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Fahrverbote in Köln?Was Sie zur Diskussion über ein Diesel-Verbot wissen müssen

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Die Stickstoffdioxid-Messstation am Clevischen Ring in Köln Foto: dpa

  1. Auch in Köln klagt die Umwelthilfe wegen zu hoher Schadstoffwerte.

Was ist der Hintergrund der Klage der Deutschen Umwelthilfe in Köln?

Der Luftreinhalteplan für das Stadtgebiet Köln trat am 1. April 2012 in Kraft. Eine vollständige Stickstoffdioxid-Grenzwerteinhaltung wird erst nach dem Jahr 2020 erwartet. Weil dies die Frist zur Einhaltung der Grenzwerte um zehn Jahre übersteigt, hat die Deutsche Umwelthilfe Klage gegen die Bezirksregierung eingereicht.

Wie hoch ist die Belastung Kölns mit Stickstoffdioxid?

Der Jahresmittelwert für 2015 am Clevischen Ring, dem Messpunkt mit den höchsten Belastungswerten, lag bei 66 Mikrogramm. Erlaubt sind 40 Mikrogramm.

Wie viele Dieselfahrzeuge sind in Köln angemeldet?

Insgesamt gibt es in Köln rund 570 000 Fahrzeuge. Unter den 463 000 Pkw gibt es 156 000 Diesel-Autos. Die große Mehrheit der rund 29 000 Lkw wird ebenfalls mit Diesel-Kraftstoff betrieben.

Welche Maßnahmen schlägt die Deutsche Umwelthilfe vor?

Die Deutsche Umwelthilfe empfiehlt eine Reihe von Maßnahmen zur Verbesserung der Luftqualität. Dazu gehören Tempo-30-Limits für hochbelastete Straßen, die Einführung eines Bürgertickets sowie einer City-Maut und die teilweise Sperrung des Kfz-Verkehrs in Innenstadtbereichen. Zudem sollen Park&Ride-Möglichkeiten ausgebaut und umweltsensitive Ampeln, die auf die Schadstoffbelastung reagieren, eingerichtet werden. Darüber hinaus empfiehlt der Verein eine Angleichung des Mineralölsteuersatzes für Diesel an jene für Ottokraftstoffe. Eine schnelle Modernisierung der Busflotte und eine intensive Förderung des Nahverkehrs stellen laut Umwelthilfe wichtige zusätzliche Maßnahmen dar. Ein strenges Fahrverbot für Dieselfahrzeuge ist hingegen keine explizite Forderung.

Ist ein Fahrverbot für Diesel-Fahrzeuge realistisch?

„Im Moment fehlen dafür die bundesgesetzlichen Grundlagen“, sagt Klaus Harzendorf, Leiter des Amts für Straßen und Verkehrstechnik. Eine Verbot würde zudem nur Fahrzeuge mit deutlich erhöhtem Ausstoß betreffen. Ausgeschlossen sei ein Verbot aber nicht.

Welche konkreten Maßnahmen können die Belastung in Köln senken?

Die Stadt hat laut Amtsleiter Harzendorf insgesamt 51 Maßnahmen umgesetzt oder geplant. Dazu gehören Umweltzonen, die Förderung des Radverkehrs und Carsharings und stellenweise Fahrverbote für Lkw. Harzendorf: „Die Belastung konnte dadurch schon gesenkt werden, aber noch nicht stark genug.“ Am Clevischen Ring werde im Herbst eine umweltsensitive Ampelanlage aufgestellt.

Wie äußern sich Politiker und Interessenverbände?

Martin Börschel, SPD-Landtagsabgeordneter: „Wir fordern von der Stadt unverzüglich einen Maßnahmenkatalog zur Reduzierung der Stickoxide, wie wir es bereits im Verkehrsausschuss in der letzten Woche beantragt hatten. Es ist ein Fehler auf ein Kölner Urteil zu warten, obwohl aufgrund des Düsseldorfer Urteils in Kombination mit den objektiven Messwerten aus Köln jetzt schon feststeht, dass Handlungsbedarf besteht. Wir wollen Fahrverbote vermeiden, aber wenn andere Maßnahmen nicht erfolgreich sind, wird man sie im Sinne der Gesundheit der Kölnerinnen und Kölner nicht ausschließen können.“

Gerd Brust, Ratsmitglied Bündnis 90/Grüne: „Das Sinnvollste wäre, wenn die Firmen, die die Autos bauen, die gesetzlichen Vorgaben erfüllen würden. Wir überlegen schon ernsthaft, ob wir eine mögliche Strafe an Firmen wie Volkswagen weitergeben können. Zudem müssten städtische Durchfahrtsverbote für Lkw von der Polizei durchgesetzt werden, die dafür dann aber auch mehr Personal benötigen würde. Pläne, den Fahrradverkehr zu fördern, müssen rasch von der Verwaltung umgesetzt werden.“

