Köln – Kardinal Schulte war in schlechten Zeiten komfortabel unterwegs. Der Kölner Erzbischof ließ sich ab 1925 in einer Luxuskarosse aus dem Hause Maybach zu seinen Terminen chauffieren. Genauer gesagt nahm Schulte auf einem Sofa mit Blümchendekor Platz. Ein Detail, das wohl nicht überliefert wäre, hätte Horst Nordmann nicht einen fotografischen Schatz geborgen.
Der 62-Jährige ist eigentlich Experte für die rege Kölner Motorrad-Szene vor dem Zweiten Weltkrieg.
Vor einigen Jahren bekam er aber zwei Alben mit Schwarz-Weiß-Aufnahmen angeboten, die lauter Autos zeigten: schwere Limousinen, die Millionen wert wären, würden sie heute noch existieren.
Ein junger Mitarbeiter des Kölner Karosseriewerks Papler hatte die mächtigen Musterbücher, die einst Kunden zur Inspiration vorgelegt wurden, 1955 aus dem Müll gefischt und Jahrzehnte lang aufbewahrt. Die Folianten zeigen nicht nur Fahrzeuge, die Papler vor und nach dem Ersten Weltkrieg baute.
Vermerkt sind mit Bleistift auch viele der namhaften Empfänger. Im Hintergrund ist immer wieder das alte Köln zu erkennen. Kulisse für ein Adler-Cabrio ist etwa der Vater-Rhein-Brunnen am Kaiser-Wilhelm-Ring, der in den Nazi-Jahren entfernt wurde, weil Bildhauer Adolf von Hildebrand Jude war.
Kölner Fotograf: „Das ist ein Stück Stadtgeschichte“
„Das ist ein Stück Kölner Stadtgeschichte“, sagt Horst Nordmann über die Papler-Fotos. Trotz des hohen Preises konnte er nicht anders, als sie dem ehemaligen Papler-Mitarbeiter abzukaufen: „Das sind Dinge, die kriegt man nur einmal im Leben angeboten.“
1868 hatte Franz Papler in Köln einen Betrieb für Wagen- und Kutschenbau gegründet. Als Pferdegespanne von Autos abgelöst wurden, schwenkte das Unternehmen auf individuell angefertigte Karosserien um, die, wie damals üblich, auf Fahrgestelle von Nobelherstellern wie Mercedes, Horch oder Adler montiert wurden.
Kölner Unternehmen baute Luxukarosserien
Es waren luxuriöse Aufbauten für Sport-, Reise- oder Stadtwagen, die nach dem Ersten Weltkrieg im heutigen Erft-Haus an der Neusser Straße und später an der Bremerhavener Straße in Niehl entstanden. „Dabei wurde größter Wert auf erstklassige, künstlerische und geschmackvolle Ausführung gelegt“, so Horst Nordmann. In einer Zeit der wirtschaftlichen Krisen und der Massenarbeitslosigkeit sei dies ein durchaus mutiges Geschäftsmodell gewesen, das jedoch auch deshalb funktionierte, weil der Export in Länder der ehemaligen Kriegsgegner wie Belgien, Holland oder England eine große Rolle spielte.
Horst Nordmanns Aufnahmen beweisen jedoch, dass auch im Rheinland Luxusgefährte gefragt waren. Am schneebedeckten Ebertplatz parkt ein nagelneuer Horch-Direktionswagen für das Mülheimer Unternehmen „Felten & Guillaume“, ein anderer Chauffeurwagen ist für die Chefetage des Zigarettenproduzenten Haus Neuerburg bestimmt. Den weißen Renn-Alfa P 3 am Rheinufer baute Papler einst für Rennfahrer Herbert Berg zu einem Sportwagen mit opulent geschwungenen Kotflügeln um. Davor hatte der Wagen Rennlegende Rudolf Caracciola gehört.
Altes Fotoalbum zeigt Leben der Kölner Prominenz um 1900
Schauspieler, Fürstenhäuser und Hoteliers bestellten bei Papler exotische Fahrzeuge. Gleichzeitig verließen Nutzfahrzeuge das Werk, Krankenwagen für die Kölner Feuerwehr zum Beispiel. Kardinal Schulte sei die Zeit damals „inopportun für die kostspielige Ausgabe“ eines neuen Dienstwagen erschienen, so das Kölner Erzbistum über die Anschaffung des Maybachs.
Ihm hätte auch sein älterer Dienstwagen aus dem Hause Benz genügt. Der Maybach wurde auf Empfehlung des Reichsarbeitsministern Heinrich Brauns, der selbst Maybach fuhr, trotzdem angeschafft. In der Folge kam es zu kleineren Zwischenfällen mit der klerikalen Limousine.
Auch Kölner Erzbistum leistete sich ein Luxus-Auto
In Mettmann wurde laut Erzbistum ein Hund überfahren und 1930 seien einige Karosseriearbeiten erforderlich gewesen. Im Zuge der Reparaturarbeiten seien auf beide Hintertüren Erzbistumswappen angebracht worden. Über den Verbleib des Wagens sei nichts bekannt: „In der Kriegs- und Nachkriegszeit behalf man sich mit älteren und Leihwagen, bis Kardinal Frings 1952 einen jener legendären Mercedes 300 bekam, die auch Bundespräsident Heuss und Kanzler Adenauer fuhren.“
Papler wirkte während des Zweiten Weltkriegs unter Einsatz von Zwangsarbeitern an der Aufrüstung der Wehrmacht mit. Danach seien Kübelwagen für Polizei und Feuerwehr oder auch Krankenwagen hergestellt worden, so Horst Nordmann. Mit der Übernahme durch die Faun-Werke habe die Papler-Geschichte 1955 geendet. In dem Jahr also, in dem ein junger Mitarbeiter zwei alte Musterbücher aus dem Müll rettete.