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Grünen-Politikerin Christiane Martin„Der Kölner geht nicht gut mit seiner Stadt um“

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Christiane Martin

Köln – Es rumpelt derzeit im Kölner Ratsbündnis zwischen CDU und Grünen – Grund ist die Verkehrspolitik, bei der die Parteien am weitesten auseinander liegen. In Sachen Verkehrswende in Köln haben die Grünen am Mittwoch jedenfalls einen Rückschlag erlitten. Christiane Martin, Chefin der Kölner Grünen-Fraktion, spricht im ausführlichen Interview (das Sie hier auch als Podcast hören können) über die Knackpunkte zwischen CDU und Grünen, die geplante Verteuerung des Anwohnerparkens in Köln, ihre Ungeduld angesichts des schleichendes Ausbaus erneuerbarer Energien, kölsche Klischees sowie die OB-Nachfolge in Köln im Jahr 2025.

Frau Martin, die Grünen sind seit zwei Jahren stärkste Fraktion im Rat. Woran lässt sich erkennen, dass das so ist?Christiane Martin: Rein rechnerisch haben wir 26 Sitze und damit sechs mehr als die zweitstärkste Fraktion CDU. Wir sind in den Ausschüssen und im Rat besser vertreten und sprechen auch zuerst im Rat. Ich schätze das sehr, weil ich dann in der Hand habe, ob ich lospoltere oder einen etwas leiseren Ton anschlage. Letzteres liegt mir mehr, aber manchmal verlangen es das Thema oder die Umstände auch anders.

Woran merken es die Kölner im Alltag?

Ich hoffe, dass sie die Radwege sehen, die entstanden sind und die Diskussion um die Klimaneutralität bis zum Jahr 2035 wahrnehmen.

Auf den Ringen sind die neuen Radwege zu sehen, die Ehrenstraße ist autofrei. Reicht das, damit Köln die Verkehrswende schafft?

Das ist erst der Anfang, das darf auch nur der Anfang sein. Die radfreundlichen Ringe sind noch gar nicht abgeschlossen. Wir müssen uns aber auch auf die Außenbezirke fokussieren und nicht nur auf die Innenstadt. Wenn man aus Bickendorf mit dem Rad und nicht mit dem Auto in die Stadt fährt – das bringt die Verkehrswende voran.

Von der Planung bis zur Umsetzung hat es auf den Ringen Jahre gedauert. Was macht Sie optimistisch, dass der Ausbau künftig schneller geht?

Wir haben mit dem neuen Verkehrsdezernenten Ascan Egerer jemanden, der sehr umsetzungsstark ist. Zur Ehrlichkeit gehört dazu, dass die Radwege, die jetzt realisiert werden, alte Beschlüsse sind. An der Umsetzung hat es in der Vergangenheit aus den verschiedensten Gründen gehapert. Das Tempo wird jetzt erhöht.

Das Anwohnerparken in Köln soll teurer werden – und zwar deutlich. Was entgegnen Sie den Menschen, die sich fragen, ob diese Preiserhöhung jetzt auch noch sein muss?

Es ist Fakt, dass wir die Preise für das Anwohnerparken erhöhen wollen und dass daran gearbeitet wird. Aber wir werden natürlich nicht ein Entlastungspaket der Bundesregierung konterkarieren, indem wir in Köln die Preise zum jetzigen Zeitpunkt erhöhen. Und: Es muss ein sozial abgefedertes System sein. Die Zahlen, die derzeit kursieren, werden nur für bestimmte Autos in bestimmten Bereichen und für bestimmte Menschen gelten. Derzeit sieht es danach aus, dass wir das im übernächsten Jahr angehen. Der öffentliche Raum ist so ein hohes Gut, und die bisher üblichen 30 Euro sind ja nur eine Bearbeitungs- und keine Nutzungsgebühr.

Wenn es im Ratsbündnis zwischen CDU und Grünen knirscht, sind es immer die Verkehrsthemen. Das hat auch der Verkehrsausschuss am Mittwoch gezeigt, bei dem die CDU zusammen mit SPD und FDP gegen die Grünen gestimmt hat. Die Kitschburger Straße in Lindenthal soll jetzt doch nicht komplett autofrei werden, auch die Kalker Hauptstraße wird vorerst nicht zur Einbahnstraße werden. Wie sehr belastet das die Partnerschaft mit der CDU?

