1000 Kilo Kot pro TagWie die Stadt Köln den Gänsebestand reduzieren will

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Etwa zwanzig Gänse laufen über eine kahle Wiese am Mediapark-Weiher. Immer mehr Gänse bevölkern die Kölner Parkanlagen wie hier am Mediapark. Ihr Kot beeinträchtigt Mensch und Natur.

Immer mehr Gänse bevölkern die Kölner Grünanlagen wie hier am Mediapark. Ihr Kot beeinträchtigt Mensch und Natur.

Damit sich die Population nicht auch noch vervielfacht, werden die Eier in den Nestern der Wildgänse gegen Gipsattrappen ausgetauscht.

Den kleinen Sohn an der Hand und die Tochter im Kinderwagen läuft der Kölner zickzack in Richtung Mediapark. Das Mädchen im Buggy schaut überrascht angesichts dessen, was der Papa da macht. „Das nervt“, sagt der Mann, seine Augen suchen aufmerksam die „Tretminen“ auf der Rasenfläche des angrenzenden Teiches.

Die ist übersät mit Gänsekot. Rund 1,4 Kilogramm kommen täglich aus jedem einzelnen Tier, verteilt auf bis zu 150 Häufchen. Soweit der Mensch nicht eingreift, denn durch zusätzliches Futter können die Ausscheidungen sogar bis zu zwei Kilo betragen. „Da muss man sich echt konzentrieren, um hier ohne Kontaminierung durchzukommen“, sagt der Anwohner und lächelt, obwohl ihm „eigentlich nicht zum Lachen zumute ist“, wie er ergänzt. Kurz darauf kommen etwa dreißig Kanadagänse angelaufen. Die Tiere glauben vermutlich, hier wolle jemand füttern. Zumindest die Kinder freut’s, der Vater guckt weiter genervt.

Gänse und deren Kücken watscheln über eine Wiese im Stadtwald. Auch am Decksteiner Weiher sind Wiesen und Wege teilweise extrem durch Gänsekot verschmutzt.Links im Bild ist ein gutes Dutzend Küken zu sehen.

Auch am Decksteiner Weiher sind Wiesen und Wege teilweise extrem durch Gänsekot verschmutzt. Links im Bild ist ein gutes Dutzend Küken zu sehen.

Viele Städte in Nordrhein-Westfalen kämpfen mit immer mehr Gänse-Kot. Vor allem Kanada- und Nilgänse watscheln durch die Parks, legen ihre Eier auf Inseln in Baggerseen und Grünanlagen und lassen sich von Spaziergängern füttern. Als Resultat gibt es nicht nur zum Teil drastisch verschmutze Rasenflächen, die eigentlich für ein Picknick oder als Spielgelände für Kinder gedacht sind – auch die Gewässer leiden.

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Hinterlassenschaften der Gänse gefährdet auch die Gewässer

„Die neuen Bewohner am See leisten mit ihrem Kot einen erheblichen Beitrag zur Algenbildung und stören so nachhaltig das biologische Gleichgewicht“, heißt es in einer städtischen Mitteilung. Die durch die Wildtiere verursachten Probleme seien bekannt und würden angegangen, sagt Peter Figgen, Abteilungsleiter im Amt für Landschaftspflege und Grünflächen. Seit zwei Jahren versucht die Stadt es mit dem sogenannten „Gelege-Management“. Die Eier in den Nestern der brütenden Gänse werden im innerstädtischen Bereich gegen Attrappen ausgetauscht, damit sich die Population wenigstens nicht vervielfacht.

In den vergangenen Monaten seien aus 48 Gänse-Nestern insgesamt 319 Eier entnommen und ersetzt worden, heißt es in einer von der Stadt in Auftrag gegebenen Studie. 29 „richtige“ Eier seien markiert worden und im Nest geblieben. „Verbliebene Einzeleier wurden, wie schon in 2023 festgestellt wurde, praktisch nicht weiterbebrütet“, schreiben die mit der Untersuchung beauftragten Biologen. Nur ein einziges Nilgansküken sei gesichtet worden. Zumindest was die von den städtischen „Fahndern“ entdeckten Nester betrifft. Bei der Recherche des „Kölner Stadt-Anzeiger“ jedenfalls wurden am Decksteiner Weiher gut zwei Dutzend Gänse-Zöglinge entdeckt.

