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Lange WartelistenEhrenamtliche Lesementoren in Köln dringend gesucht

Lesezeit 4 Minuten
Leselernhelfer in Aktion

Lesementorin Elisabeth Wolf und ihr Schützling Rojin.

Ein Viertel der Kinder kann nicht richtig lesen. Weil der Bedarf riesig ist, bauen die Lesementoren ihr Angebot aus.

Jedes vierte Kind kann am Ende der Grundschule selbst einfache Texte nicht lesen. Auch am Ende der achten Klasse kann ein Viertel der 15-Jährigen nicht richtig lesen. Dabei ist in Nordrhein-Westfalen der Anteil der Kinder, die am Ende der vierten Klasse nur die unterste Kompetenzstufe erreichen, besonders hoch.

Diese Lage, die sowohl die letzte Pisa-Studie als auch die aktuelle Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) zu Tage befördert haben, hat gravierende Folgen: Ein Kind, das in der Grundschule das Lesen nicht richtig gelernt hat, dessen schulisches Scheitern ist vorprogrammiert. Angesichts der Menge der Kinder, die Förderbedarf beim Lesen haben, stoßen die Grundschulen zunehmend an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Ehrenamtliche Lesementorinnen und -mentoren, die mit Kindern einzeln lesen, waren deshalb wohl nie so wichtig wie jetzt. „Der Bedarf steigt stetig an“, erläutert Agnes Gorny, Sprecherin des in Köln ansässigen Bundesverbandes „Mentor – die Leselernhelfer e.V.“

In Köln können längst nicht alle Kinder versorgt werden

Aber es gibt viel zu wenige Lesementoren für die immer weiter steigende Zahl von Kindern, die diese Unterstützung bräuchten. In über der Hälfte der deutschen Städte, in denen der Verband „Mentor – Die Leselernhelfer e.V.“ engagiert, gibt es lange Wartelisten. Darauf sind Schülerinnen und Schüler vermerkt, die von ihren Lehrkräften ausgewählt wurden, weil sie Unterstützung von einer Lesementorin brauchen. Auch in Köln sei die Nachfrage aus den Grundschulen nach Lesementoren riesig, „weil sehr viele Kinder dringend Leseförderung bräuchten“, berichtet Gorny. Längst nicht alle könnten versorgt werden.

Dabei gibt es ein starkes Gefälle zwischen den beiden Rheinseiten: Während sich in den linksrheinischen Stadtteilen bereits zahlreiche Lesementorinnen und Lesementoren engagieren, gibt es an den Schulen im Rechtsrheinischen – etwa in den Stadtteilen Porz und Finkenberg – extremen Mangel. Gerade jetzt, am Beginn des Schuljahres, werden weitere ehrenamtliche Mitstreiter gesucht. Grundsätzlich gebe es überall Bedarf.

Dabei sieht das Konzept vor, dass die Mentorin oder der Mentor sich mit ihrem Schützling einmal wöchentlich in der Schule trifft und eine Lesestunde gibt. Die Einzelbetreuung ist auf mindestens ein Jahr angelegt und es gibt eine Kooperation mit der Lehrkraft. Über den Kölner Verband sind inzwischen bundesweit 15.000 Lesementoren ehrenamtlich aktiv. Allein in Köln sind es über 700.

Vor ihrem Einsatz werden die Ehrenamtler in einer vierstündigen Fortbildung auf ihre Arbeit vorbereitet. Für Gorny ist das ein Ehrenamt, von dem nicht nur die Kinder profitieren: „Es entsteht eine Beziehung zu dem Kind, das man fördert. Das ist auch für die Ehrenamtlerin oder den Ehrenamtler bereichernd.“ Außerdem seien die Fortschritte enorm, die man dann beobachte und selbst mit bewirkt habe. Sehr oft umfasst die Förderung nicht nur das Erlernen des flüssigen Lesens. Oft fehle auch der Wortschatz, so dass die Kinder die Begriffe gar nicht kennen, die sie lesen. „Dann erarbeitet man mit den Kindern nach und nach eine Wortschatzkiste – das sind dann Schätze im wahrsten Sinne des Wortes.“

Auch Online-Lesestunden sollen angeboten werden

Neben dem wachsenden Bedarf und vollen Wartelisten treibt den Verein auch die Raumnot an den Grundschulen um. In einer aktuellen Umfrage des Kölner Bundesverbandes unter seinen Mitgliedsvereinen gaben 78 Prozent an, dass sie zu wenige freie Räume an den Schulen ein großes Problem seien. Ein Weg, das Lesestunden-Angebot dennoch weiter auszubauen, ist eine stärkere Kooperation mit den Trägern des Offenen Ganztags. Ziel sei es, dadurch mehr Lesestunden in der Nachmittagsbetreuung der Schulen unterzubringen, erläuterte Gorny. Außerdem wird im Rahmen eines Pilotprojekts derzeit ausprobiert, ob auch Online-Lesestunden zusätzlich ins Angebot aufgenommen werden. Die Versuche liefen sehr vielversprechend an, berichtet Gorny. Ziel sei ein flächendeckender Ausbau.

Wer sich als Lesementorin oder Lesementor engagieren möchte, findet auf der Homepage des Mentor-Bundesverbandes unter www.mentor-bundesverband.de auf einer Karte Kontakt zu einem Verein in seiner Nähe. Alternativ kann man sich in der Geschäftsstelle des Bundesverbandes unter 0221/16844744 melden. Der Kölner Ortsverein www.lesementorkoeln.de ist unter 0221/20407-17 oder info@lesementorkoeln.de erreichbar.