Wenn ein Bündnispartner des Öfteren Mehrheiten jenseits des Bündnisses sucht, dann wird die Zusammenarbeit auf Dauer natürlich schwierig. Gleichzeitig wissen wir, dass wir mit der CDU gerade bei Verkehrsthemen sehr weit auseinander liegen. Hier unterscheiden sich die Herkunft, die Lebenswirklichkeit und das Mobilitätsverhalten zwischen CDU und Grünen massiv. Das ist anstrengend und oft frustrierend, im Übrigen für beide Seiten. Da kann es auch nicht immer einen Kompromiss geben. Der Straßenraum ist nur einmal zu vergeben: Entweder fahren Fahrräder komfortabel oder Autos. Die CDU ist da klar beim Auto, wir sind klar beim Fahrrad und für die Mobilitätswende.

Darum haben Sie auch keinen Dienstwagen.

Ganz genau, wobei ich auch mal ein Taxi nehme und nicht Fahrrad fahre, wenn es draußen in Strömen regnet. Ich bin auch Carsharing-Mitglied. Aber ein eigenes Auto, das alleine benutzt, mit dem fast jeder Weg zurückgelegt und das auch noch kostenlos abgestellt wird – davon müssen wir wegkommen. Das ist in der heutigen Zeit und in einer so dicht besiedelten Stadt nicht mehr angemessen. Übrigens bin ich auf dem Fahrrad oft schneller als meine Kollegen von den anderen Fraktionen, die mit dem Dienstwagen kommen, wenn wir gemeinsame Termine haben.

Im nächsten Jahr steht die wichtige Entscheidung an, ob man zwischen Heumarkt und Aachener Straße einen U-Bahn-Tunnel baut. Die CDU will den Tunnel, die Grünen wollen oben bleiben. Warum?

Wenn mir jemand sagen würde, ein Tunnel ist förderfähig, bezahlbar, schnell umsetzbar und hat eine akzeptable Klimabilanz, würde ich mich nicht einer unterirdischen Lösung versperren. Aber dieses Ergebnis halte ich für ausgeschlossen. Es handelt sich hier um eine bestehende Strecke, die sich mit längeren Zügen ertüchtigen und ausweiten lässt. Das geht viel schneller, ist klimaschonender und kostet weniger. Der U-Bahn-Bau schafft oben zwar Platz, aber im Zweifel nur für mehr Autos.

Köln soll bis 2035 klimaneutral werden. Für wie realistisch halten Sie das?

Das ist nicht die richtige Frage. Es geht nicht darum, ob wir es schaffen. Wir müssen es schaffen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen und die Folgen des Klimawandels wenigstens abzumildern. Es wird schrecklich genug werden.

Der frühere Rhein-Energie-Chef Dieter Steinkamp hat eingeräumt, dass es ein Fehler war, in den vergangenen 20 Jahren nicht viel stärker auf Solarenergie zu setzen. Wie viel Hoffnungen haben Sie, dass der neue Chef Andreas Feicht mehr erreicht?

Er wird mehr Tempo machen, weil er weiß, dass es nötig ist. Ich möchte auch endlich die erste zusätzliche Solaranlage auf einem öffentlichen Gebäude in Köln sehen. Wir reden da jetzt schon so lange drüber, dass ich mit meiner Ungeduld manchmal verzweifle. Ich weiß aber auch, welche Schwierigkeiten mit solchen Planungen verbunden sind, die solche langen Zeitspannen erklären können.

Auch bei den E-Ladesäulen hinkt Köln fast schon legendär hinterher. Wird genug getan, um aufzuholen?

Auch davon gehe ich aus, weil wir sie dringend für die Mobilitätswende brauchen. In Stockholm hat man gerade ein ganzes Parkhaus mit E-Ladesäulen ausgestattet, obwohl da natürlich noch etliche Benziner und Diesel stehen, die sie nicht brauchen. Aber in 15 bis 20 Jahren wird es anders sein. Das ist die Zukunft, für die wir jetzt schon sorgen müssen.

Haben Sie Sorge, dass die Energiekrise den Ausbau der erneuerbaren Energien hemmt?

Mit Blick auf ganz Deutschland hemmt das natürlich, weil wir länger als gewollt Kohlekraftwerke betreiben. Das ist bitter und schmerzt. Ich vertraue aber auf die Bundesregierung, dass uns das am Ende nicht maßgeblich zurückwirft. Denn das können wir uns nicht leisten. Als Mitglied im Aufsichtsrat der Rhein-Energie nehme ich wahr, dass der Ausbau deutlich mehr Thema ist als früher.

