Feind von RechtsextremenKölner Politikwissenschaftler wird seit Jahren bedroht
Köln – Ein Lieblingsfeind von Rechtsextremisten ist Christoph Butterwegge schon seit mehr als 30 Jahren. Als in den 80er Jahren die Deutsche Volks-Union (DVU) und die Republikaner groß herauskamen und mit ähnlichen Parolen von sich reden machten wie heute die AfD, da schrieb Butterwegge als stadtbekannter Aktivist der Friedensbewegung in Bremen einen empörten Leserbrief an die dortige Zeitung, den „Weser-Kurier”. Die Folge: Nächtliche Telefonanrufe mit verstellter Stimme, „hier spricht Adolf – dich kriegen wir auch noch“.
Seither ist Butterwegge das „politische Geschäftsmodell der Rechtsextremen” vertraut. Es lautet: Demokraten einschüchtern und Angst unter Gegnern verbreiten, weil einem selbst die Argumente fehlen.
In jüngster Zeit stand Butterwegge mit einer eigens angelegten „Akte” auf dem rechtsextremen Prangerportal „Nürnberg 2.0“, das dem Bundeskriminalamt seit 2011 bekannt ist. Auf einer Art schwarzen Liste sind Männer und Frauen aufgeführt, die, so schreiben die anonymen Betreiber, „deutsches Recht gebeugt oder verletzt haben, um damit dem Vordringen des Islams in Deutschland Vorschub zu leisten“. Butterwegge werden kritische Aussagen über das Buch „Deutschland schafft sich ab“ des früheren SPD-Politikers Thilo Sarrazin vorgehalten.
Butterwegge bekämpfte Drohanrufe mit der Trillerpfeife
Auf der inzwischen von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indizierten und über die üblichen Suchroutinen im Internet und in den sozialen Netzwerken nicht mehr auffindbaren Seite stand auch der frühere Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke. Nach dessen Ermordung wurde sein Name von den Betreibern kommentarlos gelöscht.
„Feindes- oder Todeslisten sind schon eine hohe Eskalationsstufe”, sagt Butterwegge. Die Methode selbst habe bei ihm allerdings schon damals in Bremen mit den nächtlichen Drohanrufen nicht verfangen. „Ich war jung, politisch engagiert und ohne eine Familie, die Rücksichtnahme erfordert hätte. Da lässt man sich von so was nicht beeindrucken.” Politisch im Sturm stand Butterwegge zeit seines Lebens: „Ich bin einmal aus der SPD ausgeschlossen worden und einmal ausgetreten. Ich weiß, was Gegenwind ist, auch wenn er von rechts heftig bläst und besonders unangenehm ist.”
Ausstellung in Köln
Das Projekt „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“ ist eine Kooperation von elf Regionalmedien, darunter der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Zusammenarbeit mit dem „Weißen Ring e.V.“, unter der Leitung des gemeinnützigen Recherchezentrums „Correctiv“.
Das Herzstück des Projekts sind die Porträts von 57 Menschen, die auf sogenannten „Feindeslisten“ von Neonazis und Rechtsextremisten stehen oder standen. Sie werden in einer Wanderausstellung gezeigt, die vom heutigen Dienstag, 20. Juli, bis zum Freitag, 23. Juli, täglich von 11 bis 18 Uhr auf dem Kölner Ebertplatz zu sehen ist.
Außerdem erscheint am 29. Juli ein gleichnamiges Buch. Auch daran hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgearbeitet. Es enthält neben den Porträts auch Recherchen zum Ausmaß und zur Komplexität des rechten Terrors in der Bundesrepublik.
Gegen weitere ungebetene Anrufer besorgte Butterwegge sich eine Trillerpfeife. „Das war die eine Art, mich zu wehren.” Die andere Art war die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Problem. Das Etikett des „Rechtsextremismus-Forschers” klebte viele Jahre an Butterwegge, bevor ihn die Öffentlichkeit stärker mit Armut in Verbindung brachte. Dass er heute immer noch von rechts angefeindet wird, hängt für den Kölner Politikwissenschaftler damit zusammen, dass sein Einstehen für mehr soziale Gerechtigkeit, mehr Gleichheit und demokratische Teilhabe aller einer autoritären Ideologie diametral entgegensteht. Es bildet sozusagen den Widerpart zum rechten Führerprinzip.
Polizei musste ihn über die Tiefgarage nach draußen schleusen
Wiederholt geriet Butterwegge dadurch in brenzlige Situationen. Einmal besetzten Neonazis während seines Vortrags in Erfurt die Saaltüren. Ein anderes Mal schleuste ihn die Polizei nach einer Veranstaltung zu den umstrittenen Thesen Thilo Sarrazins in Marl durch die Tiefgarage nach draußen, um ihn vor rechtsextremen Schlägern in Sicherheit zu bringen.
Grundsätzlich seien alle Formen der Bedrohung ernst zu nehmen, sagt Butterwegge. Dazu zählten auch Feindes- oder Todeslisten. Der Fall Walter Lübcke zeige das nur allzu deutlich. „Wenn ich je wieder in solcher Art angegriffen werden sollte, würde ich das deshalb auch zur Anzeige bringen.” Noch wichtiger aber sei die politische Gegenwehr. “Wir müssen den gesellschaftlichen Konsens stärken, dass die Anwendung oder Androhung von Gewalt in einer Demokratie kein Mittel der politischen Auseinandersetzung sein darf.” Auch die – im Vergleich mit Mordanschlägen – scheinbar harmlosen Belästigungen wie Telefonate, Anfeindungen in Hass-Mails oder andere verbale Attacken seien Formen der Gewalt. „So fängt es meistens an.” Menschen Angst einzujagen und sie selbst oder gar ihre Familien zu bedrohen, „das ist unterste Schublade der Auseinandersetzung mit einem politischen Gegner – und dagegen muss die Gesellschaft noch deutlicher zusammenstehen.” Wenn nur zehn Prozent der Bevölkerung so etwas achselzuckend hinnehmen, “dann haben wir schon ein Problem.”
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Butterwegge spricht von der Notwendigkeit eines Schutzwalls, gebildet aus Solidarität und Rückhalt in der Nachbarschaft, am Arbeitsplatz, im Freundes- und Bekanntenkreis. Auch er weiß: „Man kann nicht vor die Haustür jedes politisch aktiven Bürgers einen Polizisten stellen, wobei Polizisten – wie wir gelernt haben – ja durchaus auch ein Teil des Problems sein können.” Umso wichtiger sei deshalb ein Klima der Ächtung von Gewalt. „Und natürlich müssen die Sicherheitsbehörden schon die Anfänge politischer Gewalt ernst nehmen und sie mit der notwendigen Härte verfolgen.“
Respekt hat Butterwegge vor allen, die der Einschüchterung widerstehen. „Jetzt braucht man zwar ein wenig Mut, hat aber die öffentliche Meinung auf seiner Seite. Lässt man sich einschüchtern, hat die Demokratie eine Niederlage erlitten und die Rechte einen Sieg davongetragen. Wenn diese Kräfte an Einfluss gewinnen, ist es mit dem friedlichen Zusammenleben vorbei.“