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Muezzinruf in Köln ab FreitagAnwohner kritisieren Reker bei Ditib-Veranstaltung

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Ditib

Die Informationsveranstaltung am Donnerstagabend.

Köln – Am Ende ist die Informationsveranstaltung der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) am Donnerstagnachmittag eher eine Pressekonferenz als eine Versammlung neugieriger Nachbarn. Knapp 30 Menschen sitzen in einem Raum der Ehrenfelder Zentralmoschee, viele davon sind Journalisten, rund um die Stühle herum platzieren sich viele Kamerateams. Der erste öffentliche Muezzinruf in Köln an diesem Freitag hat zuletzt bundesweit für viele Schlagzeilen gesorgt.

Die Ditib informiert die Nachbarschaft zusätzlich über Flyer. Drei Vertreter der Ditib diskutieren über den Muezzinruf, teils wird der Ruf auch vorgesungen. Zekeriya Altug von der Ditib sagte: „Es geht aber auch darum, niemanden zu vergraulen. Deshalb werden wir ihn nicht so laut praktizieren, wie er rechtlich möglich wäre. Es geht nicht darum, in 100, 200 Metern noch hörbar zu sein, es geht darum, dass Muslime ihre Religion ausleben dürften.“ Und: „Köln hat keine Pionierrolle, sondern ist bestenfalls im Mittelfeld zu finden, symbolisch ist Köln aber wichtig.“

Vor allem die Rolle der Ditib sehen viele kritisch. Sie untersteht der Kontrolle und Aufsicht des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei (Diyanet), die dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan unterstellt ist. Altug verteidigt sich: „Ditib ist der richtige Partner. Die Ditib hat ein Imageproblem.“ Das sei aber leider falsch.

Die Ditib ist die erste Kölner Moscheegemeinde, die den Muezzinruf freitags öffentlich zum Gebet rufen lässt. Zehn andere Gemeinden haben bislang nur Interesse angemeldet. Die Stadt inklusive Oberbürgermeisterin Henriette Reker hatte die Möglichkeit zum öffentlichen Muezzinruf vergangenen Oktober geschaffen und mit dem im Grundgesetz festgehaltenen Recht auf freie Religionsausübung begründet – doch es dauerte fast genau ein Jahr, bis es eine Gemeinde umsetzt.

Anwohnerin beschwert sich über Oberbürgermeistern Henriette Reker

Eine Anwohnerin, die nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen will, sagte: „Die Frau Reker kommt aus der Hinterhand, warum konnte man das nicht vorher im Dialog klären? Das hat mir gefehlt.“ Sie berichtete, dass sie auch jetzt den Ruf schon höre.

Der Muezzin ruft bislang aus dem Gebetssaal für 1200 Gläubige zum Gebet. Nun geschieht das laut Ditib über zwei Lautsprecher, demnach soll sich nicht so viel ändern. Der Ruf soll bis zum Fußweg an der Moschee zu hören sein und nicht mehr nur am höher gelegenen Innenhof. 60 Dezibel sind erlaubt, Altug nennt den Lärm eines Föhns als Beispiel. Es geht um fünf Minuten freitags zwischen 12 und 15 Uhr, die exakte Uhrzeit richtet sich nach dem Sonnenstand. Die Ditib geht für Freitag von 13.24 Uhr aus.

Muezzinruf in Köln: Vertrag mit der Stadt ist unterzeichnet

Mittlerweile ist auch der sogenannte öffentlich-rechtliche Vertrag zwischen der Ditib und der Stadt Köln unterzeichnet. Das bestätigte eine Sprecherin der Verwaltung. In dem Vertrag sind die Auflagen und Bedingungen für den Muezzinruf an der Moschee notiert. Damit hat die zweijährige Testphase offiziell begonnen. In zwei Jahren analysieren beide Partner, wie es gelaufen ist und ob der Muezzin weiter freitags fünf Minuten öffentlich zum Gebet rufen darf.

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Laut Angaben der Polizei von Donnerstagmittag hat eine Privatperson für Freitag eine Demonstration auf der gegenüberliegenden Straßenseite der Moschee mit 30 Teilnehmern angemeldet. Der Titel lautet: „Solidarität mit den Frauen im Iran.“ Im Vorjahr hatte es aus Protest gegen die Ankündigung des Pilotprojekts kleinere Zusammenkünfte an der Moschee gegeben.

In Düren ruft der Muezzin dreimal täglich

Was in Köln seit einem Jahr teils emotional diskutiert wird, ist in Düren und der Fatih-Moschee der Ditib seit 1985 Realität, dort ruft der Muezzin dreimal jeden Tag über Lautsprecher zum Gebet. Laut eines Sprechers ist der Ruf nur im Umfeld zu hören, „das ist ganz normaler Alltag“. Der Sprecher sagte: „Deutschland hat beispielsweise muslimische Gastarbeiter geholt, dann müssen diese Menschen auch ihre Religion hier frei ausleben dürfen.“

In Oer-Erkenschwick etwa hatte ein Ehepaar gegen den Ruf geklagt, das lehnte das Oberverwaltungsgericht Münster aber ab. Der Ruf am Freitag sei „keine rechtlich erhebliche Belästigung“.