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Die Rhein-Energie schließt nicht aus, Kunden zu sperren, die ihre Strom- oder Gas-Rechnung nicht mehr bezahlen können. Wie stehen Sie dazu?

Die Rheinenergie hat ja eine Million Euro zur Verfügung gestellt für genau solche Fälle. Ich kann nicht einschätzen, ob das auskömmlich ist. Ich gehe aber davon aus, dass viele Härtefälle damit aufgefangen werden können.

Haben Sie Angst vor einem „Wutwinter“?

Die Gefahr besteht. Ich bin grundsätzlich angstfrei, aber wir müssen aufpassen, dass wir in diesem Land und in Köln die soziale Schere nicht zu weit auseinander gehen lassen. Wir müssen die sozialen Träger und Initiativen in Köln unterstützen und dürfen bestehende Strukturen nicht zerstören, nur um zu sparen.

In Köln wird darum gestritten, wie viele Flächen für den Wohnungsbau geopfert werden sollen. Neue Wohnungen braucht man, damit die Preise nicht zu sehr steigen. Wie wollen Sie mit diesem Dilemma umgehen?

Ganz wird man da nicht rauskommen. Immer nur zu sagen, wir müssen bauen, bauen, bauen, ist mir aber zu schlicht. Wichtig ist, dass wir auf eine bestimmte Art und Weise bauen. Wenn man in die Höhe baut und bestimmte Materialien verwendet, ist das schon mal weniger klimaschädlich. Wir brauchen auch flexible Wohnungen. Ich wohne immer noch in der Wohnung, in der wir mal zu fünft gewohnt haben, obwohl wir nur noch zu zweit sind. Ich finde aber keine kleine Wohnung zum selben Preis. Hätten wir flexiblere Grundrisse, könnte man später aus einer großen Wohnung zwei kleine machen, oder aus einer Kita und einer Schule irgendwann ein Altenheim.

In Köln wird gerade sehr intensiv über ein Hochhaus-Konzept diskutiert. Wie viele Hochhäuser verträgt die Stadt?

Darauf wird das Konzept sicherlich Antworten geben. Ich finde, man sollte in Köln ruhig hoch bauen dürfen. Ich habe mich schon in meinen Ehrenfelder Bezirksvertretungs-Zeiten darüber gewundert, dass alles über drei Geschossen schon als zu hoch gilt. Aber ich habe auch gelernt, dass das eine emotionale Geschichte ist, über die man trefflich streiten kann. Natürlich muss man abwägen, wo die Hochhäuser stehen. Aber prinzipiell verträgt Köln Hochhäuser.

Die OB hat eine Liste mit Großprojekten in Arbeit. Die Politik soll anhand dieser Liste entscheiden, was gestrichen wird, um das gesparte Geld an anderer Stelle einzusetzen. Was wäre denn verzichtbar?

Die Liste liegt ja noch nicht vor. Sie wird auch nicht unbedingt eine Streichliste werden. Denn auf vieles können wir nicht verzichten. Sanierungen von maroden Brücken zum Beispiel sind notwendig. Neue Rheinquerungen für Fußgänger und Radfahrer auch – ohne sie werden wir eine Mobilitätswende nicht schaffen. Auch bei vermeintlich neuen Projekten wie der Historischen Mitte sind die Pläne ja schon weit gediehen, sodass es schwierig wird, sie komplett aufzugeben. Die Liste wird am Ende als Übersicht nützlich sein, um zu priorisieren und uns zu fokussieren.

Zur Person

Christiane Martin ist in Freiberg in Sachsen geboren und aufgewachsen und vor der Wende mit ihrer Familie in den Westen gekommen. Nach dem Abitur in Bonn studierte sie in Köln Geografie. Sie lebt fast 40 Jahre lang in Köln. Seit 2002 ist sie Mitglied der Grünen Partei, seit 2020 Fraktionsvorsitzende der Grünen im Kölner Stadtrat.

Das Verhältnis zwischen Politik und Verwaltung ist in Köln nicht spannungsfrei. Immer wieder werden politische Beschlüsse von der Verwaltung nicht umgesetzt. Worüber ärgern Sie sich maßlos, weil es noch nicht umgesetzt ist?