Katharina Welcker, CDU, Stellvertretende Ausschussvorsitzende für Umwelt und Grün im Stadtrat: „Es gibt verschiedene Belastungsquellen, die die Kommune gar nicht oder nur teilweise beeinflussen kann. Dazu gehört auch die Rheinschifffahrt. Verkehrsflüsse müssen optimiert und das Nachtfahrverbot für Lkw vermehrt kontrolliert werden. Es gibt zudem eine Menge Leute, die beim Autokauf darauf vertraut haben, dass die Autobauer die Abgasnormen einhalten. Ich bin gegen Verbote – wenn wir gute Alternativen zum Auto anbieten, werden viele Leute freiwillig umsteigen.“

Handwerkskammer Köln: „Ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge gefährdet die Versorgung durch das Handwerk“, sagt Hauptgeschäftsführer Ortwin Weltrich. Alle Emissionsträger müssten einbezogen werden. Dies gelte insbesondere für den Schiffsverkehr, mit seinen Dieselmotoren. Es müsse eine Pflicht zum Einbau von Katalysatoren eingeführt werden. Ein weiteres Problem seien die Staus. Den seit langem angemahnten modernen Verkehrsrechner in Köln gebe es bis heute nicht. Ebenso sei die umweltsensitive Ampelanlage für Mülheim blockiert worden.Industrie- und Handelskammer: „Die Unternehmen müssen die Möglichkeit erhalten, sich auf neue Bedingungen einzustellen“, sagt Ulrich Soénius, stellvertretender Hauptgeschäftsführer. Die Anschaffung eines Fuhrparkes oder die Umrüstung sei mit hohen Kosten verbunden. In der Vergangenheit haben Verwaltung und IHK bei der Einführung der Umweltzone konstruktiv zusammengearbeitet – dieses Vorgehen will die IHK Köln im Falle eines Urteils der Stadt Köln wieder vorschlagen.

Schwere Atemwegsschäden durch Stickstoffdioxid

Nachdem das Verwaltungsgericht Düsseldorf am Dienstag die Stadt Düsseldorf verpflichtet hat, mehr für saubere Luft in der Landeshauptstadt zu tun – notfalls mit Fahrverboten für Dieselautos, ist die Aufregung in vielen Städten Nordrhein-Westfalens groß, so auch in Köln. Denn dort werden die Grenzwerte für die Belastung der Luft mit Stickstoffdioxid – darum ging es bei dem Düsseldorfer Verfahren – ebenfalls oft übertreten. Das Verwaltungsgericht betonte, es bestehe eine staatliche Schutzpflicht für Leben und Gesundheit der Bürger – auch vor schlechter Luft.

Stickstoffdioxid (NO2 ) entsteht in der Natur ausschließlich durch Verbrennungsprozesse, zum Beispiel in Kohle- und Gaskraftwerken oder eben in Automotoren, insbesondere Dieselaggregaten. Auch beim Blitzschlag während Gewittern bildet sich Stickstoffdioxid. Das Gas hat eine rot-bräunliche Farbe, riecht stechend ähnlich wie Chlor und ist hochgiftig.

Gas gilt als Luftschadstoff Nummer Eins

Zur Belastung für die Atemwege und das Herz-Kreislauf-System von Menschen wird das Gas erst in engen Straßenschluchten, wo es sich sammeln kann und nicht vom Wind davongetragen wird, erklärt die Expertin für Luftreinhaltung Birgit Kaiser de Garcia vom Landesumweltamt Nordrhein-Westfalen. Stickstoffdioxid kann durch Einatmen Kopfschmerzen und Schwindel auslösen. Ist die Konzentration des NO2 in der Luft hoch, dann es sogar zu Atemnot oder Lungenödemen führen. Menschen, die über längere Zeit erhöhte Konzentrationen von Stickstoffdioxid einatmen, leiden unter Beeinträchtigungen der Lungenfunktionen. Auch akute Bronchitis und chronischer Husten werden in Studien mit lang andauernden zu hohen Konzentrationen des Gases in der Atemluft in Zusammenhang gebracht.

Aus Sicht des Bundesumweltamtes entwickelt sich das NO2 aus Kfz-Abgasen derzeit zum „Schadstoff Nummer eins“. In der Europäischen Union gelten daher Grenzwerte, die allerdings in vielen Ballungsräumen seit Jahren überschritten werden: 2015 lagen die Messergebnisse an 56 von 128 Messpunkten in NRW teilweise deutlich über dem Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter im Jahresmittel.

Wegen der anhaltenden Verstöße hat die EU-Kommission bereits 2015 ein Verfahren gegen die Bundesrepublik eingeleitet. Es drohen dem Bund empfindliche Strafzahlungen. (ps, dpa)