AboAbonnieren

Häusliche Gewalt an Weihnachten„An Feiertagen entladen sich Gewaltdynamiken“

Lesezeit 4 Minuten
Eine Frau sitzt neben einem gesprungenen Spiegel auf einem Bett und hält ihren Kopf in den Händen (gestellte Szene).

Seit Jahren warnen Hilfsorganisationen vor einem Anstieg häuslicher Gewalt in der Weihnachtszeit. (Symbolbild)

Hilfsorganisationen warnen vor mehr häuslicher Gewalt an Weihnachten. Frauen treffen vielerorts auf ein überlastetes Hilfssystem – auch in Köln.

Wenn an Heiligabend die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum liegen und die Familie zum Festessen zusammenkommt, beginnt für viele Frauen in den Kölner Frauenhäusern eine besonders bedrückende Zeit. „Diese idyllische Idee von familiärer Gemeinschaft, die es vielleicht einmal gab, ist zerstört. Das wird vielen Frauen hier in der Weihnachtszeit nochmal schmerzlich bewusst“, sagt Lea Völler.

Völler ist Mitarbeiterin in einem der beiden Frauenhäuser in Köln. Aktuell finden 26 Frauen und ihre Kinder Platz in den beiden Unterkünften. Aus Sicherheitsgründen werden die Standorte der beiden Einrichtungen nicht veröffentlicht. „Wir versuchen, die Weihnachtstage für die Frauen so erträglich wie möglich zu gestalten, etwa mit Ausflügen auf den Weihnachtsmarkt und einem gemeinsamen Weihnachtsessen“, erzählt Völler. „Viele der Frauen sind traumatisiert.“

Hilfsorganisationen warnen vor Gewalt an Weihnachten

Jedes Jahr warnen Hilfsorganisationen und Beratungsstellen wie die Kölner Frauenhäuser davor, dass sich das Problem häusliche Gewalt während der Weihnachtszeit weiter zuspitzt. Im Kölner Frauenhaus führe man zwar keine Statistik. Und doch sagt auch Völler: „Ein solches Fest ist nicht nur mit Vorfreude, sondern auch mit Erwartungen und Anspannungen verknüpft.“ Werden diese Erwartungen enttäuscht, eskaliere die Situation in vielen Familien „und es entladen sich Gewaltdynamiken, die schon vorher geschwelt haben“.

Trotz des Endes der Corona-Pandemie steigt die Zahl der polizeilich registrierten Fälle häuslicher Gewalt in Nordrhein-Westfalen weiter an. Das Landeskriminalamt (LKA) verzeichnete für das Jahr 2022 33.700 Fälle – ein Anstieg von 9,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. In Köln bleibt die Zahl der Einsätze eher konstant, seit 2021 geht sie sogar wieder leicht zurück. Gab es 2020 noch rund 3200 registrierte Fälle häuslicher Gewalt, waren es im vergangenen Jahr 2850. Damit befinden sich die Zahlen wieder auf dem Niveau des Jahres 2018. 70 Prozent der Opfer in Köln sind Frauen, 30 Prozent sind Männer. „Die Dunkelziffer dürfte aber hoch sein“, sagt Lea Völler vom Frauenhaus.

Statistisch lasse sich ein Zuwachs an häuslicher Gewalt in den Weihnachtstagen in Köln zwar nicht belegen, „gefühlt werden die Kolleginnen und Kollegen im Streifendienst während der Weihnachtszeit jedoch häufiger damit konfrontiert“, sagt Polizeisprecher Christoph Gilles.

Kölner Frauenhäuser fast durchgängig belegt

Hinzu kommt: Frauen, die vor ihren gewalttätigen Partnern flüchten wollen, treffen auf ein überstrapaziertes Hilfssystem. „Unser Frauenhaus ist praktisch immer voll, genauso wie das zweite Frauenhaus in Köln. Alleine heute musste ich drei Frauen abweisen“, erzählt Völler. Und das ist auch in anderen Frauenhäusern in der Region so. Eine Auswertung des Recherchenetzwerkes Correctiv.Lokal zeigt, dass in den Kölner Frauenhäusern 2022 an bis zu 98 Prozent der Tage keine Neuaufnahme möglich war.

In Nordrhein-Westfalen lag die durchschnittliche Belegungsquote bei über 86 Prozent. Das bedeutet: Im Schnitt war in einem nordrhein-westfälischen Frauenhaus 2022 an 314 Tagen keine Aufnahme möglich.

Wegen der Urlaubstage laufe der Betrieb in den Hilfsstellen während der Weihnachtstage außerdem im Notbetrieb. „Das macht die Situation noch schwieriger“, sagt Völler. Seit Jahren fordern Hilfsorganisation wie „Frauen helfen Frauen“ deswegen ein neues Frauenhaus für Köln. Zum Vergleich: In Hamburg gibt es sieben Frauenhäuser.

Dass Köln zumindest ein drittes Frauenhaus bekommen soll, hat der Stadtrat bereits 2019 beschlossen. Doch seitdem ist wenig in passiert. Gemeinsam mit der Stadt und der Wohnungsbaugesellschaft GAG befindet sich „Frauen helfen Frauen“ nach wie vor auf der Suche nach einem geeigneten Standort, mit dem Land verhandelt der Verein über Fördermittel, sagt Claudia Schrimpf aus dem Vorstand von „Frauen helfen Frauen“.

Immerhin: „Von Familienministerin Josefine Paul haben wir das Signal bekommen, dass das Land das Frauenhaus mitfinanzieren wird“, sagt Claudia Schrimpf. Seit 17 Jahren führt der Verein den Kampf um ein neues Frauenhaus in Köln. Schrimpf ist optimistisch, dass er 2024 endlich gewonnen wird.


Sie sind von häuslicher Gewalt betroffen? Hier finden Sie Hilfe:

Das Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen – Unterstützung für Frauen in Not, Tel.: 116 016, rund um die Uhr erreichbar

Gewaltschutzzentrum des Sozialdienstes katholischer Frauen e.V., Mauritiussteinweg 77-79, 50676 Köln, 0221/126 950, Öffnungszeiten: Mo-So 8.30 bis 17 Uhr, Fr bis 13 Uhr

Frauenberatungsstelle „Der Wendepunkt“, Danzierstr. 142a, 51063 Köln, Tel.: 0221/995 644 44, Öffnungszeiten: Mo 15-18 Uhr, Di 9-12 und 15-18 Uhr, Do: 9-12 und 15-18 Uhr, Fr 9-12 Uhr

Für kurzfristige Unterbringung: Elisabeth-Fry-Haus, Albert-Schweitzer-Straße 2, 50968 Köln, Tel. 0221/995 643 00, in Notfällen rund um die Uhr erreichbar

1. Autonomes Frauenhaus, Telefon: 0221 515 502, rund um die Uhr erreichbar

2. Autonomes Frauenhaus, Telefon: 0221 515 554, rund um die Uhr erreichbar