Die nicht umgesetzten Beschlüsse betreffen vor allem die Bezirksvertretungen. Das schmerzt mich besonders, weil das die kleinste Einheit der demokratischen Mitbestimmung ist. Ich fahre fast jeden Tag auf einer Straße in Ehrenfeld, die schon vor Jahren als Einbahnstraße für Fahrräder geöffnet worden ist. Da wurde mit einem Beschluss nachgebessert, laut dem drei Parkplätze wegfallen sollen, damit der entgegenkommende Autoverkehr besser zu sehen ist. Das ist nicht umgesetzt bis heute. Das ärgert mich. Lässt da einer in der Verwaltung Fünfe gerade sein? Liegt der Beschluss noch irgendwo? Wird er ignoriert? Gibt es Sachgründe? Und das ist ja nur ein Beispiel!

Dafür, dass die Grünen die größte Ratsfraktion sind, treten Sie öffentlich nicht so sehr in Erscheinung wie Ihre Vorgängerinnen. Woran liegt das? Beobachter sagen, Sie haben eine zurückhaltende Art.

Gelegenheiten zu öffentlichen Auftritten gab es in Corona-Zeiten nicht viele. Ich finde nicht, dass ich zurückhaltend bin. Was ich durchaus pflege, ist ein anderer Politikstil. Der beinhaltet mit Sicherheit nicht das möglichst laute Auftreten nach außen. Aber ich wäre nicht Politikerin, wenn ich es nicht auch mögen würde, nach außen zu gehen, mit Menschen zu sprechen und meine Meinung zu vertreten.

„Ein geräuschloses Auftreten sagt nichts darüber aus, wer die Entscheidung trifft“, haben Sie in einem Interview gesagt. Machen Frauen anders Politik als Männer?

Das ist ein Klischee, in dem etwas Wahrheit steckt. Mit Sicherheit sind Frauen eher bereit, nochmal eine Runde zu drehen, Kompromisse zu schließen und lassen nicht so schnell die Muskeln spielen. Aber das kann man nicht verallgemeinern und ich kann das nicht auf bestimmte Personen übertragen.

Bei der nächsten Kommunalwahl 2025 wollen die Grünen einen eigenen OB-Kandidaten oder eine Kandidatin aufstellen. Was müsste diese Person mitbringen?

Ich vernehme in meiner Partei einen starken Wunsch nach einer Person mit klarem grünem Profil, die Verwaltungserfahrung hat und damit auch die Befähigung, eine Verwaltung zu führen. Damit sucht man eigentlich die eierlegende Wollmilchsau.

Sie selbst haben kein Interesse daran, OB zu werden?

Nein.

Grüne und CDU werden sich vor der Wahl stärker voneinander entfernen müssen. Wie sicher sind Sie, dass das Bündnis bis zur Wahl hält?

Ich wünsche mir, dass es hält. Insgesamt ist die Zusammenarbeit vertrauensvoll und verlässlich. Wir haben das nötige Maß an gegenseitigem Respekt. Aber natürlich müssen alle Partner im Bündnis bereit sein, bei wichtigen Themen Kompromisse zu finden.

Sie sind 55 Jahre alt, haben drei erwachsene Töchter und sechs Enkelkinder. Damit sind Sie für heutige Begriffe eine junge Oma.

Das stimmt. Ich war auch eine junge Mutter. Meine Töchter haben das offensichtlich nicht nachteilig erlebt und es genauso gemacht.

Werden Sie als Oma eingespannt?

Inzwischen weniger, weil ich im Rathaus so viel zu tun habe. Früher habe ich die Enkel deutlich mehr betreut und meine Töchter unterstützt.

Sie betreuen auch einen Schrebergarten in Ehrenfeld mit Bienenvölkern. Wie geht es den Bienen in diesem Jahr?

Wieder besser. Im letzten Winter haben wir alle Bienenvölker verloren. Das lag aber nicht daran, dass ich zu wenig Zeit hatte (lacht). Das Bienensterben hat verschiedenste Ursachen. Dabei sind die Bedingungen für Bienen in der Stadt sogar noch besser als auf dem Land, weil sie hier relativ viel Nahrung finden. Aber optimal sind sie eben auch nicht. Wir haben jetzt neue Bienenvölker, denen es gut geht. Ich hoffe, dass sie den Winter überstehen.

Bis zu 200 Kilogramm Honig haben Sie geerntet.

Stimmt. Das ist aber Vergangenheit, weil wir jetzt statt fünf nur noch zwei Bienenvölker haben.

Ihre größte Stärke?

Meine Ehrlichkeit.

Ihr größtes Laster?

Ungeduld.

Welches Klischee über Köln können Sie nicht mehr hören?

Die Klischees, die ich über Köln kenne, sind alle irgendwie wahr. Mir fällt spontan ein: Der Kölner geht nicht gut mit seiner Stadt um.