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„Es ist so oft getestet worden“Wie Kölner Kliniken sich auf einen möglichen Blackout vorbereiten

Lesezeit 6 Minuten
Evangelisches Krankenhaus Kalk.
Was passiert bei einem Stromausfall.
Im Bild Thomas Velten am Notstromaggregat des Krankenhauses.

Was passiert bei einem Stromausfall? Thomas Velten erklärt das am Notstromaggregat des Krankenhauses.

Überall ist vom drohenden Stromausfall die Rede. Krankenhäuser sind gut geschützt, sogar verschiedene Farben der Steckdosen haben ihren Sinn.

Von der Intensivstation bis zu den zwei imposanten Motoren, die bei einem Blackout Leben retten sollen, ist es nicht allzu weit. Ein Stockwerk durchs Treppenhaus nach unten, die moderne Eingangshalle queeren, das Reich der „Kellerkinder“ betreten, so nennt Thomas Velten, der technische Leiter des Evangelischen Krankenhauses Köln Kalk (EVKK), scherzhaft seine Abteilung mit zwölf Mitarbeitern, vorbei an der Werkstatt, raus auf den Versorgungshof und schließlich rein in einen hohen Raum mit nichts als zwei hellgrünen, etwas antiquiert wirkenden Diesel-Maschinen.

Sauber sind sie. Gut gepflegt. Irgendwie vertrauenerweckend. An so einem normalen Tag geben die beiden Notstromaggregate keinen Mucks von sich. Das dicke hat 16 Zylinder, das kleinere zwölf. Es sind die Kaliber, die in Schiffsmotoren oder Diesel-Loks eingesetzt werden. Ein bisschen erinnert das Ambiente auch an ein U-Boot-Museum. Faszinierend. Unheimlich. Unwirklich.

Aber hier ist alles voll funktionsfähig. Wer seine Hand an die Seite der Motoren legt und ihre Wärme spürt, kann erahnen, dass sie allzeit bereit sind. In Sekundenschnelle können sie mit aller Kraft, die in ihnen schlummert, loslegen.

Blick in den Raum mit den Notstromaggregaten: Die großen grünen Tanks füllen den Raum mit roten Backsteinwänden und -boden, Thomas Velten steht dazwischen.

In Sekundenschnelle können die Notstromaggregate loslegen, wenn es sein muss.

Der Krieg in der Ukraine, die Energiekrise, die Sabotageakte an den Gaspipelines in der Ostsee – die Sorge vor einem Blackout bekommt aktuell reichlich Schub. Zu Hause wird sich eine Kerze finden und der Gaskocher vom letzten Campingurlaub funktioniert vielleicht auch noch. Ein längerer Stromausfall wäre ärgerlich und eine ziemliche Herausforderung. Aber nicht unmittelbar lebensgefährlich.

Doch was ist mit jenen, die im künstlichen Koma auf einer Intensivstation liegen? Die gerade auf einem OP-Tisch der Technik ausgeliefert sind? Wie sicher ist es noch für sie in einem Krankenhaus, wenn der Strom ausfällt?

Geräte für Organfunktionen haben 15 Minuten Akku

Sehr sicher, sagen im EVVK sowohl Ingenieur Thomas Velten als auch Intensivpfleger Markus Redmann. Beide wirken ganz entspannt beim Gedanken an einen möglichen Blackout. „Die sind sehr robust, da gibt es nie Probleme“, sagt der technische Leiter über die beiden Notstromaggregate.

Fällt der Strom aus, gehen zwar für zehn Sekunden die Lichter aus. So lange brauchen die Motoren dann doch, um hochzufahren und Strom zu liefern. Aber diese zehn Sekunden machen Redmann, den pflegerischen Leiter der Intensivstation im Kalker Krankenhaus, nicht nervös. Er erklärt: „Alle Geräte, die wichtige Organfunktionen übernehmen, haben für mindestens 15 Minuten Akku.“

Das Krankenhaus hat im Notfall einen direkten Draht zur Kölner Feuerwehr - und deren Diesel-Tanks

Die beiden Aggregate werden einmal im Monat getestet und einmal im Jahr gewartet. Das Große mit etwa 2000 PS ist im Fall der Fälle für die Gebäudetechnik zuständig, für Heizung, Klimaanlage, Wasserversorgung, Aufzüge. Das Kleine mit etwa 600 PS versorgt die grünen Steckdosen und das Beleuchtungssystem mit Strom. Sprit ist genug da. 2000 Liter Diesel lagern im sogenannten Tagestank, weitere 60.000 Liter sind in unterirdischen Tanks gespeichert.

72 Stunden müssen die Aggregate das Krankenhaus versorgen können, so lautet die gesetzliche Vorschrift. Velten sagt: „Das schaffen wir locker.“ Er geht von fünf bis zehn Tagen aus, je nachdem, wie viel Normalbetrieb man sich leisten würde. Und selbst danach wäre nicht Schluss. Denn das Krankenhaus hätte im Notfall einen direkten Draht zur Kölner Feuerwehr und erhielte aus deren Tanks Diesel-Nachschub. Man wäre also unabhängig von öffentlichen Tankstellen, die in einer Notlage ja möglicherweise auch ausfallen.

Das schaffen wir locker
Thomas Velten, technischer Leiter des EVKK zur Vorgabe, dass sich ein Krankenhaus 72 Stunden selbst versorgen können muss.

