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Serap Güler zu Feindeslisten„Die Alarmglocken sollten schrillen“

Lesezeit 4 Minuten
Güler

Serap Güler, Staatssekretärin im Familienministerium von NRW

Düsseldorf – Als Serap Güler erfuhr, dass ihr Name auf einer rechtsextremen Feindesliste steht, erzählte sie nur einem kleinen Teil ihrer Familie davon. „Meine Eltern hätten sonst schlaflose Nächte gehabt. Gerade meine Mutter macht sich schnell Sorgen“, sagt die 41-Jährige. Ihr Mann, besonders ihre Nichten, reagierten schockiert. „Es war schon ein mulmiges Gefühl, aber man selbst steckt das irgendwie weg. Es ist vor allem das nahe Umfeld, das sich dann große Sorgen macht.“

In ihrer Jugend, sagt Güler, habe sie sich kaum für Politik interessiert. Doch das Studium an der Universität Essen konfrontierte sie zwangsläufig mit politischen Themen: Mit Kommilitonen stritt sie über Studiengebühren, über das Bildungssystem generell. Gleichzeitig entbrannte in der Gesellschaft eine Diskussion über Integration: Vor ihrem Türkeiurlaub fragten plötzlich Freunde, ob ihr eine Zwangsehe drohe. „Die Pauschalität, dieser Generalverdacht, hat mich an der Debatte extrem gestört“, sagt Güler. Ihren Frust darüber arbeitete sie auch wissenschaftlich auf, sie schrieb ihre Magisterarbeit darüber.

CDU-Staatssekretärin mit Vorbild bei den Grünen

2009 trat Güler nach langem Abwägen – „das war keine Entscheidung über Nacht“ – in die CDU ein. Ihr erstes politisches Vorbild sitzt jedoch für die Grünen im Bundestag: Cem Özdemir. „Die Grünen kamen als Partei für mich nie in Frage. Aber er zog 1994 als erster türkischstämmiger Abgeordneter in den Bundestag ein. Dass einer ‚von uns‘ im Bundestag sitzt, war für meine Generation ein tolles und wichtiges Signal.“

Ausstellung in Köln

Das Projekt „Menschen – Im Fadenkreuz des rechten Terrors“ ist eine Kooperation von elf Regionalmedien, darunter der „Kölner Stadt-Anzeiger“ in Zusammenarbeit mit dem „Weißen Ring e.V.“, unter der Leitung des gemeinnützigen Recherchezentrums „Correctiv“.

Das Herzstück des Projekts sind die Porträts von 57 Menschen, die auf sogenannten „Feindeslisten“ von Neonazis und Rechtsextremisten stehen oder standen. Sie werden in einer Wanderausstellung gezeigt, die vom heutigen Dienstag, 20. Juli, bis zum Freitag, 23. Juli, täglich von 11 bis 18 Uhr auf dem Kölner Ebertplatz zu sehen ist.

Außerdem erscheint am 29. Juli ein gleichnamiges Buch. Auch daran hat der „Kölner Stadt-Anzeiger“ mitgearbeitet. Es enthält neben den Porträts auch Recherchen zum Ausmaß und zur Komplexität des rechten Terrors in der Bundesrepublik.

Heute ist Serap Güler Staatssekretärin für Integration im Familienministerium und gilt als enge Vertraute des Ministerpräsidenten Armin Laschet. Als gläubige Muslima engagiert sie sich im Führungsgremium des katholischen Kolpingwerkes, sie will die doppelte Staatsbürgerschaft beibehalten und spricht sich gegen Kopftücher bei Mädchen unter 14 Jahren aus. Als der islamistische Hassprediger Pierre Vogel sie in einem YouTube-Video deshalb beschimpfte, geriet sie in den Fokus der islamistischen Szene in Deutschland. „Bei mir ist es nicht nur das rechte Spektrum. Ich bekomme auch Drohungen aus der islamistischen Ecke und von türkischen Fundamentalisten“, sagt Güler.

Hassmails nach Kritik an Maaßens Kandidatur

Im Frühjahr 2021 war es wieder die rechte Ecke, die sie attackierte. Dass die CDU Südthüringen den Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen als Bundestagskandidaten aufstellte, hatte sie kurz zuvor mit den Worten quittiert: „Ihr habt echt den Knall nicht gehört! Wie kann man so irre sein und die christdemokratischen Werte mal eben über Bord schmeißen?“ In ihrem Büro gingen daraufhin zahlreiche wütende Mails, Anrufe und Briefe ein.

Von einem auf zehn DIN A4 Seiten langen, handgeschriebenen Brief las Güler nur die ersten Zeilen. Dann warf sie ihn in den Papierkorb. Ähnlich, sagt sie, gehe sie mit Hassmails um. „Man merkt ja relativ schnell, in welche Richtung so etwas geht“, sagt Güler. „Da hat sich jemand hingesetzt und mir einen zehnseitigen, handgeschriebenen Brief geschrieben. Die größte Strafe ist doch, wenn ich den einfach nach den ersten Sätzen in den Müll schmeiße. Dann war die ganze Mühe umsonst.“

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Von der Feindesliste habe Güler erst durch die Recherche von Correctiv erfahren, an der auch der „Kölner Stadt-Anzeiger“ beteiligt war. „Serap Güler – türkisch-islamisches U-Boot“, steht da, auf der sogenannten "Schwarzen Liste" des rechtsextremen Prangerportals "Nürnberg 2.0". Es ist eine Internetseite, auf der die rechte Szene seit Jahren Personen sammelt, die sie als „Verräter am Deutschen Volk“ sieht und „zur Verantwortung ziehen will.“ Auch Walter Lübcke stand auf dieser Liste. Nach dessen Ermordung löschten die anonymen Betreiber dessen Namen. Kommentarlos.

Meistens, so Güler, sprechen Menschen das Thema Drohungen und Feindeslisten an, wenn sie selber drauf stehen. Dabei könnten auch nicht-betroffene Personen mit Solidarität, Verständnis und Mitgefühl Flagge zeigen. „Allein, dass es solche Listen gibt, sollte bei allen Demokraten die Alarmglocken schrillen lassen.“