„Wir machen da nicht mit“Diese Kölner Kneipen boykottieren die Fußball-WM
Um 11 Uhr morgens deutscher Zeit, soll am 21. November das erste Spiel der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar angepfiffen werden. Aktuell geben immer mehr Gastronomen bekannt, die Spiele in ihren Gaststätten nicht zeigen zu wollen. Und auch der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) berichtet, dass die Stimmung im Hinblick auf die Winter-WM eher verhalten ist.
Kein Public Viewing mit Glühwein in Köln
15.000: So viele Gastarbeiter sollen im Wüstenemirat Katar beim Bau der neuen Stadien für die WM bereits verstorben sein, schätzt die Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Noch bevor ein Ball über den frisch gelegten Rasen rollt, hat die Situation in Katar für Empörung gesorgt. Dazu kommt die Verlegung in den Winter – Public Viewing mit Kölsch im Biergarten ist für die deutschen Fans also sowieso nicht drin.
„Natürlich könnte man Public Viewing auch mit Glühwein veranstalten“, sagt Robert Hilbers, Wirt der Südstadt-Kneipe „Chlodwig Eck“. „Aber wir machen da nicht mit.“ Hilbers war einer der ersten der verkündete, dass in seiner Gaststätte kein WM-Spiel laufen wird, „auch die Qualifikation nicht.“ Die Gründe dafür seien „altbekannt“. Nach Gesprächen mit seinem Personal habe er sich dazu entschieden, auf die Fußball-WM zu verzichten.
Wirte sollen selbst entscheiden
Eine große Sache will Hilbers daraus aber nicht machen: „Mein Ziel war jetzt nicht, eine Bewegung zu starten. Ich will auch über niemanden den moralischen Zeigefinger erheben“, so der Wirt. Die seit Jahren fortschreitende Kommerzialisierung des Fußballs störe ihn. Aber am Ende müsse jeder Wirt selbst wissen, wie er sich entscheide.
Das sagt auch Mathias Johnen, stellvertretender Geschäftsführer der Dehoga in Köln und Bonn. „Es wird keine verbandliche Empfehlung zur Ausstrahlung der Fußball-WM“ geben, sagt er dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Bevor die Lizenzen vergeben werden, werden wir allerdings noch einmal ein Faktenblatt zusammenstellen, auf dessen Grundlage die Betreiberinnen und Betreiber dann entscheiden können.“
Kölner Wirte: „Menschenrechte werden völlig ignoriert“
Für Marco Ziemann von der „Lotta“ ist die Faktenlage bereits klar. Auf Facebook hatte die Kneipe ihren Boykott der Katar-WM bekannt gegeben und dafür viel positives Feedback bekommen. „Wir haben schon bei der WM in Russland überlegt, ob wir das machen wollen“, sagt Ziemann. „Die Fifa setzt immer mehr fragwürdige Instrumente ein. Menschenrechte werden völlig ignoriert, Sklaverei geduldet. Das war irgendwann zu viel.“
„Die Idee war, nicht nur zu sagen, wir zeigen die WM nicht, sondern aktiv etwas dagegen zu machen“, sagt Jona Nelson, der für die Lotta das Alternativprogramm mitorganisiert. „Wir geben einen inhaltlichen Input zu Menschenrechten und den ökologischen Aspekten der WM.“ Nach der WM diskutiere man außerdem bei einer Abschlussveranstaltung, wie man als Fußballfan weitermachen könne. „Das entscheidende ist ja nicht, keinen Fußball mehr zu gucken. Natürlich kann jeder den Fernseher einschalten. Aber man muss die Fifa dort treffen, wo es ihr wehtut - beim Geld. Das geht, wenn man keine Merchandising-Produkte der Sponsoren kauft und auf Public Viewing verzichtet wird.“
Andere Gastronomen kündigten unter dem Beitrag an, sich anzuschließen, darunter das „Low Budget“ im Belgischen Viertel oder die Kneipe „Die Oper“. „Ich würde mich einfach nicht gut dabei fühlen“, sagt auch David Black, Wirt des „Reissdorf im Moselstübchen“ in Ehrenfeld. „Ich habe da eine moralische Verantwortung, ich denke, die Gäste werden das verstehen. Die Zwangsarbeiter sind dort eingepfercht – die Fifa-Machenschaften sind ja bekannt.“ Dass andere Gastronomen sich dem Boykott anschließen, freut Marco Ziemann von der Lotta. „Wir zeigen da klare Kante. Das hat ja auch eine Wirkung nach außen.“
Mehrere Gastronomen aus dem Belgischen Viertel haben sich zudem zusammengetan und gemeinsam über Social Media bekanntgegeben, das Turnier nicht zu übertragen. Zu den Kneipen gehören das Forelle blau, die Wohngemeinschaft, die Barracuda Bar, das Zappes, das De.lite, das Grünfeld, das Monkeys, die Kneipe „Pegel“, die Scheinbar, der Stadtgarten, die Tausend Bar, die Kneipe „Frieda“, die Kneipe „Zum goldenen Schuss“ und die Kneipe „Zum scheuen Reh“.
Und auch die Fußball-Kneipe „Gottes grüne Wiese“ im Belgischen Viertel wird keine Spiele des Turniers übertragen. Über Facebook machten die Betreiber nun deutlich, was sie von der Veranstaltung im Wüstenstaat halten:
„Kein Hype“ zur WM zu erwarten
Andere Südstadt-Kneipen, wie die Ubierschänke und das Piranha werden die Spiele wohl voraussichtlich zeigen. Nach Diskussionen habe man sich überlegt: Wenn die Leute die WM sehen wollen, dann zeige man sie auch. Mathias Johnen von der Dehoga rechnet allerdings grundsätzlich mit „keinem Hype“ rund um die Winter-WM. „Viele sagen ja zurecht, das ist für sie keine WM.“ Die Gastronomen hätten außerdem gerade noch ganz andere Probleme, viele plagen nach dem Lockdown noch immer Existenzängste, die Gäste sind zurückhaltend.
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Gerade deshalb ist der Verzicht auf die Fußball-WM für die Wirte auch eine ökonomische Entscheidung. „Klar ist das mit Einbußen verbunden“, sagt Marco Ziemann. „Aber es ist auch eine Entscheidung gegen den Kommerz.“ Das Moselstübchen hingegen sei mittlerweile sowieso „keine klassische Fußballkneipe“ mehr, so David Black. Für die WM sei er bereit, „das wirtschaftliche Risiko zu tragen.“ Ganz ohne, dass er daraus eine Bewegung machen wollte, hat Chlodwick-Eck-Wirt Hilbers mit seiner frühen Absage also doch etwas losgetreten. „Immerhin kommt man so mal wieder ins Reden“, so der Wirt. „Das finde ich cool.“
Und auch in anderen Kölner Kneipen, Bars und Clubs werden keine WM-Spiele gezeigt, dazu gehören:
- Club Bahnhof Ehrenfeld
- Alt Poller Wirtshaus
- Mühlen Kölsch
- Sion an der Agneskirche
- Resistance
- Neumann
- Buhmann & Sohn
- Vereinsheim Fortuna Köln
- Engelbät
- Malzmühle
- Tor Burg
- Mainzer Hof