Erlebt hat Velten ein solches Dauer-Szenario allerdings noch nicht. Der 57-Jährige macht seinen Job seit 1996. Vorher war sein Vater Technischer Leiter im EVKK. „Ich bin hier schon als Zehnjähriger durch den Rohbau gelaufen“, erzählt Velten.

Zwischen 1975 und 1989 wurde das 1904 erbaute und im Zweiten Weltkrieg nahezu vollständig zerstörte Krankenhaus umfassend erneuert und für 395 Betten ausgebaut. Besser als Velten kennt keiner das technische Innenleben des Hauses. Entsprechend groß ist der Respekt. Intensivpfleger Redmann würde nie wagen, auf der Intensivstation ein Handy an einer der grünen, immer mit Strom versorgten Steckdosen zu laden. Das hat Velten untersagt. Und Redmann möchte nicht derjenige sein, der dem Technik-Experten möglicherweise erklären muss, warum ein unbekanntes Gerät eine Sicherung rausgehauen hat.

Eine Säule mit grünen Steckerbuchsen ist zu sehen. Sie tragen auf den Abdeckungen eine Kennung. Grün heißt: Auch bei Blackout vom Notstromaggregat versorgt.

Wild-laden an den grünen Steckdosen auf der Intensivstation? Undenkbar. Grün heißt: Auch bei Blackout vom Notstromaggregat versorgt.

Für 30 Stunden war der Strom schon mal weg im EVKK. „Das ist jetzt viele Jahre her“, sagt Velten. Ein Transformator des Stromversorgers war damals ausgefallen. Es ist keine Stressreaktion zu erkennen beim Technischen Leiter, während er sich daran erinnert. „Mit Hilfe der Notstromaggregate haben wir mit geringen Einschränkungen den Betrieb aufrecht gehalten.“

Wenn die beiden dicken Motoren anspringen in ihrem Extra-Häuschen, wird es laut. Und windig. Zumindest drinnen. Die Aggregate wummern und durch die sich automatisch öffnenden Lüftungsklappen strömt frische Luft. Draußen sei davon kaum etwas zu hören, sagt Velten. Die Wände sind ausgezeichnet gedämmt.

Batterien sichern die Notfallbeleuchtung

1200 Kilowattstunden Strom könnten die Notstromaggregate erzeugen. Der Bedarf des Krankenhauses liege bei 900. Allerdings würde man die Motoren bei einem länger andauernden Stromausfall nicht auf Hochtouren laufen lassen. „Über 40 oder 50 Prozent Belastung geht man dann nicht, damit die Maschinen nicht überlastet werden und sich abschalten“, sagt Velten.

Im Krankenhaus ist das deutlichste Zeichen für einen Blackout zunächst die Dunkelheit. Die Lichter gehen für zehn Sekunden aus, nur eine Notbeleuchtung bleibt, sie ist genauso wie die Telefone und die Sicherheitsanlagen mit Batterien gepuffert.

Ärgerlich ist für Velten nach einem Stromausfall vor allem der damit verbundene Ausfall der Lüftungssysteme. In den zehn Sekunden, die es dauert, bis die Notstromaggregate warmgelaufen sind, verfallen die Lüftungen in eine Bereitschaftsstellung. „Und dann müssen wir die einzeln wieder starten und einstellen“, sagt Velten. Man kann sich Schlimmeres vorstellen bei Stromausfall in einem Krankenhaus.

Im Bild zu sehen ist Markus Redmann in blauer Dienstkluft auf der Intensivstation des Krankenhauses.

Intensivpfleger im Evangelischen Krankenhaus Kalk auf Station: Markus Redmann

In den Operationssälen und auf der Intensivstation passiert nicht viel. „Außer, dass bei Euch im Pausenraum die Kaffeemaschine und die Mikrowelle ausfallen“, sagt Velten zu Redmann. Und die Lichterkette am langen Tresen der Station würde ausgehen. Auch sie bekommt ihren Strom aus einer weißen Steckdose. Weiß bedeutet hier: Nicht sicher. Grün heißt: Auch bei Blackout vom Notstromaggregat versorgt. In normalen Patientenzimmern gibt es die grünen Steckdosen vereinzelt. Auf der Intensivstation und im OP sind sie die Regel.

Alles, was lebenswichtig ist für die Patienten – Beatmungsgeräte, Spritzenpumpen zur Milliliter-genauen Gabe lebenswichtiger Medikamente, Dialysemaschinen, im OP auch die Lichter –, ist zusätzlich durch Akkus gesichert. Hier fällt nichts aus, auch nicht für zehn Sekunden. Manches Gerät fängt nur an zu piepen, um darauf hinzuweisen, dass es jetzt im Batteriemodus läuft.

Alle drei Jahre muss ein Krankenhaus den Notfall mit einem erzwungenen Stromausfall proben. In Kalk steht im Januar der nächste große Blackout-Test an. Aber Velten ist nicht bange. Er vertraut der Technik. „Die ist schon so oft getestet worden, es funktioniert alles“, sagt er. Redmann erzählt, dass er ein bisschen kribbelig war, als er einen solchen Test zum ersten Mal in verantwortlicher Position mitmachen musste. Aber alles lief ohne Probleme. Nun blickt Redmann dem Termin gelassen entgegen. Er wird sich nur eine Thermoskanne mit heißem Kaffee mitbringen.