Eier werden in der Brutzeit gegen Gipsattrappen ausgetauscht

Der Austausch der Gipseier sei zumindest ein Anfang, sagt Figgen. Seit etwa zwei Jahren, als die Beschwerden aus der Bevölkerung immer lauter wurden, beschäftige die Stadt sich mit den Problemen wegen der immer mehr werdenden Gänse. „Die eine selig machende Generallösung aber gibt es nicht“, sagt Figgen: „Auch für uns ist das Neuland, die Stadtverwaltung ist schließlich kein zoologisches Forschungsinstitut.“

Um zu ermitteln, wie groß das Problem tatsächlich ist, wurde erst einmal gezählt. Im Herbst 2022 und im Frühjahr 2023 an etwa 20 Standorten, wobei durchschnittliche 670 Gänse registriert wurden. „Danach haben wir die Strategie geändert, uns hauptsächlich auf die Hotspots vor allem im innerstädtischen Bereich konzentriert, an denen naturgemäß auch viele Menschen sind“, berichtet Figgen. Acht Standorte wurden ausgewählt. Nahezu wöchentlich wurde ab Mitte 2023 und bis zum Frühjahr 2024 der Bestand an den Gewässern am Mediapark, dem Ebertplatz, an der Universität, am Aachener Weiher, am Clarenbach- und Rautenstrauchkanal sowie im Stadtwald am Kanal und am Decksteiner Weiher gezählt.

Ein Haufen Gänsekot liegt auf auf einer grauen Schotterfläche, im Hintergrund queren die Tiere den Weg. Hinterlassenschaften auf Wegen und Wiesen: An vielen Orten in Köln auch flächendeckend, so dass kein unbelasteter Platz mehr für ein Picknick oder spielende Kinder bleibt.

Hinterlassenschaften auf Wegen und Wiesen: An vielen Orten in Köln auch flächendeckend, so dass kein unbelasteter Platz mehr für ein Picknick oder spielende Kinder bleibt.

Herausgekommen sind jede Menge Zahlen. Im Verlauf der Monate wurden 982 Kanadagänse und 866 Nilgänse registriert, heißt es in der städtischen Studie. Der Höchstwerte pro Gattung: Im August vergangenen Jahres waren 152 Nilgänse im Stadtwald und im September 2023 hielten sich 129 Kanadagänse am Aachener Weiher auf.

129 Kanadagänse am Aachener Weiher

Die Zahlen aber müsse man relativieren, sagt Figgen. Die Tiere, die teilweise auch zwischen den einzelnen Standorten hin und her fliegen würden, wären schwer zu unterscheiden. „Die tragen schließlich kein Schild mit einer Nummer auf dem Rücken und stellen sich auch nicht namentlich vor“, sagt der städtische Abteilungsleiter und lacht. Die Daten würden letztlich dazu dienen, Erfahrungen zu sammeln. „Als Grundlage für unsere zukünftigen Maßnahmen“, so Figgen. „Wenn wir bei der nächsten Zählung beispielsweise feststellen würden, dass die Population trotz des Einsatzes von Gipseiern deutlich gewachsen ist, dann hätten wir wohl ein Zuzug-Problem.“

Dann müssten die Tiere anderswie abgeschreckt und vertrieben werden. Beispielsweise bräuchten die Gänse Wasser und überblickbare Grünflächen, um sich wohlzufühlen. Bedingungen, die sie mit den kurz gemähten Wiesen in der Kölner Innenstadt „zuhauf“ fänden, so Figgen. Weshalb man dann etwa überlegen könne, die Wiesen ein paar Wochen wachsen zu lassen, bis es ungemütlich für die Tiere werde.

Wieviel Gänsekot ist zumutbar?

„Aber das wissen wir alles noch nicht, wir stehen absolut am Anfang“, betont der Mitarbeiter des Grünflächenamtes. Bejagt werden dürften die Tiere in befriedeten Bereichen, wozu neben den bewohnten Arealen in Köln auch die Stadtwaldgewässer zählten, jedenfalls nicht. Was aber klar sei: „Durch ständige Verstöße gegen das Fütterungsverbot können die Gänse es sich richtig bequem machen, wodurch das Problem vielerorts noch deutlich verschärft wird.“ Im Lindenthaler Tierpark beispielsweise sei der Bestand von durchschnittlich zehn Gänsen durch „Zufütterung“ in diesem Jahr auf etwa 40 angestiegen, heißt es in der städtischen Untersuchung. Und am Mediapark könnte die Population von derzeit etwa 50 Tieren von den natürlichen Nahrungsangeboten nicht überleben.

Nach Paragraph 20 der „Kölner Stadtordnung“ (KSO) kann ein Verstoß gegen das „Füttungsverbot von Wasservögeln und Fischen“ mit einem Ordnungsgeld von 35 bis 1000 Euro bestraft werden. 2023 seien 45 Strafen verhängt worden, im laufenden Jahr erst drei, teilte das Ordnungsamt mit.

Das Ziel jedenfalls sei, „ein auskömmliches Miteinander zwischen Mensch und Natur zu finden“, sagt Figgen. Was dies denn wohl in Sachen Kot bedeutet? Auch da gebe es keine Definition. „Aber ich sag‘ mal, wenn am Aachener Weiher auf den Wiesen nur noch eine Handvoll Gänse unterwegs ist, und alle zehn oder 15 Meter ein Flatschen liegt, der beim nächsten Regenschauer weggewaschen wird, dann dürfte das in meinen Augen kein Problem sein“, sagt Figgen.

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