichts zu tun. Zuletzt waren wir im Dortmunder „Tatort“ zu sehen.
2013 erhielt der Sonic Ballroom in der Kategorie „Club kleiner Größe“ den Cologne Club Award. 2017 und 2018 überreichte Ihnen die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien, Monika Grütters, den Programmpreis „Applaus“. Das waren jeweils 40.000 Euro.
Das war der sogenannte Spielstätten-Programmpreis, der aus Bundesmitteln finanziert wird. Wir sind nicht die einzigen: Der Club-Bahnhof Ehrenfeld war auch dabei. Das ist eine spürbare wirtschaftliche Erleichterung und bringt Ruhe in den Betrieb. Man kann davon neue Mikros kaufen oder einer Band Gage bezahlen, vor zehn oder 20 Jahren gab es solche Förderungen nicht. Ich kannte das nur aus Holland, dass staatliche Mittel für Underground-Clubs geflossen sind. Die Förderung ist nur ein Bruchteil gemessen an dem, was die Hochkultur, zum Beispiel Opernhäuser, bekommen. Sicher ausbaufähig, aber immerhin ein Anfang.
Wie kommt es, dass der in den Ursprüngen anti-bürgerliche Punk nun zum Kulturgut erhoben wird?
Das haben wir uns auch gefragt. Wir haben es natürlich nicht in Frage gestellt, diesen Preis anzunehmen, wir sind ja nicht bescheuert. Aber wir mussten auch schmunzeln, dass man als Punk-Laden von der Kulturstaatsministerin einen Umschlag mit Geld erhält.
Zur Person
Christoph Linder (51) ist gebürtig aus Jülich. Seit 20 Jahren lebt er in Köln. Gemeinsam mit Roman Pauls (ebenfalls 51), dem Erfinder des Sonic Ballrooms, und Antje Buchhorn (49) betreibt er den Punkrock-Club in der Oskar-Jäger-Straße 190 in Ehrenfeld.
Ist das insgesamt ein schlechtes Zeichen, dass Orte wie der Sonic Ballroom schon beschützt werden müssen?
Es ist insofern ein schlechtes Zeichen, weil es ab diesem Moment streng genommen keine Subkultur mehr ist, wenn man staatliche Mittel erhält. Deswegen ist man natürlich noch lange nicht Teil des Establishments. Andererseits haben wir auch eine Konzession und sind schallgedämmt – es ist alles aktenkundig, der Sonic Ballroom kein illegales Kellerloch mehr, was er anfangs war. Damals wurde uns der Laden dicht gemacht. Wir sind daraufhin nicht in ein anderes Kellerloch gezogen, sondern haben den Laden aus der Illegalität herausgeholt, und dieser fünfzehnjährige Weg wurde mit dem Preisgeld gekrönt. Wir sind nicht mehr die Jüngsten. Sollen doch die 20- bis 30-Jährigen die Subkultur-Fahne hochhalten, ist ja ihre Aufgabe. Was sollen wir als 50-Jährige daherkommen?
Ist etwas für den 20. Geburtstag im August geplant?
Wir planen ein Open-Air-Festival am 3. August – das „Ballroom Blitz“ – das wir bereits zum neunten Mal veranstalten. Wir dürfen dafür die Bühne gegenüber dem Sonic Ballroom bespielen, die den Bühnen der Stadt Köln gehört, und uns zur Verfügung gestellt wird. Rechts und links wird es dann Straßenabsperrungen geben. Bisher war es immer voll. Das Programm steht auch schon.
Zur Geschichte des Sonic Ballroom
Die Kneipe eröffnete 1999. Nach nur drei Jahren musste sie aufgrund fehlender Konzession für Konzerte schließen. Antje Buchhorn und Christoph Linder stießen als Mitbetreiber im Jahr 2003 dazu, als der Sonic Ballroom mit Schalldämmung wiedereröffnet wurde – sowie mit neuer Bühne, einem verlagerten Eingang und Biergarten. Das Trio kümmert sich Vollzeit um alles, was im täglichen Betrieb anfällt: Programmgestaltung, Künstlerbetreuung und Getränkeeinkauf.
Ein kulturelles Nebenprogramm ergänzt das Hauptgeschäft der Konzerte: Einmal monatlich findet der „Dichterkrieg“ – ein Poetry-Slam – statt. Einmal im Monat wird auch Lindyhop angeboten, sonntagnachmittags können die Gäste im Biergarten Tischtennis spielen.
Zum 20. Jubiläum werden am 3. August folgende Bands auftreten: EA80, Molly Punch, Klauen, Lavatch, Shout-Outs. Beginn ist um 16 Uhr, Eintritt frei. (gam)