Den Polizisten wurde vorgeworfen, einen pöbelnden Anwohner mit übermäßiger Gewalt zu Boden gebracht und misshandelt zu haben.
Anwohner in Bickendorf gestorbenFreispruch für Polizisten nach umstrittenem Einsatz in Köln
Mit einem glasklaren Freispruch endete am Mittwoch der spektakuläre Prozess gegen fünf Polizeibeamte nach einem tödlich verlaufenen Einsatz im Kölner Stadtteil Bickendorf. Den Polizisten wurde vorgeworfen, einen pöbelnden Anwohner mit übermäßiger Gewalt zu Boden gebracht und weiter misshandelt zu haben. Dem war laut dem Urteil des Kölner Landgerichts nicht so. Im Gegenteil: Die Beamten hätten sich laut Richterin völlig rechtmäßig verhalten. Der 59-jährige Anwohner hatte Rippenbrüche erlitten und starb zwei Monate später, weil er eine weitere ärztliche Behandlung abgelehnt haben soll.
Tödlicher Einsatz in Köln: Polizist bricht nach Freispruch in Tränen aus
Einer der angeklagten Beamten fing direkt nach der Urteilsverkündung hemmungslos an zu weinen, im Zuschauerraum kam es zu Jubel und Applaus. „Wir unterbrechen mal kurz“, sagte die Vorsitzende Richterin Sabine Kretzschmar. Auf dem Gerichtsflur fielen sich Angeklagte und Angehörige in die Arme, eine Riesenlast schien von diesen abzufallen. Seit zweieinhalb Jahren schwebte zu diesem Zeitpunkt das Damoklesschwert über den suspendierten Beamten.
Nach wenigen Minuten setzte die Richterin ihre Urteilsbegründung fort. „Als Zusammenfassung ist zu sagen: Das ist ein sehr tragisches Geschehen, ein schwerer Verlust für die Familie des Verstorbenen, denen unser uneingeschränktes Mitgefühl gilt“, sagte die Vorsitzende Kretzschmar. Besonders belastet sei die Tochter des Toten, die den Polizeieinsatz durch einen Verkehrsunfall und eine mutmaßliche Unfallflucht ausgelöst hatte. Doch sie treffe keine Schuld am Geschehen.
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Angeklagte haben laut Richterin das Recht, Gewalt anzuwenden
Die Schwurgerichtskammer könne verstehen, dass die Familie die Polizisten zur Rechenschaft ziehen wollte. Doch diese hätten lediglich ihre Arbeit gemacht. Sie hätten auch das Recht, Gewalt anzuwenden. Das könne jeder verhindern, wenn er Anordnungen der Polizei Folge leiste. Das habe der 59-jährige Bickendorfer nicht gemacht. Er soll betrunken gewesen sein und gepöbelt haben. Ein Nachbar hatte im Zeugenstand berichtet, der Mann habe einen der Beamten geschubst.
„Auch Polizeibeamte müssen es nicht hinnehmen, angegriffen und verletzt zu werden“, führte die Richterin aus. Den erlittenen Rippenserienbruch musste sich der 59-Jährige demnach selbst zuschreiben lassen. Dass der Mann acht Wochen später an einer Lungenentzündung verstorben sei, liege auch nicht direkt am Polizei. Vielmehr habe der Bickendorfer sich nicht weiter ärztlich behandeln lassen. Auch seine schwere Alkoholabhängigkeit habe dessen Tod letztlich begünstigt.
Richterin drückt Empathie für Angeklagte aus, bezeichnet Chatnachrichten als geschmacklos
Richterin Kretzschmar drückte auch ihre Empathie für die Angeklagten aus. Auch die hätten viel Leid erfahren, die Beamten seien seit mehr zwei Jahren vom Dienst suspendiert und wüssten nicht, ob sie jemals wieder als Polizist arbeiten dürften. Für die erfolgten Hausdurchsuchungen sollen sie entschädigt werden. „Ausgewogene Ermittlungen wären wünschenswert gewesen“, so deutlich kritisierte Kretzschmar die zuständigen Ermittler von Polizei und Staatsanwaltschaft.
Völlig überzogene Aussagen von Nachbarn hätte man von der Rechtsmedizin auf ihren Wahrheitsgehalt hin untersuchen lassen können, das sei nicht geschehen. Die Zeugen hatten etwa von massiver Gewalt gegen den Kopf des Bickendorfers berichtet, der gegen einen Betonpfeiler gerammt worden sei. Tatsächlich entstand aber gar keine beschriebene Platzwunde, sondern lediglich eine Schürfwunde, nachdem der Mann zu Boden gebracht worden war.
Zeugen haben möglicherweise falsch ausgesagt
Vor Gericht hatten die Nachbarn ihre Aussagen aber reihenweise relativiert – die Richterin sah hier mögliche strafbare Falschaussagen im Ermittlungsverfahren. Das Gericht schließt aus, dass der Bickendorfer am Boden liegend noch geschlagen und getreten wurde. Auch in einem weiteren Fall, bei dem ein auffälliger Fußgänger mit einem Beinfeger zu Boden gebracht wurde, habe der Beschuldigte Polizist richtig gehandelt. Deutlicher hätte der Freispruch nicht ausfallen können.
Als geschmacklos bezeichnete die Richterin mehrere Chatnachrichten („Gerade einen umgeklatscht“), in denen sich beteiligte Beamte über die überwältigten Personen amüsiert hatten. Da sei es klar, dass sich die Ermittlungen dann ausweiteten. Verteidiger Christoph Arnold sieht darin jedoch private Äußerungen, die dienstrechtlich nicht zu beanstanden seien. Die Staatsanwältin hatte für zwei der Beamten Bewährungsstrafen gefordert – somit ist noch eine Revision möglich.