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Bruncken-FabrikMieter kämpfen um Wohnoasen in Bickendorf

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Blick in das Innere einer der Lofts im Bickendorfer Bruncken-Gebäude.

Köln-Bickendorf – Die Zeichen in der Rochusstraße stehen auf Kampf. Die frühere Bruncken-Fabrik mit ihren hübschen Loftwohnungen entwickelt sich zum Symbolobjekt im Streit von Mietern, die nicht aus bislang bezahlbarem Wohnraum verdrängen lassen wollen, mit Hauseigentümern und Investoren. Wer am Ende dieser Auseinandersetzung als Gewinner und wer als Verlierer dastehen wird, ist noch offen.

„Wir lassen uns nicht vertreiben. Die Bruncken-Fabrik soll bleiben“, ruft Sebastian Köppe ins Mikrofon. Er gehört zu den Mietern, die in den Loftwohnungen der ehemaligen Fabrik leben und sich gegen ihre Kündigung zur Wehr setzen. Mit anderen Bewohnerinnen und Bewohnern und Gleichgesinnten hat er einen kleinen Protestzug durch das Viertel veranstaltet. Eine spontane Aktion mit beschrifteten Bettlaken und Pappschildern.

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Mehrere Dutzend Menschen bildeten den Protestzug  gegen den Abriss des Bruncken-Gebäudes durch Bickendorf.

Die etwa drei Dutzend Demonstranten applaudieren – auch als Albert Töws vom Ehrenfelder Ortsverein der Linken die Unterstützung durch seine Partei versichert: „Wir dürfen uns nicht die Stadt klauen lassen,“ beschwört Töws. Er spricht davon, dass „alles abgerissen werden soll, nur damit das Maximum herausgepresst werden kann.“ Wohin das führe, könne man nebenan sehen, wo man 20 Euro Warmmiete für den Quadratmeter zahlen müsse. Umso mehr bekundet er seinen Respekt vor den Mieterinnen und Mietern, die sich gegen die Kündigung wehrten. Die fanden die damals 18 Mietparteien im Frühjahr 2020 in ihren Briefkästen. Sie sollten raus aus den Räumen, die sie zum Teil selbst mit viel Geschick und Geschmack in den verschachtelten Gemäuern der früheren Produktionsstätte für Elektromotoren hergerichtet hatten.

Eine Kölner Oase der Kreativität

Eine Wohngemeinschaft aus jungen Studierenden hatte sich etwa in einer größeren Halle mit einem Mix aus alten Polstermöbeln und unzähligen Pflanzen, viel Holz und Glas eine

Das Bruncken-Gebäude

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Die Fassade des früheren Verwaltungsgebäudes der Elektromotorenfabrik Bruncken an der Rochusstraße.

Johannes Bruncken (1880-1968) gründete sein Unternehmen 1907. 1910 bezog er die eigens erbaute Fabrik in Bickendorf. Eine der ersten dort produzierten Anlagen war der Antrieb für das Glockengeläut des Kölner Doms. Bruncken, gebürtig aus Fedderwardersiel an der Nordseeküste, kam als junger Ingenieur nach Köln und sammelte erste Erfahrungen bei den Helios-Werken in Ehrenfeld. Das eigene Werk, wo bis zu 300 Menschen tätig gewesen sein sollen, entwickelte sich dank technischer Innovationen gut am Weltmarkt. Produziert wurden vor allem Elektromotoren für landwirtschaftliche Anwendungen.

Im Zweiten Weltkrieg gab es erhebliche Zerstörungen an den Gebäuden. Die markante Fassade an der Rochusstraße stammt aus den 1950er Jahren. Ab Ende der 1950er Jahre wurde es aufgrund normierter Motorenbauformen zunehmend schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben. Zehn Jahre später war Bruncken pleite.

gemeinschaftliche Oase geschaffen, an die wie kleine Kojen die privaten Zimmer angrenzten. Eine junge Familie lebte bis zur Kündigung glücklich in einer an Stufen und Stiegen reichen Wohnlandschaft, die wie ein großer Abenteuerspielplatz für den Nachwuchs anmutete. Ein Designer wohnte und arbeitete in einem großen Raum. Unter den Bewohnerinnen und Bewohnern sind viele in Kreativbranchen tätig. Auf Dachflächen und in Nischen der Innenhöfe grünte und blühte es.

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Fantasievolles Wohnen in einer der Bickendorfer Lofts.

