„Elend ist groß”Kölner Aktivisten demonstrieren für mehr Hilfe für Obdachlose
Köln – Es war ein wegweisender Beschluss, den der Sozialausschuss im Januar dieses Jahres getroffen hatte. Einstimmig hatten die Politiker dafür gestimmt, dass wohnungslose Menschen von der Stadt in Einzelzimmern und nicht in Mehrbettzimmern untergebracht werden sollten. Doch auch zehn Monaten nach der Abstimmung ist das Votum noch nicht umgesetzt worden. Teile der Politik und auch Aktivisten sehen die Entwicklung mit Sorge. „Das geht mir alles viel zu langsam“, so Ratsfrau Katja Hoyer (FDP) in der jüngsten Sitzung des Sozialausschusses. „Wir wollen weg von den Mehrbettzimmern“, sagte auch Jörg Detjen (Linke). „Davon sind wir aber weit entfernt.“
Sozialdezernent Harald Rau räumte ein, dass das Ziel, Obdachlose in Einzelzimmern unterzubringen, nicht erreicht worden sei. Allerdings könne sich das Angebot im Vergleich zu dem anderer Kommunen sehen lassen. „Wir sind gerüstet, aber wir könnten noch besser werden“, so Rau. „Das Elend ist groß.“ Besonders schwierig sei es, obdachlose Menschen aus der Rolle des Bittstellers zu holen. „Hilfe zu bekommen, ist ein Akt der Demütigung.“ Mit einer neuen Task Force wolle man nun neue Konzepte erarbeiten. Zudem sei ein Kolloquium mit internationalen Experten zum Thema geplant. Allerdings koste ein größeres Angebot auch mehr Geld, das bereitgestellt werden müsse.
Hilfebedarf wird immer größer
Ein Blick in den Bericht der Sozialberichterstattung NRW zeigt, dass der Hilfebedarf nicht kleiner wird. 2020 zählte das Land knapp 7200 wohnungslose Menschen in Köln, 1000 mehr als noch ein Jahr zuvor. Im Vergleich zum Jahr 2011 hat sich die Zahl fast verdoppelt. Bei den Wohnungslosen handelt es sich um Menschen, die über keinen eigenen Mietvertrag verfügen. Sie leben allerdings meist nicht oder nur zeitweise auf der Straße, sondern schlafen bei Freunden auf der Couch oder kommen in Sozialhäusern unter. Nach Einschätzung der Stadt gibt es etwa 300 Menschen, die tatsächlich auf der Straße leben. Hilfsorganisationen gehen von einer höheren Zahl aus.
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Das Aktionsbündnis gegen Wohnungsnot und Stadtzerstörung hatte vor dem Ausschuss dafür demonstriert, obdachlose Menschen in Einzelzimmern unterzubringen und möglichst schnell mit Booster-Impfungen zu immunisieren. „Die Stadt hält sich nicht an die Beschlüsse“, sagte Aktivist Rainer Kippe. Zudem sei es der Stadt nicht gelungen, eine Immobilie in der Innenstadt zu finden, die für die Aufnahme von Obdachlosen geeignet ist. In Neumarkt-Nähe gebe es zudem immer noch keine kostenlose öffentliche Toilette mit Waschmöglichkeit. Wärmezelte, in denen sich Obdachlose aufwärmen können, seien im Rahmen der Winterhilfe nicht vorgesehen.
Winterhilfe ab 1. Dezember
Die Winterhilfe der Stadt soll in Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden ab 1. Dezember beginnen. Stadt und Sozialdienst katholischer Männer bieten täglich von 19 bis 8 Uhr an der Ostmerheimer Straße 220 insgesamt 72 Schlafplätze an, davon zwölf für Frauen. Ein Shuttlebus nach Merheim soll es, anders als im vergangenen Jahr, nicht mehr geben. „Das Angebot wurde nicht angenommen“, sagte Rau. Neben der Übernachtungsmöglichkeit ist auch ein Tagesaufenthalt mit Mittagessen vorgesehen. Für Obdachlose aus der EU gibt es zudem ein Angebot an der Vorgebirgstraße im Rahmen der Humanitären Hilfen, in dem täglich von 19 bis 8 Uhr Plätze angeboten werden.
„Wir beobachten, dass sich die Schlafplätze der obdachlosen Menschen immer weiter im gesamten Stadtgebiet vereinzeln – weg von wenigen, zentral gelegenen Orten“, sagte Rau. Zudem gebe es immer mehr wohnungslose Menschen, die aus Osteuropa nach Köln kämen. „Hier ist die Not besonders groß.“ Um die aufsuchende, soziale Arbeit insbesondere in den Randgebieten sicherzustellen, sollen mehr Streetworker eingesetzt werden. Auch die Kältegänge werden fortgesetzt. Im vergangenen Winter sei die Stadt mitunter an Kapazitätsgrenzen gestoßen. Damals hätten die Stadt in den Spitzen bis zu 80 Meldungen pro Tag von Bürgern erreicht, die auf Wohnungslose in Not hingewiesen hatten.