Köln – Der Bauarbeiter konnte gar nicht recht glauben, was er da sah: eine junge Frau im Feuerwehranzug am Steuer eines Tanklöschwagens. 18 Tonnen wiegt das Gefährt – mehr als so mancher Militär-Panzer – und ist damit das schwerste Fahrzeug der Kölner Feuerwehr. Malin Sintermann hat ihn in der Ausbildung zu Übungszwecken gefahren. „Als ich an einer Ampel gehalten habe, ist dem Bauarbeiter sein Brötchen aus der Hand gefallen“, sagt sie lachend.
Alltäglich sind Frauen auf Löschfahrzeugen in Köln tatsächlich nicht. Insgesamt 13 hauptamtliche Feuerwehrfrauen gibt es bei den Berufskräften – gegenüber 1300 Männern. Bei der Freiwilligen Feuerwehr und beim Rettungsdienst sind die Quoten deutlich höher, aber der Beruf ist noch immer von Männern dominiert. Welchen Geschlechts die Person ist, die im Ernstfall ausrückt, ist zwar letztlich unerheblich. Nicht zuletzt weil die Feuerwehr aber seit Jahren chronisch unterbesetzt ist, wirbt die Stadt nun verstärkt um Interessentinnen. Zigtausende junge Frauen in der Stadt sind ein Potenzial, das nicht länger ignoriert werden kann.
Schwierige erste Monate in der Ausbildung
Drei Feuerwehrfrauen von Wache sechs in Chorweiler berichten nun im „Kölner Stadt-Anzeiger“ von der Arbeit in der Männerdomäne, vom enormen Zusammenhalt in der Truppe, aber auch von Vorbehalten, die ihnen gerade am Anfang noch entgegenschlugen. „Es gab schon alt eingesessene Männer, die mir offen gesagt haben: ‚Als Frau gehörst du hier nicht hin‘, aber es gab auch Männer, die einen mit offenen Armen empfangen haben. Es war wie eine Achterbahnfahrt“, sagt Brandmeisterin Denise Neuendorf. Vorurteile beim Berufseinstieg haben sie alle erlebt. „Als ich kam, dachten einige ‚oh, da kommt ein Mädel, die hält bestimmt nix aus‘“, berichtet Brandmeisterin Sintermann.
„Man darf aber nicht jeden Kommentar sofort persönlich nehmen. Ich kann dumme Sprüche gut kontern. Das verschafft einem Respekt und dann ist das Geschlecht irgendwann egal. Aber bis der Punkt erreicht ist, dauert es in der Regel ein paar Monate.“ Danach aber werde man vollkommen anerkannt, sagt auch Neuendorf. „Nach zweieinhalb Jahren hat keiner mehr Vorurteile mir gegenüber, zumindest auf dieser Wache. Inzwischen sind die Kollegen so etwas wie meine Familie geworden.“ Und klar ist auch: Je mehr Frauen auf die Wachen kommen, desto schwerer haben es Stereotype.
Als Pioniere hatten es die ersten Frauen aber noch genau damit zu schaffen. Sintermann spricht von einem „Verhältnis von 85 zu 15“. Die meisten Witze seien erträglich, gut zu parieren. Andere aber nicht. „Wenn mir was zu weit geht, stecke ich klar ab und sage ‚So Freund, bis hierhin und nicht weiter!‘“. Bisher habe das immer gereicht, sagt sie. Die drei Feuerwehrfrauen werben mit Entschiedenheit für ihren Beruf. „Ich habe viele Berufe ausprobiert, aber war nirgendwo so glücklich wie hier“, sagt Sintermann. Sie sprechen ohne Verbitterung über die Probleme, ohne Anklage oder Wehleidigkeit, dafür mit Selbstvertrauen und Pragmatismus.
„Gendern wäre hier manchmal übertrieben“
Auch dann, wenn es um den Sporttest geht, der zu Beginn jeder Ausbildung steht. Die Anforderungen in den neun Übungen sind für beide Geschlechter identisch – unter anderem ein 45-sekündiger Beugehang, das Ziehen einer 75-Kilo-Puppe und ein Drei-Kilometer-Lauf in 15 Minuten. Wer will, sieht darin eine Benachteiligung von Frauen. Aber die Bedingungen im Einsatz bleiben gleich und deshalb auch die Normen. „Die Person im 13. Stock wird nicht leichter, das Feuer wird nicht kleiner, bloß weil wir Frauen sind“, sagt Prang. „Gerade hier in Chorweiler gibt es viele Hochhäuser. Wenn es da brennt, nehmen wir ja nicht den Aufzug.“ Aber der Test sei für trainierte Menschen „definitiv machbar – auch für Frauen.“
Wenn es nun aber darum geht, mehr Frauen auf die Löschwagen zu bewegen, stellt sich die städtische Verwaltung noch als schwerfällig heraus. Ein Konzept etwa gibt es nicht, wie mit Familienplanungen umzugehen ist. Sobald eine Frau weiß, dass sie schwanger ist, darf sie zu ihrem eigenen Schutz nicht mehr im Einsatzdienst arbeiten. Verwaltungsstellen bei der Feuerwehr sind knapp – anders als bei der Polizei, die auch deshalb viel mehr Frauen in ihren Reihen hat.
Noch ist es aber auch nicht üblich, die werdenden Mütter in dem Fall in anderen städtischen Stellen wie dem Ordnungsamt unterzubringen. Die Frage musste bisher nicht gestellt werden. Ein Umdenken findet statt, das Problem soll spätestens gelöst werden, wenn der erste Fall auftritt. Feuerwehrleute sind verbeamtet – den Job verlieren würde also niemand.
Gummistiefel in Einheitsgröße
Auch an anderen Stellen im Feuerwehralltag fällt auf, wie Männer-fixiert der Betrieb lange war. So steht zum Beispiel auf den Westen „Zugführer“, Frauen werden im Dienst als „Brandmeister“ oder „Angriffstruppmann“ bezeichnet. Aber das stört im Alltag nicht, sagen sie. „Die Westen werden ja weitergegeben. Die Bezeichnung meint nur die Funktionsbeschreibung und nicht mich als Person“, sagt Brandoberinspektorin Pia Prang. „Das Gendern wäre bei uns manchmal etwas übertrieben“, findet auch Sintermann.
Auch das Gerät ist immer noch vor allem auf Männer zugeschnitten. Nach und nach wurden zwar Atemmasken auch für kleinere Kopfgrößen bestellt. Funktionskleidung wie Chemikalienschutzanzüge oder Gummistiefel gibt es aber weiterhin nur in Einheitsgröße. „Die sind für 1,85 Meter große Menschen gemacht - den ‚klassischen Feuerwehrmann‘“, sagt Prang lachend. Man stolpere dann zwar etwas eher, aber wirklich behindern tue es nicht.
So wie auch die Sache mit den Umkleiden. „Als ich 2016 mit der Ausbildung angefangen habe, konnte ich nur auf zwei Wachen ein Praktikum machen, weil es auf den anderen keine Umkleideräume für Frauen gab“, sagt Sintermann. „Das hat sich aber gebessert. Wenn erstmal Frauen auf den Wachen arbeiten, wird da auch alles für sie getan.“