Gianna Nannini im Kölner Tanzbrunnen„Es ist bisschen wie nach Hause kommen“
Köln – Wenn andere Menschen irgendwo in der Welt an Köln denken, dann denken sie wahrscheinlich an den Dom, das Rheinpanorama oder an einen nicht unerfolgreichen Fußballclub. Wenn Gianna Nannini an Köln denkt, dann vor allem an einen ehemaligen Schweinestall im 40 Kilometer entfernten Wolperath. In einem Fachwerkhaus der 1500 Seele-Gemeinde hat Italiens einziger weiblicher Rockstar seinerzeit seine musikalische Identität gefunden. Auf der Suche nach einem neuen Produzenten traf sie Anfang der 80er Jahre den visionären Toningenieur und Musiker Conny Plank, der mit vielen namhaften Künstlern – darunter auch Weltstars wie Annie Lennox zusammenarbeitete. Vor genau 40 Jahren produzierte „Sythesizer-Guru“ Plank, wie Gianna Nannini ihn nennt, mit der damals 27-Jährigen ihr Album „Latin Lover“ und später auch „Profumo“, samt einem ihrer Superhits „Bello e impossibile“.
Köln sei der Ort, an dem sie gelernt habe, das zu sein, was sie heute ist, sagt die Künstlerin in einem Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Hier habe sie begonnen, ihre italienische Welt, ihre kulturellen Wurzeln mit Rock zu verbinden. Ganz wichtig dabei wäre für sie gewesen, ihre Sprache beizubehalten. Damals habe es in Deutschland eine große musikalische Bewegung gegeben, „die europäische Musik ist hier gestartet".
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Ähnlich wie die Kölner Komikerin und Schauspielerin Carolin Kebekus bedauert auch Nannini die Situation für weibliche Künstlerinnen, die auf den Bühnen weitgehend fehlen. In Italien gebe es nicht einen weiblichen Rockstar", so die heute in London lebende Künstlerin.
„Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen“
Während ihre Fans schon mehr als zwei Stunden vor Beginn ihres Nachholkonzerts vor dem Tanzbrunnen Schlange stehen, betont die Sängerin, dass Köln für sie alles andere als eine beliebige Tour-Station sei. Sie habe überhaupt kein Lampenfieber, denn es sei hier ein bisschen wie „venire a casa“ – nach Hause kommen, erklärt die 67-Jährige, noch schwarz-weißen Ringelpulli tragend in ihrer Garderobe.
Eine Stunde später tritt sie mit silberner Lederjacke und Glitzerhose vor ihre rund 2000 Zuhörer, darunter auch Hausherr und Köln-Kongress-Geschaftsführer Bernhard Conin. Der wahrscheinlich jüngste bekennende Gianna-Nannini-Fan ist die zehnjährige Matilda, die vor allem auf „i maschi“ wartet, die wahrscheinlich textsichersten sind die Ärztin Elena (40) aus Siena und ihre 35-jährige Freundin Sivia, Architektin aus Rom, die lachend erzählen, schon als Kind von ihren Müttern „Fotoromanza“ vorgesungen bekommen zu haben.
Ausklang im Kölner „La Vita“
Dass auch die Kölnerinnen und Kölner mehr italienische Vokabeln drauf haben, als sie für ihre Bestellung beim Pizza-Lieferdienst benötigen, zeigt sich von dem Moment an, als Gianna Nannini „America“ anstimmt. Die vielleicht weltweit einzige Rocksängerin, die einen Doktor der Philosophie besitzt, jenseits der 50 Mutter wurde und im Laufe eines Abends immer mehr von dem verliert, was man schon zu Konzertbeginn kaum Frisur nennen kann, macht mit ihren Händen immer wieder Bewegungen, für die man sonst obszöne Wörter bräuchte, lacht ihr heiseres Lachen und beglückt nach einem Auftakt mit zwei Titeln aus ihrem jüngsten Album „la differenza“ ihre Fans mit einem Best-of-Gianna-Nannini.
Während nach knapp zwei Stunden mit der ehemaligen WM-Hymne „Un estate italiana“ die letzte Zugabe verklingt, werden im Restaurant „La Vita“ schon langsam die Rotweinflaschen entkorkt und das Wasser für die Pasta erhitzt.
„Sie kommt seit 36 Jahren“, freut sich Padrone Salvatore Luca, der mit der Italienerin – ähnlich wie mit Tina Turner – eine freundschaftliche Verbindung pflegt. Der Abend vom 8. Juni wird deshalb zu einem ganz besonderen, weil außer Gianna Nannini und ihrer aktuellen, aus britischen und italienischen Musikern bestehenden Band, auch ihre ehemaligen deutschen Musiker auftauchen: Gitarrist Rüdiger Elze, Bassist Hans Bäär und Schlagzeuger Rüdiger Braune aus Wuppertal, für den in dieser Nacht eine Geburtstagstorte angeschnitten wird.
Braune ist Mitbegründer der legendären Band Kowalski mit Leadsänger Uwe Fellensiek, den man heute eher als Schauspieler kennt. Produziert wurde das Kowalski-Debütalbum vor 30 Jahren ebenfalls von Conny Plank – etwa zur selben Zeit, als Gianna Nannini im dem zum Musikstudio ausgebauten Schweinestall in Wolperath „Latin Lover“ aufnahm. Köln war somit für die italienische Rocksängerin nicht nur Konzertort, sondern ein Wiedersehen mit Freunden.