Hintergrund der Kündigung, die der Großteil der Mieter schon schweren Herzens akzeptierte, ist der Verkauf des gesamten Objekts, das sich zwischen Rochus- und Teichstraße befindet. Bis vor Kurzem nutzte der Noch-Eigentümer selbst Räume für seine Praxis und zum Wohnen. „Die Vermietung ist unrentabel“, erklärte er vor einem Jahr auf Anfrage. Zudem erfüllten die Räume nicht die baurechtlichen Voraussetzungen für eine Wohnnutzung. Der Käufer habe die Absicht, das Areal komplett neu zu bebauen.

Ein Hort für ein etwas anderes Leben

Im Viertel gibt es neben der Ablehnung und der Furcht, dass neuer, teurer Wohnraum entstehen könnte, der die Preise für Mieten und Wohneigentum nach oben drücken könnte, auch Verständnis für die Beweggründe des Eigentümers. Gemutmaßt wird unter den Mieterinnen und Mietern, dass er das Objekt aufgrund der eigenen finanziellen Situation habe verkaufen müssen. Seit rund 30 Jahren besaß er das ehemalige Fabrikgebäude. Nach eigenem Bekunden sei es für ihn selbst und seine Miete ein „Hort für ein etwas anderes Leben“ gewesen.

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Sechs Mieter wehrten sich gegen die Kündigung und ließen es auf eine Klage durch den Vermieter ankommen. Erfolg hatten sie insofern, weil das Landgericht Köln sich für nicht zuständig erklärte. Die Kündigungen, die unter Berufung auf das Gewerbemietrecht ausgesprochen worden seien, seien unwirksam, weil die Räume nicht schwerpunktmäßig für Gewerbe vermietet gewesen seien. Wohnungsmietrecht ist aber Sache des Amtsgerichts. Dort geht es vor allem um die Frage, ob die beabsichtigte Verwertung des Objekts einen hinreichenden Grund darstelle, die Mieter vor die Tür zu setzen. „Unser Anwalt sagt, wir hätten da ganz gute Karten“, sagt Mieter Philipp Schröer zuversichtlich.

Kontrollen und Schikanen vom Kölner Vermieter

Das Wohnen im Brunckengebäude ist indes eher ungemütlich geworden. Philipp Schröer und Sebastian Köppe berichten von Kontrollen und Schikanen, die schon unmittelbar nach der Kündigung begonnen hätten. Das früher durchaus freundliche Verhältnis zum Vermieter sei ins Gegenteil gekippt. Beide behaupten, dass die Bewohnerinnen und Bewohner mit Kameras

überwacht würden. Schröer erwägt deswegen eine Anzeige. „Das verletzt ganz eindeutig die Privatsphäre“, sagt er. Mittlerweile geht es auch gar nicht mehr alleine darum, den Verbliebenen ihren attraktiven und bezahlbaren Wohnraum zu erhalten. Das wurde beim jüngsten Demonstrationszug durch Bickendorf deutlich. „Wir wollen, dass der Verkauf des Gebäudes rückgängig gemacht wird“, hieß es dort. Die Bewohnerinnen und Bewohner tragen sich mit der Absicht, eine Genossenschaft zu gründen, die das frühere Fabrikgebäude dann selbst kaufen möchte.

Alternativen zum Abriss bislang nicht erfolgreich

„Nach notwendigen Umbauten soll das Haus zum Teil für die Bevölkerung geöffnet werden“, sagt Sebastian Köppe. Der Architekturstudent stellt den geplanten Abriss grundsätzlich in Frage, weil dadurch Ressourcen und Energie verschwendet würden. Dies werde auch vom Verein „Architects for Future“ bestätigt. Bislang sind Initiativen, das Gebäude vor dem Abriss zu bewahren, noch nicht erfolgreich gewesen. Denkmalschutz, wie von der Bezirksvertretung Ehrenfeld gefordert, besteht nicht. Ob und wann die beantragte Milieuschutzsatzung für diesen Teil von Bickendorf kommt, kann niemand sagen.

Nach Informationen dieser Zeitung hat der Käufer und künftige Investor bei der Verwaltung schon eine Bauvoranfrage eingereicht. Auf Anfrage erklärte der Geschäftsführer, man habe sich mit dem Stadtplanungsamt verständigt, „dass die künftige Gestaltung des straßenbegleitenden Baukörpers an der Rochusstraße 56 auch in Zukunft den Stadtteil prägen soll“. Dies bedeute, dass insbesondere die bisherige Fassadengestaltung im Rahmen der Projektentwicklung berücksichtigt werde. Angaben zu den Planungen und Stellungnahmen zur aktuellen Situation lehnte der Sprecher ab.